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Menschen aus aller Welt erzählen ihre Corona-Storys

Wie war das damals im Lockdown? Wie werden wir uns an die Corona-Pandemie erinnern? Eine Kölner Psychologin hat 83 "Corona Storys" aus aller Welt gesammelt.

Stefan Dege , 06.08.2020
Ungewohntes Bild: Wegen Corona bleiben die Stühle am New Yorker Times Square leer
Ungewohntes Bild: Wegen Corona bleiben die Stühle am New Yorker Times Square lee © dpa

"Spätestens seit März 2020", schreibt Caroline Roggendorf im Vorwort ihres bei der Edition Steffan in Köln erschienenen Buches, "befindet sich die Welt im Ausnahmezustand." Für viele Menschen habe sich das soziale Leben in eine digitale Welt aus Videokonferenzen, Sprachnachrichten, Telefonate, Memes und Clips verlagert. "Damit auch unsere Enkel einmal verstehen, was damals im Jahr 2020 geschehen ist, wollte ich dokumentieren, wie es uns damit ging - während Corona!"

Carolin Roggendorf arbeitet als Beraterin bei der Agentur für Arbeit. Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten auf der ganzen Welt schickte sie im Frühjahr 2020 einen Aufruf mit Fragen und Stichworten: Wie sieht Euer Corona-Alltag aus? Was macht Euch Sorgen? Oder Hoffnung? Die meisten Antworten erhielt Roggendorf aus Deutschland.

Aber auch aus Australien, Neuseeland, Asien, den USA  und Südamerika trudelten noch Wochen später die Antworten ein. Mal kurz, mal lang, mal protokollhaft, mal elegisch - alle Texte wurden übersetzt, blieben aber ungekürzt. "So entstand eine Momentaufnahme von Ostern 2020", sagt Roggendorf. Wer mag, kann alles in einem Internet-Blog nachlesen

Kein Kaffee im Stammcafé

Herausgekommen ist ein facettenreiches, globales Stimmungsbild. "Ich vermisse gerade heute vieles, was immer selbstverständlich war", schreibt etwa Claudia aus Bottrop, 56 Jahre alt und Krankenschwester und zählt auf: "Meine Kinder in den Arm zu nehmen, den Besuch bei meiner Mutter, die Kontakte mit meinen Freundinnen, den Kaffee im Stammcafé, die Feier der Osternacht in unserer Kirche, das Singen im Chor, die Freude auf den geplanten Urlaub." Claudia, die während der Corona-Pandemie wie Ärzte und Pflegepersonal auf der ganzen Welt besonderem Stress ausgesetzt ist, spürt, wie sie schreibt, "wie meine Toleranz-Zündschnur kürzer wird."

Die 29-jährige Tilly, Physiotherapeutin im australischen Canberra, zieht eine nachdenkliche Zwischenbilanz: "Nicht nur, dass wir drinnen bleiben mussten und dass einige von uns ihre Arbeit oder noch schlimmer ihr Leben verloren haben", schreibt sie. "Ich hoffe, dass wir uns an die Widerstandsfähigkeit des menschlichen Geistes erinnern, an die Mitarbeiter des Gesundheitswesens, die sich an vorderster Front um die Kranken kümmerten, an die Verkäuferinnen in Lebensmittelgeschäften, die Lastwagenfahrer - an die wahren Helden in dieser Krise."  Fast inständig fleht sie: "Ich hoffe, dass keiner von uns diese Zeit vergisst!"

Die Unsicherheit bleibt 

Bis das Virus eines Tages besiegt sein sollte und ein Impfstoff bereitsteht, könne es noch dauern, mutmaßt Lisa aus Wellington in Neuseeland. Sie arbeitet als Analystin bei der staatlichen Stromgesellschaft. Sorgen bereiten ihr die kranken und virusgefährdeten Eltern im fernen Deutschland. Angst hat sie, ihren Job zu verlieren. Die Covid-19-Krise, so scheint es, hat die Lebensunsicherheit der Mittfünfzigerin verstärkt: "Es beunruhigt mich, nicht zu wissen, wie das alles weitergehen wird."

"Ich habe das Gefühl, dass die Welt nach Covid nie wieder normal sein wird", schreibt Rosi aus Spanien. Die junge Psychologin ist ganz sicher: "Wir werden lernen, anders zu leben, dankbarer und ohne alles für selbstverständlich zu halten." Man wisse jetzt, dass sich innerhalb eines Monats durch ein unvorstellbares Ereignis wie die Pandemie alles schlagartig ändern könne. "Das wird zweifellos ein Einschnitt in unserer Geschichte sein."

In origineller Weise hat Emi, eine 30-jährige Buchhalterin aus Polen, ihre Corona-Story verpackt. Statt eines Briefes schickte die junge Frau ein Bild aus vielen kleinen Piktogrammen zurück, wie man sie in Chatnachrichten am Handy einsetzt. Die schematisierten Köpfe drücken anfangs Entsetzen, Verweigerung, Lachen, Heulen und Trauer aus. Dann folgen viele schwarze Herzen. Gegen Ende der Reihung wechseln sich ein Smiley und ein schwarzes Herz ab. Vielleicht wird am Ende nicht alles gut. Aber wenigstens fast.