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Zwei Orte im Zentrum Berlins

Außenminister Maas bekräftigt den Willen zur gemeinsamen Erinnerung an polnische Opfer der deutschen Aggression im Zweiten Weltkrieg.

22.09.2021
Außenminister Heiko Maas stellt das Konzept vor.
Außenminister Heiko Maas stellt das Konzept vor. © picture alliance/dpa

Das erste Konzept steht: In Berlin soll eine Gedenkstätte an die nationalsozialistischen Verbrechen in Polen während des Zweiten Weltkriegs entstehen. Als geeignet hat eine Expertenkommission zwei zentrale Gelände in Berlin vorgeschlagen. Zum einen das Gelände der ehemaligen Kroll-Oper im Tiergarten südlich des Kanzleramts, zum anderen das Grundstück neben der Ruine des Anhalter Bahnhofs am Askanischen Platz. Zentrum dieses Ortes des Erinnerns und der Begegnung soll ein Denkmal für die Opfer des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Besatzung in Polen werden.

Die Ruine des Anhalter Bahnhofs.
Die Ruine des Anhalter Bahnhofs. © picture alliance/Bildagentur-online/Joko

Das Ergebnis der Expertenkommission wurde von Außenminister Heiko Maas vorgestellt. Die Pläne seien auf einem guten Weg, sagte Maas. Er schloss sich dem Vorschlag der Kommission an, die Gedenkstätte „als Bekenntnis zu einer zukunftsweisenden Erinnerungskultur“ in dem Koalitionsvertrag der künftigen Regierung zu verankern, wer auch immer sie bilden werde.

Sie wollten Polen für immer von der Landkarte tilgen.
Heiko Maas, Außenminister, über die verbrecherischen Absichten der Nazis

„Den deutschen Besatzern ging es nicht bloß um militärische Unterwerfung. Mit der Zerstörung ganzer Städte, Umsiedlungen und Massenmorden wollten sie Polen für immer von der Landkarte tilgen“, sagte Maas. „Wie sehr die Erinnerung an diese Verbrechen viele Menschen in Polen bis heute umtreibt, das konnte ich bei meinen zahlreichen Besuchen förmlich spüren.“ Das Leiden der polnischen Zivilbevölkerung sei lange nur ein Splitter in der deutschen Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg gewesen. Deshalb sei der Beschluss des Bundestages von 2020, in Berlin diesen Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen zu schaffen, so fundamental wichtig: „Als Geste an die polnischen Opfer – und als ein Schritt, der die Erinnerungskulturen unserer Länder einander näherbringt."

Fachkommission tagte seit Januar

Seit Januar hatte eine Kommission aus polnischen und deutschen Fachleuten getagt, darunter Piotr Cywinski, Leiter des Museums Auschwitz-Birkenau und Peter Oliver Loew, Direktor des Deutschen Polen-Instituts. Im Dialog mit einem politischen Beirat sowie Historikern, Überlebenden und Opferverbänden wurde unter Leitung des ehemaligen deutschen Botschafters in Polen, Rolf Nikel, das Konzept ausgearbeitet.

Dabei seien jedoch die Anregungen der polnischen Seite noch nicht genügend berücksichtigt worden, sagte Polens Vize-Außenminister Szymon Szynkowski vel Sęk in Warschau. Es sei noch viel intensive Arbeit nötig, damit die künftige Gestalt des Gedenkorts der „polnischen Erwartung und Empfindlichkeit“ sowie der „historischen Aufrichtigkeit“ entspreche. Kritisch äußerten sich auch Vertreter polnischer Roma und von Shoah-Opfern, die sich nicht ausreichend beteiligt sehen. Sie fürchten auch, dass mit der Gedenkstätte ihre Ansprüche auf Wiedergutmachung abgegolten werden sollen.

Die Kroll-Oper stand auf dem heutigen Parkgelände links oben im Bild vor dem Kanzleramt.
Die Kroll-Oper stand auf dem heutigen Parkgelände links oben im Bild vor dem Kanzleramt. © picture alliance/dpa

Der Ort soll sich auf zwei Aufträge stützen, die der Bundestagsbeschluss vorgibt: Erinnern sowie Bildung und Begegnung. Ein Denkmal soll an die Opfer Nazi-Deutschlands erinnern. „Es ehrt ihre Leben, ihren Widerstand und ihren Mut“, sagte Maas. In der angeschlossenen Bildungs- und Begegnungsstätte sollen Ausstellungen die Verbrechen des deutschen Angriffskrieges, der Besatzung Polens, aber auch die deutsch-polnischen Beziehungen beleuchten. Zudem sollen Deutsche und Polen durch Veranstaltungen, Bildungsangebote, Konferenzen und Zeitzeugengespräche zusammengebracht werden. „Erinnern braucht historisches Wissen“, betonte Maas diesen Ansatz. Detaillierte Konzepte sollen jedoch erst ausgearbeitet werden.

Neuer Bundestag muss noch zustimmen

Das Auswärtige Amt hat eine Anschubfinanzierung in Höhe von 200.000 Euro für das Haushaltsjahr 2022 zugesagt. Nach der Bundestagswahl muss der neue Bundestag über das Konzept entscheiden. Danach wird ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben und schließlich soll in der kommenden Legislaturperiode mit dem Bau begonnen werden – so hofft es Maas.

Mit dem Abschlussbericht der Expertenkommission endet, jedenfalls zunächst, eine jahrelange Debatte um eine angemessene Form des Gedenkens an die NS-Opfer in Polen. Die Idee für einen Erinnerungsort in Berlin an die deutschen Verbrechen in Polen ging ursprünglich von einer privaten Initiative unter Beteiligung des Deutschen Poleninstituts aus. In der Debatte um den Vorschlag warnten Kritiker vor einer Nationalisierung des Gedenkens. Sie befürchten zudem, dass andere NS-Opfer in den Hintergrund rücken könnten. Der Bundestag hatte sich im Oktober 2020 jedoch mit breiter Mehrheit für die Errichtung des Gedenk- und Begegnungsortes ausgesprochen.

(mit dpa)

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