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Amoklauf in München

Ein 18-Jähriger erschießt in München neun Menschen, dann sich selbst. Die Bluttat schockt Deutschland.

25.07.2016
© dpa/FrankHoermann/SVEN SIMON - Shooting

München (dpa) - An einem sommerlichen Freitagabend sind in der Münchner Innenstadt normalerweise alle Gaststätten voll - draußen vor den Szenelokalen Trauben von Menschen, die reden, rauchen und trinken. Doch am vergangenen Freitagabend war nichts normal. Nach den tödlichen Schüssen beim Münchner Olympia-Einkaufszentrum brach Panik aus, dann legte sich eine Schockstarre über die Stadt.

Die Nachricht über das Blutbad und den zunächst flüchtigen Täter breitete sich via Twitter und andere soziale Netzwerke in Windeseile aus. Viele Lokale in der Innenstadt schlossen eilends, nicht mal für einen Hinweis an der Eingangstür blieb Zeit. Auch im weltbekannten Hofbräuhaus waren gegen 21 Uhr keine Gäste mehr.

Die Münchner Polizei rief per Twitter dazu auf, öffentliche Plätze sowie U- und S-Bahnen in der Stadt zu meiden. Ebenfalls über soziale Netzwerke warnten sich die Menschen rund ums das Einkaufszentrum und boten Zuflucht an. Aber genauso rasch verbreiteten sich auch Falschmeldungen, wonach auch an weiteren Orten Schüsse gefallen sein sollen. Nichts davon stimmte - Fluch und Segen neuer Techniken.

Der Täter war ein 18-Jähriger. Ein Jahr lang hat er seine Tat akribisch vorbereitet und dazu wie der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik ein Manifest verfasst. Einen politischen Hintergrund schlossen die Ermittler am Sonntag aber aus.

Der Amoklauf versetzte ganz München in Angst und Schrecken. Der in Deutschland geborene Sohn iranischer Einwanderer schoss in und vor dem Einkaufszentrum sowie in einem Schnellrestaurant um sich, tötete neun Menschen - überwiegend Jugendliche - und schließlich sich selbst. Insgesamt gab es laut Landeskriminalamt 35 Verletzte.

Polizei und Staatsanwaltschaft zufolge hat der Schüler unter „sozialen Phobien“ und Depressionen gelitten, war zwei Monate in stationärer, später in ambulanter Behandlung, zuletzt im Juni. In seiner Wohnung wurden auch Medikamente gefunden. Im Jahr 2012 wurde der Täter von Mitschülern gemobbt. Ob es einen Zusammenhang zur Tat gebe - bislang unklar. Mitschüler seien aber nicht unter den Opfern, sagten die Ermittler.

Der Amoklauf fand am fünften Jahrestag von Breiviks Massenmord in Oslo und auf der norwegischen Insel Utøya statt, bei dem der Rechtsextremist 77 Menschen tötete. Der Täter von München informierte sich über dessen Tat und hatte in seiner Wohnung auch ein Buch mit dem Titel „Amok im Kopf - Warum Schüler töten“. Zur Vorbereitung seiner Bluttat reiste der psychisch kranke 18-Jährige auch nach Winnenden bei Stuttgart, den Ort eines früheren Amoklaufs. Seine Opfer, die überwiegend aus Migrantenfamilien stammen, suchte er sich nach bisherigen Erkenntnissen nicht gezielt aus.

Nach Angaben der Ermittler spielte der Täter intensiv Videospiele wie „Counter-Strike“, die als gewaltverherrlichend kritisiert werden. Mit seiner Pistole gab er bei seinem Amoklauf mindestens 57 Schüsse ab. Die Waffe hat er wahrscheinlich in einem anonymen Bereich des Internets gekauft, dem sogenannten Darknet.

Der Amoklauf sorgte weltweit für Entsetzen und Anteilnahme. In der französischen Hauptstadt Paris erstrahlte der Eiffelturm am Samstagabend in Gedenken an die Opfer in Schwarz-Rot-Gold. Papst Franziskus reagierte bestürzt, bekundete den Hinterbliebenen in einem Telegramm an den Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx seine Anteilnahme und dankte den Sicherheitskräften.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einer Nacht des Schreckens. „So ein Abend, so eine Nacht sind schwer zu ertragen“, sagte die deutsche Regierungschefin. Das sei umso mehr der Fall, weil viele Schreckensnachrichten in ganz wenigen Tagen zusammengekommen seien - der Anschlag in Nizza, der Axt-Angriff in Würzburg und nun „die Morde in München“.

Bundespräsident Joachim Gauck sprach von einem „mörderischen Angriff“. Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière sagte: Wenn er sehe, wie viele Kinder und Jugendliche und wie viele unterschiedliche Nationen unter den Opfern seien, zerreiße es einem „schier das Herz“.

Russlands Präsident Wladimir Putin übermittelte sein Mitgefühl. Dänemarks Regierungschef Lars Løkke Rasmussen schrieb bei Twitter: „Wieder einmal traurig über einen Angriff auf unschuldige Menschen. Ein tragischer Sommer in Europa.“

Auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Frankreichs Präsident François Hollande drückten ihre Solidarität mit Deutschland aus. US-Präsident Barack Obama sagte: „Deutschland ist einer unserer engsten Verbündeten. Wir werden ihnen jegliche Unterstützung zusagen, die sie in diesen Umständen brauchen können.“ Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk schrieb auf Twitter, „Ganz Europa ist jetzt mit München“.

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras rief dazu auf, gegen Gewalt in Europa vorzugehen. „Wir dürfen es nicht zulassen, dass Gewalt zur Zukunft Europas wird“, schrieb Tsipras auf Twitter. Auch der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte sprach sein Mitgefühl aus: „Normale Menschen wurden beim Einkaufen oder Arbeiten an einem normalen Freitagabend brutal ermordet oder verwundet.“

Prinz Albert von Monaco drückte in einer Nachricht an Merkel seine „tiefe Traurigkeit“ aus. Auch Spaniens König Felipe VI. und Gattin Letizia drückten auf Twitter ihre Solidarität und ihr Mitgefühl aus.

In Deutschland löste die Bluttat eine Debatte über die Verschärfung von Sicherheitsmaßnahmen aus. Politiker der konservativen Union forderten mehr Videoüberwachung, die Stärkung der Sicherheitsbehörden und die Hilfe der Bundeswehr bei Terroranschlägen. Auch schärfere Waffengesetze und Maßnahmen gegen Gewaltverherrlichung in Computerspielen sind wieder im Gespräch.

In den Blick rückten auch die Waffengesetze. De Maizière sagte, man müsse sehr sorgfältig prüfen, ob und gegebenenfalls wo es noch gesetzlichen Handlungsbedarf gibt. Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel betonte: „Wir müssen weiter alles tun, um den Zugang zu tödlichen Waffen zu begrenzen und streng zu kontrollieren.“