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Junge Europäer reden mit

Mehr als 400 Jugendliche diskutierten mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier über die Zukunft des großen europäischen Gemeinschaftsprojekts. Das Dialogforum in Berlin war Auftakt einer Reihe von Treffen in ganz Deutschland.

24.10.2016
© dpa/Wolfgang Kumm - Dialogforum im Auswärtigen Amt

Europaskepsis? Legitimationskrise? Hier im Weltsaal des Auswärtigen Amts in Berlin ist davon wenig zu spüren. Mehr als 400 Jugendliche und junge Erwachsene sind gekommen, um mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier über die Zukunft Europas zu diskutieren. Und schon bevor der Außenminister überhaupt da ist, geht es um gewichtige Themen. Stimmungsbild im Saal: Sollte Europa in Sachen Freihandel aktiv werden? Überwältigend viele grüne Stimmkarten werden nach oben gehalten. Bei der Frage nach einer stärkeren europäischen Integration zeigt sich ein ähnliches Bild.

Frank-Walter Steinmeier

Europa scheint also weiterhin Fans zu haben, und es scheint nach wie vor eine Herzensangelegenheit zu sein. Die jungen Frauen und Männer hier haben sich – wie viele andere – über das Internet um die Teilnahme an dem Dialogforum beworben. Sie schätzen Europa, sie sind damit aufgewachsen – selbstverständlich ist es für sie trotzdem nicht. Sie machen sich Sorgen und sehen Gesprächsbedarf. Ebenso wie der Außenminister. „Dieses Europa beschäftigt sich schon sehr lange mit sich selbst, dadurch ist offenbar Attraktivität verloren gegangen“, sagt Steinmeier gegenüber den jungen Gästen. „Mir kommt es darauf an zu hören, was Ihre Erwartungen an Europa sind.“

Engagiert Europa sich stark genug in Syrien?

Die Möglichkeit zur persönlichen Diskussion mit dem Minister nutzen die Jugendlichen intensiv. Immer wieder stehen einzelne auf und setzen sich in die erste Reihe – das Signal, dass sie auf dem Podium mitreden möchten. In Gruppen von drei Teilnehmern holt Moderatorin Dunja Hayali sie auf die Bühne. Viele große aktuelle Themen werden dort verhandelt – angesichts der Zeit meist kurz und knapp, dafür aber offen und direkt. Vor allem Fragen von Frieden und Sicherheit beschäftigen die jungen Teilnehmer. Sie wollen wissen, ob es in der Ukrainekrise überhaupt noch einen echten europäischen Weg gibt und ob sich Europa in Syrien nicht zu wenig engagiert. „Natürlich gehört in den Werkzeugkasten von Außenpolitik alles: politischer Druck, ökonomischer Druck, und dazu zählen auch Sanktionen", so Steinmeier mit Blick auf Syrien. „Aber diese Instrumente haben viel zu lange Reichweiten. Wir brauchen jetzt schnelle Zugänge, humanitäre Korridore - und dafür müssen wir mit den Konfliktparteien verhandeln. Außenminister dürfen nicht bei der Empörung stehen bleiben.“

Neben den großen außenpolitischen Themen spielt an diesem Vormittag auch die Strahlkraft Europas nach innen eine große Rolle. Das Stichwort „Brexit“ ist häufig zu hören, meist geäußert mit Kopfschütteln und besorgter Miene. „Der Brexit hat gezeigt, dass es in Europa auch rückwärts gehen kann“, mahnt eine junge Frau. „Mir fehlt die Solidarität innerhalb Europas“, sagt eine andere. Viele hier haben den Eindruck, dass Europa zu wenig Kraft entfaltet, zu wenig Interesse findet – nicht nur in Großbritannien, sondern auch in Deutschland. Ein junger Mann auf dem Podium hält es für einen guten Anfang, dass es bei den Europawahlen 2014 erstmals Spitzenkandidaten gab. Ob die Bundesregierung sich dafür einsetzen will, dass es auch 2019 so sein wird? Für die Bundesregierung könne er es nicht sagen, so Steinmeier, „aber die Sozialdemokratie wird es tun“.

„Populismus und Nationalismus sind der falsche Weg“

Moderatorin Dunja Hayali stellt dem Außenminister schließlich noch die Frage, die viele im Saal umtreibt. „Es gibt einen zunehmenden Rechtsruck in Europa. Wie groß ist Ihre Angst?“ Steinmeier sieht eine gesellschaftliche Verantwortung, dem entgegenzuwirken. Der gemeinsame Einsatz für Europa sei dabei enorm wichtig – man dürfe nicht müde werden, Überzeugungsarbeit zu leisten. „Europa ist kein sich selbst tragendes politisches Produkt. Wenn wir nicht dahin kommen, dass Menschen sich dafür engagieren, wird es vor die Hunde gehen. Wo ich kann, werde ich eintreten gegen die mich etwas fassungslos machende europäische Stimmung, die glaubt, wir könnten mit Populismus und Nationalismus die Probleme lösen, die wir mit Europa nicht lösen können. Das ist der falsche Weg.“

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