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Karrierechancen in Deutschland

Deutschland braucht qualifizierte Arbeitskräfte – und Menschen aus Asien suchen faire Beschäftigungsmöglichkeiten.

Christoph_HeinVon Christoph Hein, 15.06.2023
Gerade im Gesundheitswesen fehlen in Deutschland Fachkräfte.
Gerade im Gesundheitswesen fehlen in Deutschland Fachkräfte. © Friends Stock/AdobeStock

Im Klassenzimmer im vierten Stock der Brihaspati Vidyasadan Schule in Kathmandu hängen Poster mit Sinnsprüchen von Albert Einstein an der Wand: „In jeder Herausforderung liegt eine Chance“, sagt der Wissenschaftler etwa in einer grellbunten Sprechblase. Es ist wie ein Leitspruch für die jungen Nepalesinnen und Nepalesen, die sich in dem in der Schule untergebrachten deutsch-nepalesischen Trainingsinstitut (Nepal Secretariat of Skills and Training, NSST) darauf vorbereiten, in Deutschland eine Berufsausbildung zu beginnen. Die zwölf Jugendlichen stehen vor großen Herausforderungen und hoffen auf ihre Chancen.

Dafür lernen sie am Goethe-Institut Deutsch und erhalten zudem einen „Crash-Kurs Deutschland“: Sie machen sich mit den Gegebenheiten ihrer neuen Heimat auf Zeit vertraut, schreiben Bewerbungen, üben Behördengänge und hören vom Essen, den Festen, den Sitten und Bräuchen im fernen Land. Es gibt auch einen Spätzle-Abend und Präsentationstrainings.

Ramila Gole aus Nepal bereitet sich auf eine Ausbildung in Deutschland vor.
Ramila Gole aus Nepal bereitet sich auf eine Ausbildung in Deutschland vor. © Christoph Hein

„Ich musste einfach raus, ich will lernen“, sagt Ramila Gole. Erst vor kurzem ist die 22 Jahre alte Nepalesin aus dem Bergdorf Dandabas nach Kathmandu gezogen. Die nächsten zwölf Monate bereitet sie sich darauf vor, später in Deutschland im dualen System zu lernen – eine Ausbildung in einem Betrieb mit dem theoretischen Teil in einer Berufsschule zu kombinieren. Ob sie nach der dreijährigen Ausbildung in Deutschland bleiben wolle? „Ich glaube schon“, sagt sie.

Fachkräfte werden in Deutschland dringend gesucht

In Deutschland werden Fachkräfte und Auszubildende für bestimmte Berufe dringend gesucht. Laut Bundesagentur für Arbeit müsste Deutschland jährlich rund 400.000 Fachkräfte aus dem Ausland aufnehmen, um den Bedarf in Schlüsselbranchen der Industrie, des Handwerks und in der Pflege zu decken. Bei seinem Besuch in Indien im Frühjahr 2023 versprach Bundeskanzler Olaf Scholz Erleichterungen bei der Visa-Ausstellung und eine „Zuwanderung in großem Umfang“. Im Jahr 2022 stellte die deutsche Botschaft in Neu-Delhi rund 3.000 Fachkräften ein Visum für Deutschland aus, darunter vor allem IT-Spezialistinnen und -Spezialisten. „Wir wissen, dass wir unsere Zukunft, die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft und die Leistungsfähigkeit unserer sozialen Sicherungssysteme nur sichern können, wenn es ausreichend Fachkräfte in Deutschland gibt“, sagte Scholz.

Wir wissen, dass wir die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft nur sichern können, wenn es ausreichend Fachkräfte in Deutschland gibt.
Olaf Scholz, Bundeskanzler

Die Voraussetzungen sind besser denn je, vor allem wegen des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. Es schafft weitere Möglichkeiten, in Deutschland erwerbstätig zu sein oder eine Ausbildung zu absolvieren. Wer einen anerkannten Berufsabschluss hat, kann in Deutschland künftig jede qualifizierte Beschäftigung ausüben. Zudem wird Arbeitskräften die Einwanderung ermöglicht, die mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Herkunftsland staatlich anerkannten Berufsabschluss haben. Neu eingeführt wird darüber hinaus eine Chancenkarte zur Arbeitssuche, die auf einem Punktesystem basiert. Zu den Auswahlkriterien gehören unter anderem Qualifikation, Sprachkenntnisse und Berufserfahrung. Deutsche Arbeitgeber können ihrerseits nun ein beschleunigtes Fachkräfteverfahren mit Hilfe der Ausländerbehörden einleiten lassen, wenn sie einen Arbeitnehmenden aus dem Ausland beschäftigen wollen.

 

Im deutsch-nepalesischen Trainingsinstitut NSST bereiten sich junge Männer und Frauen darauf vor, in Deutschland eine Berufsausbildung zu beginnen.
Im deutsch-nepalesischen Trainingsinstitut NSST bereiten sich junge Männer und Frauen darauf vor, in Deutschland eine Berufsausbildung zu beginnen. © Christoph Hein

Das Portal „Make it in Germany“ führt Schritt für Schritt durch die verschiedenen Verfahren, bis zu Hinweisen für die Wohnungssuche. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sollen auch sogenannte Zentren für Migration und Entwicklung in Pakistan und Indonesien ausgebaut beziehungsweise eingerichtet werden. Sie sollen eine faire und ethische Arbeitsmigration nach Deutschland und Europa ermöglichen.

Ausgefeiltes Matchmaking – Hilfe für Arbeitsuchende und Arbeitgeber

Die Deutsche Kathrin Junken, Gründerin des privaten deutsch-nepalesischen Trainingsinstituts NSST, arbeitet mit einem ausgefeilten „Matchmaking“. Junken spricht die Handwerkskammern in Deutschland, Firmen oder Betriebe direkt an und empfiehlt dann junge Männer und Frauen, die ihren Kurs in Kathmandu durchlaufen haben. Einfach aber ist schon die Auswahl der Berufe nicht: Während Deutschland künftige Facharbeiterinnen und -arbeiter sucht oder etwa Pflegepersonal in den Krankenhäusern, wünschen sich manche junge Asiatinnen und Asiaten eine Ausbildung zur Eventmanagerin oder zum E-Sport-Veranstalter.

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Trotz solcher Hürden hat der deutsche Autohändler Klaus Meyer beste Erfahrungen gemacht: Er stellte den jungen Nepalesen Sanjeev Tamang aus dem ersten NSST-Jahrgang in seinem Betrieb vor den Toren Würzburgs ein. Bleiben darf der 21-Jährige, weil Meyer dank der Zusammenarbeit mit den örtlichen Kammern eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für ihn bekam, solange er ihn beschäftigt. „Im Sommer werde ich einen weiteren Nepalesen als Auszubildenden einstellen“, sagt Meyer. Und schiebt nach: „Es ist alles ganz einfach, wenn sich alle Mühe geben.“

Deutschland bietet große Chancen

Obwohl Deutschland viele tausend Kilometer entfernt ist und die fremde Sprache eine Herausforderung ist, bedeutet vielen Asiatinnen und Asiaten ein Arbeits- oder Ausbildungsplatz in Deutschland einiges. „Deutschland bietet viele Möglichkeiten“, sagt die Nepalesin Ramila Gole, auch wenn sie das Land nur aus Videos und Bildern in den sozialen Medien kennt. „Das Klima ist gut. Und es herrscht eine große Freiheit“, sagt ihr Mitschüler Pawan Shrestha.

Respekt vor dem Neuanfang haben sie, Angst aber nicht. Denn wohl keine Weltregion hat eine solche Erfahrung mit Migration wie der indopazifische Raum. Arbeitsmigration hat in Asien eine lange Tradition und der Gedanke, für Arbeit umzuziehen, auch ins Ausland, ist für viele Menschen nicht ungewöhnlich. Hinzu kommt die Binnenmigration: Die Hoffnung auf Arbeit, Einkommen und bessere Ausbildung, zunehmend auch die Folgen des Klimawandels im ländlichen Raum, treiben viele Menschen in die Großstädte.

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Der Wunsch der Arbeitsuchenden nach Ausbildung und Einkommen sowie der gute Ruf der Bundesrepublik auf der Weltbühne machen Deutschland zu einem fast perfekten Partner für die Migration aus Asien. Die meisten Eltern freuen sich, wenn die Heranwachsenden in einem angesehenen Land eine Zukunftsperspektive haben. Und falls es die heutigen Auszubildenden aus Nepal eines Tages in ihr Herkunftsland zurückzieht, können sie sich dort mit der fundierten Ausbildung im Gepäck eine bessere Zukunft schaffen.