
Neun europäische Länder hat Madeleine Cueto aus Barcelona schon besucht. In Zukunft möchte sie noch viel mehr von Europa entdecken. Jetzt lebt die 22-Jährige aber erstmal für ein halbes Jahr in der deutschen Hauptstadt. An der Freien Universität Berlin absolviert die Psychologiestudentin ein Auslandssemester – gefördert über das EU-Bildungsprogramm Erasmus+. Das Stipendienangebot gilt als eine der größten Erfolgsgeschichten Europas: Neun Millionen Studierende, Auszubildende, Praktikanten und Hochschulmitarbeiter haben in 30 Erasmus-Jahren schon Erfahrung im Ausland gesammelt. Für jeden war dies eine prägende Zeit, mit vielen neuen Einsichten. Unter 33 Ländern können die Erasmus-Stipendiaten heute wählen – die meisten verbringen ihre Austauschzeit in Spanien, Deutschland oder Großbritannien. Da liegt Madeleine Cueto also ganz im Trend.

Johanna-Leonore Dahlhoff holt die Vielfalt auf die Bühne: Die Flötistin bringt mit der Initiative „Bridges – Musik verbindet“ geflüchtete und deutsche Profimusiker zusammen. Eine für alle hörbare Form der Integration ohne jede Sprachbarriere. Dafür wurde „Bridges“ 2018 mit dem Special Impact Award von der KfW Stiftung und Social Impact ausgezeichnet. Dahlhoff sieht in der Flüchtlingsfrage eine Zerreißprobe für Europa – aber auch eine Chance: „In anderen Kulturen gibt es Tonskalen und Stilarten, die für Europäer erst einmal fremd, vielleicht sogar schief klingen. Doch bald zeigt sich, wie sehr diese Diversität unsere Musik bereichert. Ich glaube, das gleiche Prinzip gilt auch für die Gesellschaft“, sagt die 36-Jährige. Sie sieht bei der Integration von Flüchtlingen nicht nur die Politik in der Verantwortung: „Das Thema betrifft alle. Jeder sollte sich mit dem, was er kann, einsetzen.“

Ali Faramarzi arbeitet jeden Tag an seinem Traum – in einem großzügigen Coworking-Space in Frankfurt am Main. Faramarzi hat eine Idee, eine Vision: Er will mit einer neuen technologischen Lösung in die große Welt der Tech-Konzerne aufsteigen. Der 39-jährige Softwareentwickler mit iranischen Wurzeln hat eine App entwickelt, die physische Produkte per Objekterkennung mit digitalen Inhalten verknüpft. „ScanVid“ könnte, weiter optimiert, die Welt der Suchmaschinen revolutionieren. Die Europäische Kommission unterstützt die Idee und den Gründer: Das Zukunftsprogramm „Horizont 2020“ finanziert die erste Phase seines Startups vom Businessplan bis zum Prototyp. Insgesamt setzt der Fonds 80 Milliarden Euro dafür ein, um aus jungen Startups schnell wachsende Unternehmen zu machen. Faramarzis Idee hat das Potenzial dazu.

Eine gute Idee für Europa in die Tat umzusetzen – das ist Martin Speer und Vincent-Immanuel Herr gelungen. Die beiden Deutschen, die sich beim Studium in den USA kennenlernten, stecken hinter der Initiative #FreeInterrail/#DiscoverEU: Sie fanden, alle Jugendlichen in Europa sollten ihren Kontinent, seine Vielfalt, kurz: die europäische Idee kennenlernen. Möglichst unmittelbar. Wie ginge das besser als auf einer kostenlosen Reise quer durch die Länder? Die EU-Kommission wurde aufmerksam auf den Vorschlag, den Speer und Herr unermüdlich auf Konferenzen und in den Medien vorstellten – und verloste im Sommer 2018 zum ersten Mal 15 000 Europatickets an 18-Jährige aus allen EU-Ländern. Und es geht weiter: Die EU-Kommission hat ein Budget von 700 Millionen Euro für freie Europareisen bis 2027 eingeplant – 300 000 junge Leute können so jedes Jahr Europa entdecken.

Christine Erzberger fühlt sich in Europa zu Hause: Die 28-Jährige hat in Deutschland und Frankreich studiert und einen Masterabschluss in European Management Studies in der Tasche. Jetzt lebt sie in der EU-Metropole Brüssel, im Herzen der Union. Wie 15 000 andere junge Europäerinnen und Europäer bewarb sie sich um ein Blue-Book-Praktikum der Europäischen Kommission in Brüssel. Sie wurde genommen. Und durfte im Sommer 2018 im Stab von EU-Kommissar Günther Oettinger, zuständig für den EU-Haushalt, fünf Monate lang einen Blick ins Getriebe der Europäischen Union werfen. Christine Erzberger erlebte viele hochrangige Treffen mit und erfuhr ganz nah, wie in Europa Entscheidungen getroffen werden. „Beeindruckt hat mich die Einsatzbereitschaft der EU-Beamten und ihre hohe Qualifikation“, sagt sie. Sie will auf jeden Fall weiter Teil des „Teams Europa“ sein.

Daniel Röder geht für Europa auf die Straße. Ein Auslöser dafür war das Brexit-Votum der Briten. „Meine Frau und ich, wir haben uns gesagt: Jetzt müssen wir rausgehen. Wir müssen sichtbar werden. Wir müssen in Europa den nächsten Schritt in diese Richtung unbedingt verhindern!“ Das war Ende 2016. Die beiden Juristen hatten vorher noch nie demonstriert, engagierten sich für keine Partei. Aber sie wollten etwas tun und aktivierten zunächst per Mail Freunde und Bekannte für eine Demo in Frankfurt am Main. Die Bewegung „Pulse of Europe“ war geboren – und hatte überwältigenden Erfolg. Nicht nur in Deutschland, überall in Europa ging plötzlich die Zivilgesellschaft auf die Straße. Bis heute. Tausende zeigen seitdem lautstark, dass sie hinter der europäischen Idee stehen: Jeden ersten Sonntag im Monat um 14 Uhr schlägt in 120 Städten Europas die Stunde für „Pulse of Europe“.
Daniel Röder im Interview: „Für Europa auf die Straße gehen“