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„Ich will in den japanischen Alltag eintauchen“

Luise lernt mit einem Stipendium in Japan nicht nur die Sprache – sie absolviert auch ein Praktikum. Was sie dabei erlebt, erzählt sie hier.

Sarah KanningInterview: Sarah Kanning, 06.07.2023
Luise Stoltenberg beim Besuch in der Stadt Kanazawa
Luise Stoltenberg beim Besuch in der Stadt Kanazawa © privat

Die 34 Jahre alte Luise Stoltenberg ist Stipendiatin im Programm „Sprache und Praxis Japan“ des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Das Programm kombiniert einen Intensivsprachkurs mit einem Praktikum in Japan. Seit Oktober 2022 besucht Luise eine Sprachschule in Japan und startet bald ihr Praktikum in einem Unternehmen für Tourismus in Tokio. Im Interview erzählt sie, was sie an Japan interessiert, wie ihr der Aufenthalt bisher gefällt und was sie am Leben in Japan überrascht hat.

Warum nimmst du an dem Programm teil?

Ich war im Jahr 2015 zum ersten Mal für eine Urlaubsreise in Japan. Seitdem hat mich das Land in seinen Bann gezogen: Es finden sich viele Parallelen zu Deutschland – zum Beispiel ist Japan ebenfalls ein demokratisches Land und sozioökonomisch ähnlich strukturiert wie Deutschland –, doch trotz dieser Gemeinsamkeiten sind die beiden Länder eben in vielen anderen Aspekten grundverschieden. Damals studierte ich noch Soziologie im Master und so interessierte mich vor allem die japanische Gesellschaft, ihre sozialen Infrastrukturen, definierende Normen und Werte. Da Sprache ein wesentlicher Träger und Ausdruck von Kultur ist, habe ich nach Möglichkeiten gesucht, Japanisch zu lernen. Zugleich hatte ich den Traum, für längere Zeit in Japan zu leben, um in das japanische Alltagsleben einzutauchen. Ich wollte auf diese Weise mein theoretisches Wissen, das ich aus akademischen Texten, Dokumentationen und Romanen japanischer Autorinnen und Autoren gewonnen hatte, durch eigene echte Erfahrungen erweitern. Auf der Suche nach Möglichkeiten, Sprachkurs und Japan-Aufenthalt zu realisieren, bin ich auf das Stipendium des DAAD gestoßen und habe mich sofort beworben.

Der Mount Fuji ist Teil des Weltkulturerbes.
Der Mount Fuji ist Teil des Weltkulturerbes. © privat

Was ist dein fachlicher Hintergrund?

Als promovierte Soziologin mit Berufserfahrung als Projektmanagerin in der Stadtplanung gehöre ich nicht zu den klassischen Stipendiatinnen und Stipendiaten des SP-Japan-Programms. Es richtete sich bislang an Studierende der Fachrichtungen Informatik, Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften sowie Rechts-, Politik- und Wirtschaftswissenschaften. Nun wurde das Stipendium geöffnet und umso dankbarer bin ich, dass ich mit meiner geisteswissenschaftlichen Ausbildung gefördert werde. Vor dem Hintergrund, dass die Teilnehmenden zu Japan-Expertinnen und -Experten ausgebildet werden sollen, habe ich den Eindruck, dass mein soziologischer Background besonders wertvoll ist.

Beim Leben in einem anderen Land müssen die banalsten Dinge neu gelernt werden. Ich liebe solche Momente!
Luise Stoltenberg, DAAD-Stipendiatin

Du absolvierst gerade in Tokio einen Intensivsprachkurs, bevor du dein Praktikum startest. Wie läuft es?

Schon vor meinem ersten Schultag an der Naganuma-Sprachschule im Oktober 2022 war mir klar, dass das Japanischlernen nicht einfach werden wird. Ich bin ohne Japanischkenntnisse nach Tokio gekommen und musste daher mit dem Lernen der absoluten Grundlagen beginnen – die Silbenschriften Hiragana und Katakana und ganz simpler Satzbildung. Das Pensum an der Sprachschule ist hoch und sehr intensiv: Es gibt Hausaufgaben, Vokabel- und Grammatiktests und es wird stetige Nach- und Vorbereitung erwartet. So fordernd dies auch ist, so schnell konnte ich erste Lernerfolge verzeichnen und mich in Alltagssituationen verständigen. Unsere Lehrerinnen unterrichten sehr engagiert und motiviert, gestalten die Schulstunden stets vielseitig und interessant. Wir werden individuell gefördert und können uns auch bei Fragen rund um das Leben in Japan an sie wenden. Aus diesem Grund gefällt es mir an der Naganuma-Schule sehr gut. Doch nicht nur an der Schule gab es jeden Tag viel Neues, gerade in den ersten Tagen und Wochen hielt der japanische Alltag viele Lernmomente für mich bereit. Zum Beispiel: Wie funktioniert Wäschewaschen in Japan? Das hat wirklich gedauert, bis ich mich daran gewöhnt habe, dass die Waschmaschinen ausschließlich kalt waschen können. Waschpulver enthält oft Weichspüler und/oder Bleiche und die nasse Wäsche wird meist an sonnigen Tagen gewaschen, damit die Kleidung draußen an der Luft trocknen kann. Plötzlich müssen also die banalsten Dinge neu gelernt werden. Ich liebe solche Momente!

Luises Stipendienjahrgang während einer Exkursion
Luises Stipendienjahrgang während einer Exkursion © DAAD

Was bedeutet dir die Teilnahme am Programm?

Ich bin mir bewusst, dass es ein großes Privileg ist, als Stipendiatin 15 Monate lang durch den DAAD beim Lernen und Leben in Japan finanziell unterstützt und gefördert zu werden. In diesen ersten acht Monaten habe ich bereits viel gelernt – nicht nur auf sprachlicher Ebene, sondern auch in soziologischer Hinsicht. Diskurse um die Gleichberechtigung von Frau und Mann oder Queerness stehen in Japan in der breiten Öffentlichkeit noch am Anfang. Darüber hinaus lernt man bei einem solchen Auslandsaufenthalt auch viel über sich selbst und so kann ich sagen, dass ich wirklich ganzheitlich von diesem Programm profitiere. Es ist eine außergewöhnliche Zeit und ich bin sehr dankbar dafür.

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Programm „Sprache und Praxis in Japan“

„Ein etwas ungewöhnliches Programm im Portfolio des Deutschen Akademischen Austauschdienstes“, nennt Axel Karpenstein, Leiter der DAAD-Außenstelle Tokio, das Programm „Sprache und Praxis in Japan“, da es darin mehr um berufsbezogene Ausbildung als um wissenschaftliche Vernetzung geht. Das Programm kombiniert intensiven Sprachunterricht mit einem Praktikum in einem japanischen oder deutschen Unternehmen in Japan und bildet damit seit 40 Jahren Brückenbauer für die bilateralen Beziehungen aus. Das Programm hat einen starke wirtschaftliche Ausrichtung und ermöglicht den Teilnehmenden durch Firmenbesuche und Veranstaltungen wertvolle Einblicke in Japans Industrie und Wirtschaft. Für den DAAD und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ist das Programm ein wichtiger Beitrag zur Ausbildung von Japan-Expertinnen und -Experten. Viele der inzwischen mehr als 450 Absolventinnen und Absolventen bekleiden heute wichtige Positionen in Unternehmen in Deutschland und Japan.

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