Zum Hauptinhalt springen

„Denkt noch mal darüber nach!“

Wie Politiker und Medien weltweit auf das Scheitern der Jamaika-Gespräche reagieren.

21.11.2017
Bundeskanzlerin Merkel im Gespräch mit FDP-Chef Lindner, 21. November
Bundeskanzlerin Merkel im Gespräch mit FDP-Chef Lindner, 21. November © dpa

Auch außerhalb Deutschlands beobachten viele Menschen sehr genau, was sich gerade in Berlin abspielt. Vor allem in Brüssel und den europäischen Hauptstädten verfolgen Politiker und Journalisten die Suche nach einer neuen Bundesregierung.

Wir wünschen uns, dass unser wichtigster Partner stabil und stark ist.
Emmanuel Macron, französischer Staatspräsident

So zeigte sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron angesichts der gescheiterten Sondierungen für eine Jamaika-Koalition besorgt: „Es ist nicht in unserem Interesse, dass sich die Lage anspannt. Wir wünschen uns für Europa, dass unser wichtigster Partner stabil und stark ist, um gemeinsam voranzuschreiten.“

Optimistisch gab sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: „Wir sind zuversichtlich, dass der verfassungsmäßige Prozess in Deutschland die Basis für Stabilität und Kontinuität sicherstellen wird“, hieß es aus seinem Büro.

Erfahrung mit langwierigen Koalitionsverhandlungen haben die Niederlande. Außenminister Halbe Zijlstra war entsprechend irritiert, dass die Gespräche nach – aus seiner Sicht – so kurzer Zeit abgebrochen wurden: „In den Niederlanden haben wir sieben Monate gebraucht, um eine Regierung zu bilden. Ich würde sagen: Denkt einfach noch mal darüber nach und fangt vielleicht wieder an zu reden.“ Das Ende der Gespräche sei „eine schlechte Nachricht für Europa“. Von Neuwahlen rät Ziljstra ab, sie seien das ungünstigste Szenario.

Ebenso erprobt mit schwieriger Regierungsbildung sind die Belgier. Entsprechend gelassen reagierte Außenminister Didier Reynders auf die Nachrichten aus Deutschland. „Vielleicht ist das eine neue Tradition in vielen Ländern.“

Deutschland ist ein stabiles Land; seine Verfassung speist sich aus der Entschlossenheit Instabilitäten zu verhindern.
Guardian

Auch internationale Medien beschäftigen sich mit dem Scheitern der Sondierungen. „Le Monde“ aus Frankreich kommentiert: „Diese Krise kommt in dem Moment, in dem das europäische Projekt wieder an Farbe gewinnt, nach zehn Jahren quasi pausenloser Krisenverwaltung. Deutschland ist nicht nur die größte Volkswirtschaft der EU, es ist auch der Stabilitätspol der Union und der entscheidende Partner Frankreichs beim gesamten europäischen Projekt. Die politisch  Verantwortlichen müssen sich dessen bewusst sein.“

Auch die „New York Times“ befasst sich mit den möglichen Auswirkungen auf die EU: „Die Unsicherheit in Deutschland kann einen schweren Schlag für die EU bedeuten. Im vergangenen Jahrzehnt war Frau Merkel der dominierende politische Akteur in der Region. Ihr wird hoch angerechnet, dass sie die EU durch die Nachwehen der Finanzkrise von 2008 geführt hat – und dass sie in jüngerer Zeit einen kraftvollen Kontrapunkt gegen Populisten in Europa und anderswo gesetzt hat.“

Der britische „Guardian“ bringt großes Vertrauen in das politische System Deutschlands zum Ausdruck, erkennt aber dennoch eine Ausnahmesituation: „Deutschland ist ein stabiles Land; seine Verfassung speist sich aus der Entschlossenheit, Instabilitäten wie in der Vergangenheit zu verhindern. In Großbritannien würde das Scheitern von Koalitionsgesprächen eine schwere innenpolitische Krise auslösen, die spätestens am folgenden Wochenende gelöst werden müsste. Deutschland  dagegen hat nun Wochen und Monate Zeit, die Regierungsbildung zu klären – betritt aber zugleich politisches Neuland.“

© www.deutschland.de