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Warum Wissenschaft und Demokratie sich gegenseitig bedingen

Über den Zusammenhang zwischen Freiheit der Wissenschaft und einer freien Gesellschaft, schreibt die Historikerin Kristina Spohr.

Kristina Spohr, 26.11.2019
Wissenschaftlerin
© dpa

Ein Leben in Freiheit ist nicht leicht, und die Demokratie ist nicht vollkommen. Aber wir hatten es nie nötig, eine Mauer aufzubauen, um unsere Leute bei uns zu halten und sie daran zu hindern, ­woanders hinzugehen“, sagte John F. Kennedy 1963 in seiner berühmten Rede in Berlin. Freiheit (zu denken, seine Meinung zu äußern, zu forschen und zu reisen) und Demokratie sind eng miteinander verbunden. Doch es sind äußerst labile Errungenschaften, die immer wieder neu bekräftigt werden müssen. Ungehinderter Wissens­erwerb, kritische Auseinandersetzung und Kontroversen sind dabei ein wesentliches Fundament speziell der Wissenschaftsfreiheit, ein Grundrecht in Deutschland und zugleich ein Pfeiler der liberalen Demokratie. Doch „die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung“ – so Artikel 5, Absatz 3 des Grundgesetzes. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen sich der Verantwortung bewusst sein, die aus ihrer Freiheit erwächst. Rechtliche und ethische Grenzen der Forschung werden vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Entwicklungen und Debatten auf den Prüfstand gestellt. Gleichzeitig ist die grundsätzliche Freiheit bei der Wahl von Forschungsgegenständen eine Errungenschaft des freiheitlichen politischen Systems, das um der Vielfalt und der Kreativität Willen erhalten werden muss. Denn gerade durch die Wissenschaftsfreiheit wird die Innovationsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft gestärkt. Dabei sind im Zeitalter von „Fake News“ und „Fake Informa­tion“ ein aktiver Austausch und eine gute Wissenschaftskommuni­kation absolut notwendig. Gerade heute ist es wichtig, den Mut zur unbefangenen Diskussion zu stärken. Dazu gehört auch die Akzeptanz des „Agree to disagree“. Denn nur durch den offenen Diskurs und die Auseinandersetzung mit Andersdenkenden können neue ­Lösungen gefunden werden. Pluralistische Demokratie und eine vielfältige, freie Wissenschaft gehen Hand in Hand. Beide verlangen Selbstdisziplin: lernen – zuhören – verstehen – denken – argumentieren – schlussfolgern – entscheiden. Demokratie und Wissenschaftsfreiheit aber müssen immer wieder neu erworben werden, nur dann können wir gestärkt die Herausforderungen der Zukunft angehen.

Die Historikerin ist erste Inhaberin der Helmut-Schmidt-Ehrenprofessur am Henry A. Kissinger Center for Global Affairs der Johns Hopkins University in Washington, D. C. Prof. Dr. Kristina Spohr lehrt zudem internationale Geschichte an der London School of Economics. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehört die Geschichte Deutschlands im globalen Kontext seit 1945. Ihr jüngstes, viel beachtetes Buch „Wendezeit. Die Neuordnung der Welt nach 1989“ erschien im Herbst 2019.

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