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Neue deutsche Journalisten

Immer mehr Deutsch-Türken wollen mit Klischees brechen.

Mehmet Ata, 26.03.2015
© Ferhat Topal - Renk

Haben Türken wirklich so viele Brüder? Solche Fragen stellt das Magazin „Renk“ („Farbe“). Natürlich ist das nicht ernst gemeint, es ist ein Spiel mit Vorurteilen. Renk ist ein Online-Kulturmagazin, das sich nach eigenen Worten der „Aufdeckung deutsch-türkischer Ausnahmeverhältnisse“ widmet. Mal werden Autoren oder Musiker mit türkischer Herkunft vorgestellt, mal Ausstellungen oder Filme besprochen. Mit diesem Konzept hat das Magazin bereits mehrere Preise gewonnen.

Herausgeberin ist Melisa Karakus, eine 26 Jahre alte Wahl-Berlinerin. Sie hatte auf einer Busfahrt die Idee zu Renk. Auf den hinteren Sitzplätzen hörten einige Jugendliche laut Musik und aßen Sonnenblumenkerne. Die Schalen landeten auf dem Boden. Die anderen Fahrgäste regten sich über „die Türken“ auf. Karakus saß ganz vorne, mit einem Buch in der Hand. Sie dachte sich: Die Jugendlichen machen den Ruf der Deutsch-Türken kaputt und ich falle überhaupt nicht auf. Karakus, damals noch Studentin in Dortmund, suchte nach Gleichgesinnten und gründete ein halbes Jahr später das Magazin. Zwei Jahre ist das nun her. Mittlerweile arbeiten etwa 30 junge Menschen als Fotografen, Designer und Autoren mit. Sie zeigen eine kreative Seite des deutsch-türkischen Lebens.

Junge Medienmacher wie Melisa Karakus gibt es in Deutschland immer mehr: Ihre Eltern kommen aus der Türkei, sie sind in Deutschland aufgewachsen und mischen nun in etablierten Redaktionen mit oder gründen gleich ihr eigenes Medium. Vielen von ihnen geht es in ihrer Arbeit nicht um Integration, sondern um die Kreativität und Offenheit von Menschen, die zwei Kulturen kennen. „Leute wie ich haben eine schöpferische Seite mehr“, sagt Karakus. „Oft heißt es über Migranten, dass sie zwischen zwei Stühlen sitzen und keine Orientierung haben. Ich sitze nicht auf Stühlen, sondern auf einer Bank.“ Auf einer Bank kann man hin- und herrutschen, es gibt keine Lücken. Karakus genießt die beiden Kulturen, die in ihr sind. Sie lebt in Deutschland, hört aber gerne und oft Sezen Aksu und liebt Baklava. Die Türkei bezeichnet sie als ihr „Urlaubsland“. Jetzt will sie mit ihren Texten auch Menschen in der Türkei erreichen. Sie hatte überlegt, Renk ins Türkische zu übersetzen. Dann hat sie sich doch für Englisch entschieden. Damit die ganze Welt mitlesen kann.

Die Macher von Renk verstehen sich nicht nur als Journalisten, sondern als Aktivisten. „Ich will etwas verändern“, sagt Karakus. Auch das ist typisch für viele Migranten in den Medien. Das zeigt auch ein Blick auf die deutsch-türkische Bloggerszene, zum Beispiel bei Kübra Gümüsay. Die bekannte deutsch-türkische Autorin schreibt in ihrem Blog „Ein Fremdwörterbuch“ über Islam, Feminismus und Internet. Sie erzählt häufig von ihren Erfahrungen als gläubige Muslima und Frau mit Kopftuch. Sie wolle Stereotype aufbrechen, sagte Gümüsay einmal über sich. Oder man sieht es bei Eren Güvercin, einem Blogger, der sehr genau verfolgt, was die muslimischen Verbände in Deutschland machen. Ihm reicht es nicht, die Dinge zu beschreiben. Er nimmt in seinen Texten eine klare und oft streitbare Haltung ein.

Ein anderes Beispiel sind die „Neuen deutschen Medienmacher“: In dem Verein sind Journalisten mit Migrationshintergrund organisiert, sie setzen sich für mehr Vielfalt in den Medien ein. Denn die Redaktionen sind noch immer recht homogen. Nach Schätzungen des Vereins hat nur jeder 50. Journalist in Deutschland einen Migrationshintergrund. Im Vergleich: Jeder fünfte Mensch in Deutschland hat ausländische Wurzeln.

Ferda Ataman gehört zu den Gründungsmitgliedern des Vereins. Als der Verein 2008 aus der Taufe gehoben wurde, arbeitete sie bei „Spiegel Online“. Sie störte sich daran, dass es nur wenige Journalisten in Deutschland gab, die wie sie einen türkischen Namen hatten. Um das zu ändern, legten die Neuen deutschen Medienmacher ein Mentoringprogramm auf, bei dem junge Migranten von erfahrenen Kollegen unterstützt werden. Und zusammen mit Partnern haben die Medienmacher eine bikulturelle Journalistenausbildung ins Leben gerufen. Mit großem Erfolg. Heute gibt es in Deutschland deutlich mehr Journalisten mit türkischem Namen als vor sieben Jahren. „Fast jedes größere Medium hat heute einen Journalisten türkischer Herkunft in seinen Reihen“, sagt Ataman.

Die Vereinsmitglieder wollen als Deutsche akzeptiert werden, als „neue Deutsche“. Dennoch spielt ihre Herkunft nach wie vor eine Rolle, auch bei Ferda Ataman. Früher war das eine Sache, die von außen an sie herangetragen wurde, etwa wenn Journalistenkollegen sie auf ihre türkischen Wurzeln angesprochen haben. Inzwischen beschäftigt sich Ataman auch selbst stärker mit ihrer Herkunft. „Ich habe das Gefühl, eine türkische Deutsche zu sein“, sagt sie.

Kürzlich haben die Neuen deutschen Medienmacher eine Konferenz von Neuen deutschen Organisationen initiiert. 170 Teilnehmer von 80 Vereinen waren da. Aus der Konferenz ist ein Thesenpapier hervorgegangen. Darin fordern die Teilnehmer, dass sie selbst bestimmen wollen, wie sie bezeichnet werden: Deutsche, Menschen mit Migrationshintergrund, Einwanderer, Migranten, Afrodeutsche, Turkodeutsche. Die Organisationen wollen außerdem über eine Migrantenquote diskutieren. Vor allem eint sie aber eines: Deutschsein ist inzwischen mehr, als deutsche Vorfahren zu haben. ▪

Dr. Mehmet Ata arbeitet für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung” und ist Mitglied im Vorstand der „Neuen deutschen Medienmacher”.