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Deutsche Vielfalt: Arbeit am Migrationsmuseum

Der Verein DOMiD leistet seit 1990 Erinnerungsarbeit.

Canan Topçu, 23.06.2015

Ein Heftchen war es, das Murad Bayraktar den Anlass für ein bewegendes Gespräch mit seinem Vater bot. Im Sommer 1998 besuchte der Sohn türkischer Gastarbeiter in Essen die Ausstellung „Fremde Heimat. Eine Geschichte der Einwanderung aus der Türkei“ und sah in einem der Schaufenster die Broschüre „Wie komme ich als Gastarbeiter nach Deutschland“. Davon berichtete er seinem Vater, der daraufhin sein Exemplar holte und erstmals über seinen Weg nach Deutschland sprach. Der Besuch im Essener Ruhrlandmuseum und der innige Moment mit seinem Vater brachten den damals 24-Jährigen dazu, sich dem Verein anzuschließen, der die Ausstellung initiiert und mitgestaltet hatte.

„DOMiT - Dokumentationszentrum und Museum über die Migration aus der Türkei“ hieß damals der Verein. Ins Leben gerufen hatte ihn 1990, im Jahr der deutschen Wiedervereinigung, Aytaç Eryılmaz – mit dem Ziel, „das historische Erbe der Einwanderer aus der Türkei für künftige Generationen zu bewahren“ und auf die Einrichtung eines Migrationsmuseums in Deutschland hinzuwirken. Es geht schon lange nicht allein um die Türkei. Seit DOMiT 2007 mit dem Kölner Verein „Migrationsmuseum in Deutschland e.V.“ zu „DOMiD – Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland“ fusionierte, sind alle Einwanderergruppen einbezogen.

„Wie alle modernen Einwanderungsländer braucht auch Deutschland ein eigenes Migrationsmuseum“, sagt DOMiD-Vorstandsmitglied Bayraktar stellvertretend für alle, die sich im Verein engagieren. DOMiD ist seinem Ziel nähergekommen: Ende April 2015 erfolgte in Köln der offizielle Startschuss für die Gründung eines zentralen Migrationsmuseums. Der multiperspektivische Ansatz, der die Sicht der Einwanderer und die des Aufnahmelandes bündelt und sich zu einem neuen deutschen Narrativ weiterentwickelt: das ist das Konzept des geplanten Museums. „Unsere Bezugsgröße ist das neue Wir: Deutschland besteht aus mehr als nur aus Menschen mit deutschem Pass“, erklärte DOMiD-Geschäftsführer Arnd Kolb. Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Guntram Schneider sieht im Migrationsmuseums „die Chance, Migration und Gesellschaft in ihrer Vielfalt darzustellen“. Gleichzeitig sei es ein starkes Symbol der Akzeptanz und Würdigung der eingewanderten Bevölkerung sowie ihrer Nachfahren und zeige die Weltoffenheit Deutschlands.

Details zum möglichen Standort, Finanzierung und genaues Profil werden derzeit in einer Machbarkeitsstudie herausgearbeitet. Nach bisherigen Plänen könnte das Museum 2018 seine Türen öffnen. Noch lagern die mehr als 70.000 Objekte – Fotos, Audiodateien, Mitbringsel aus dem Herkunftsland, Originalmöbel aus Wohnheimen etc. – die der Verein seit seiner Gründung zusammengetragen hat, in Räumen der Stadt Köln.

„Mein Vater, unsere Väter, meine Mutter, unsere Mütter – wir alle sind Teil dieses Landes und Teil der Geschichte dieses Landes. Das ist mir damals beim Besucht des Museums so richtig bewusst geworden“, sagt Murad Bayraktar. Der 41-Jährige hofft, dass diese Erfahrung bald auch vielen anderen ermöglicht wird – in einem Migrationsmuseum, das Raum schafft für Auseinandersetzung, Verständnis, Erkenntnis und Bewusstsein.