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Durchstarten in Berlin

Die deutsche Hauptstadt ist eines der europäischen Zentren der Start-up-Szene. Doch welche Ideen setzen sich durch, und wie schaffen junge Unternehmen den Einstieg ins Geschäft? Internationale Gäste besuchten Gründer und Förderer.

20.10.2016
© Thermondo - Startups

Heizungsbau – besonders aufregend klingt das nicht. Philipp Pausder sieht es anders, für ihn hat das Geschäft mit der Wärme großes Potenzial. „Das ist ein riesiger Markt – in dem es bis vor kurzem allerdings wenig Innovation gab und der komplett offline funktionierte“, sagt der Zwei-Meter-Mann, der früher mal Profi-Basketballer war. Jetzt steht er vor den internationalen Besuchern, die sich im Rahmen des Besucherprogramms der Bundesrepublik Deutschland eine Woche lang über die Gründerszene in Deutschland informieren, und spricht über seine Firma Thermondo. Gegründet 2013, will das Unternehmen nicht weniger als den deutschen Heizungsmarkt umkrempeln.

Thermondo hat einen Algorithmus entwickelt, der Kunden das passende Angebot für ihre neue Heizung macht. Über die Website haben die Nutzer zuvor Informationen zu ihrem Haus und den Bewohnern eingegeben und eventuell Fotos hochgeladen. Kommt es nach einer telefonischen Beratung zur Zusammenarbeit, schickt Thermondo eigene Handwerker. Inzwischen hat das Unternehmen allein in der Berliner Zentrale rund 100 Mitarbeiter, etwa 25 davon sind Entwickler, die ständig an dem Algorithmus und der digitalen Abwicklung der Geschäfte feilen. Die Einnahmen lägen im zweistelligen Millionenbereich, so Pausder.

Neue Märkte erobern

Die internationalen Besucher – Journalisten, Wissenschaftler und IT-Unternehmer sowie Vertreter von Startup-Inkubatoren, Wirtschaftsverbänden und Handelskammern – hören interessiert zu. Das Geschäftsmodell klingt spannend, und doch haben die Fachleute viele Fragen. „Könnte Thermondo auch international tätig werden?“, möchte Daniels Pavļuts wissen. Der ehemalige lettische Wirtschaftsminister hat in seiner Heimat einen Start-up-Verband gegründet und definiert – wie die meisten Teilnehmer – den Begriff relativ eng: Start-ups – das sind Unternehmen mit einer wirklich neuen Geschäftsidee, die zudem skalierbar sind, also immer neue Märkte erobern können. Thermondo-Gründer Pausder lächelt. Es sei durchaus angedacht, die Dienste des Heizungsbauers auch in anderen Ländern anzubieten, „vielleicht zunächst in Frankreich“.

Auch zur Finanzierung haben die Besucher Fragen. Pausder erzählt von den Anfängen, als er und seine beiden Mitgründer private Ersparnisse zusammenlegten. Das Geld reichte für neun Monate, danach fanden sich Investoren, die ihre Unterstützung später verstärkten. Nach dem erfolgreichen Start zeigten weitere Geldgeber Interesse. Noch Anfang 2016 kamen in einer dritten Finanzierungsrunde mehr als 23 Millionen Euro zusammen.

„Unterstützung von Anfang an“

Doch wie schaffen Gründer in Deutschland den Start, wenn sie keine eigenen Ersparnisse haben? „Wir unterstützen die Unternehmen von Anfang an“, hatten die Gäste am Vormittag bei der Investitionsbank Berlin (IBB) gehört. „Im Jahr 2015 haben wir Kredite im Wert von 204 Millionen Euro und Stipendien im Wert von 84 Millionen Euro gewährt“, so Raphael Kube von der IBB. Die Förderung läuft über verschiedene Wege: So vermittelt die Bank Gründern beispielsweise Mentoren und übernimmt einen Großteil von deren Honorar. Bei einem anderen Programm finanziert sie ein Jahr lang teilweise das Gehalt neuer Mitarbeiter – damit die jungen Unternehmen beim Werben um Fachkräfte konkurrenzfähig sind. In einem dritten Strang gibt es finanzielle Unterstützung für Machbarkeitsstudien oder Tests, die die Gründer bei Forschungseinrichtungen in Auftrag geben. Die Mittel dafür kommen überwiegend von der EU und vom Land Berlin.

„Wie passt das mit anderen Förderangeboten zusammen, etwa dem EXIST-Programm?“, fragt Daniels Pavļuts. EXIST ist ein Förderinstrument im Rahmen der Hightech-Strategie der Bundesregierung. Es richtet sich vor allem an Studierende und Wissenschaftler, die ihre Unternehmensidee noch an der Universität entwickeln. Das Programm unterstützt sie dabei, ihre Gründung vorzubereiten und einen Businessplan auszuarbeiten. „Wenn sie einen Schritt weiter sind, kommen sie vielleicht zu uns“, so Raphael Kube von der IBB.

Auf dem Weg zum „Berlin Valley“?

Avraham Weiss, Herausgeber und Chefredakteur des israelischen Technologie-Portals „Telecom News“, kennt EXIST bereits. Israel ist das erste Partnerland des Programms, auch dortige Gründer werden in die Netzwerke eingebunden und unterstützt. Weiss gibt zu, dass er den Gründern unter seinen Lesern vor einigen Jahren noch geraten hat, sich stattdessen lieber in Richtung Asien zu orientieren. Investoren aus China und Japan seien in Israel derzeit sehr aktiv. Inzwischen – und auch nach den Gesprächen bei der Reise – sieht Weiss die Situation wieder etwas anders. „Berlin ist ein wichtiger Hub.“

An Berlin als gutes Umfeld für Gründer glaubt auch Florian Langenscheidt. Er stammt aus der gleichnamigen Verlegerfamilie, in dem großen Unternehmen fehlten ihm irgendwann jedoch die Dynamik und die schnelle Umsetzung neuer Ideen. Heute unterstützt er unter anderem junge Firmengründer, engagiert sich beim Deutschen Gründerpreis und gibt eine Zeitschrift mit dem Titel „Berlin Valley“ heraus. Sicher, von der Innovationskraft des Silicon Valley sei man in Berlin noch weit entfernt – aber warum nicht ambitionierte Ziele verfolgen?

Damit es vorangeht, setzt Langenscheidt auf den Austausch zwischen erfahrenen Unternehmern und jungen Gründen, zwischen „Champions“ und „Challengers“, wie er sagt. Er bringt unternehmerische Talente mit Menschen zusammen, die seit Jahrzehnten erfolgreich Firmen leiten. Das Mentorenprogramm helfe beim nachhaltigen Gründen, so Langenscheidt. An Mut mangele es ohnehin nicht. „Der Gründergeist in Deutschland wächst.“

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