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„Bücher bringen Kulturen zu den Menschen“

Die ugandische Autorin Jennifer Nansubuga Makumbi war Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. Sie spricht über ihre Zeit in Berlin und die Kraft der Literatur.

Interview: Ana Maria März, 19.10.2023
Die Schriftstellerin Jennifer Nansubuga Makumbi
Die Schriftstellerin Jennifer Nansubuga Makumbi © pictureAlliance/dpa

Die Schriftstellerin Jennifer Nansubuga Makumbi wurde 1967 in Uganda geboren. Vor mehr als 20 Jahren zog sie nach Großbritannien, um kreatives Schreiben zu studieren. Ihr erster Roman „Kintu“ erschien 2014. In einer deutschen Übersetzung brachte der Interkontinental Verlag im vergangenen Jahr ihr Buch „Die erste Frau“ heraus. Vor Kurzem war sie Gast des Berliner Künstlerprogramms des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD) in der deutschen Hauptstadt.

Frau Makumbi, Sie waren kürzlich vom Berliner Künstlerprogramms des DAAD nach Berlin eingeladen. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Es war ein wunderbares Stipendium, das mir ein Jahr Zeit gegeben hat, mich auf mein Schreiben zu konzentrieren und zu recherchieren. Ich habe Berlin genossen, ich finde die Stadt sehr freundlich und offen.

Damit Deutschland und Afrika auf Augenhöhe zusammenarbeiten können, müssen einige Dinge gesagt und verstanden werden, damit jeder weiß, wo der andere steht.
Jennifer Nansubuga Makumbi, Schriftstellerin

Im Januar 2023 haben Sie auf Einladung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung anlässlich der Neuausrichtung der Afrikapolitik der deutschen Bundesregierung eine Rede gehalten. Darin ging es auch um Mythen über Afrika.

Damit Deutschland und Afrika auf Augenhöhe zusammenarbeiten können, müssen einige Dinge gesagt und verstanden werden, damit jeder weiß, wo der andere steht. Für Deutschland ist es wichtig, die afrikanische Perspektive auf die Geschichte dieser Beziehung zu kennen.

Ihre Bücher sind von ugandischen Mythen und Sagen inspiriert. Woher kommt Ihr Interesse daran?

Als Kind habe ich viele Volkssagen erzählt. Ich habe aber auch westliche Geschichten, die ich gelesen habe, vor allem die Märchen der Gebrüder Grimm, für mein Publikum umgewandelt.

In Ihrem feministischen Roman „Die erste Frau“ geht es auch um Mythen über Frauen, die zu ihrem Nachteil verbreitet werden. Können Bücher dem etwas entgegensetzen?

Wir alle leben in Geschichten, wir alle erzählen Geschichten. Aber das Wichtigste ist, dass wir alle Mythen schaffen. Über uns selbst, über Nationen, über Rassen. Oft werden Mythen über uns kreiert, die uns entstellen. Man kann versuchen, sie zu demontieren, aber wenn man die Mythenbildung nicht loswird, sollte man besser seinen eigenen Mythos über sich schaffen. In „Die erste Frau“ wollte ich zeigen, wie es ist, in diesem weiblichen Körper zu leben, der Frau genannt wird. Ich wollte, dass die Lesenden sehen, welche Mythen sich um diesen Körper ranken und in welchem Verhältnis sie zur Realität stehen.

Wie Ihre Hauptfigur Kirabo sind auch Sie im Uganda der 1970er-Jahre aufgewachsen. Woran erinnern Sie sich?

Ich erinnere mich an Idi Amins Regime, an den Mangel von Seife, Speiseöl und anderen Dingen des täglichen Bedarfs, der durch Embargos verursacht wurde. Ich erinnere mich, dass die Väter meiner Freunde verschwanden und starben, dass sie nicht zur Schule gehen konnten, weil sie es sich nicht mehr leisten konnten. Mütter und Tanten sagten den Mädchen, sie sollten keine kurzen Kleider tragen. Ich erinnere mich an den Krieg.

Sie wurden inzwischen mit Literaturpreisen wie dem Jhalak Prize oder dem Windham-Campbell Prize ausgezeichnet. 2024 werden Sie der Jury des Commonwealth Short Story Prize vorsitzen, den Sie zehn Jahre zuvor selbst gewonnen haben.

Es ist eine Anerkennung. Ich gebe damit auch einer Auszeichnung etwas zurück, die mich gefördert hat. Vor allem aber tue ich etwas für einen Bereich, den ich liebe, das Schreiben und die Publikation von Büchern. Es geht darum, nach neuen Talenten zu suchen und sie der Welt zu verkünden.

Leserinnen und Lesern außerhalb Afrikas möchte ich sagen: Hört uns zu, wir sind wie ihr – wir sind gut, wir sind schlecht, wir sind dumm, wir sind klug, wir sind wunderbar, wir sind „oh mein Gott“.
Jennifer Nansubuga Makumbi, Schriftstellerin

Trotz Ihres internationalen Erfolgs sagen Sie, dass Sie vor allem für eine Leserschaft in Uganda schreiben. Warum?

Ich sehe meine Bücher als Gespräche mit Ugandern und Menschen in anderen Ländern Afrikas. Während wir mit uns selbst sprechen, hören Leute von draußen zu, bekommen einen Einblick. So habe ich auch Bücher aus Europa und Amerika gelesen. Ich war immer eine Außenseiterin, ich habe es geliebt. Und ich habe dabei gelernt. Natürlich bin ich mir bewusst, dass die Verlage britisch oder deutsch sein werden. Aber das ist es, was Bücher bewirken: Sie bringen Kulturen, von denen man vielleicht nicht einmal weiß, zu einem nach Hause.

Leserinnen und Lesern außerhalb Afrikas möchte ich sagen: Hört uns zu, wir sind wie ihr – wir sind gut, wir sind schlecht, wir sind dumm, wir sind klug, wir sind wunderbar, wir sind „oh mein Gott“. Man wird in meinen Büchern deshalb keine guten oder schlechten Menschen finden, nur Menschen. Da ich lange Literatur unterrichtet habe, weiß ich: Ein gutes Buch ist wie ein Spiegel. Ugander können in meine Bücher schauen und sich mit sich selbst unterhalten. Aber auch Europäer, Amerikaner, Deutsche können sich darin wiederfinden. Menschen sind überall auf der Welt gleich. Nur die Kultur unterscheidet uns ein wenig.

Sie haben selbst Erfahrungen mit verschiedenen Kulturen gemacht. Als Sie in England studierten, arbeiteten Sie etwa in einem Pflegeheim. Diese Zeit hatte auch Einfluss auf Ihr Werk.

In meiner Kurzgeschichtensammlung „Manchester Happened“ wollte ich Ugandern und anderen Afrikanern zeigen: So stellt ihr euch Europa vor, aber so habe ich es gesehen. Ich wollte über das Wesen von Einwanderung sprechen. Wenn man seine Heimat verlässt, nimmt man in seinem Kopf eine Art Heimat mit. Wenn man zurückkehrt, ist diese Heimat verschwunden, sie hat sich verändert. Und die Leute dort behaupten, man habe sich auch verändert. Aber ich möchte in Uganda alt werden. England ist wunderbar, doch ich bin zu afrikanisch, um zu bleiben. In Europa bin ich ruhelos, auch wenn ich jetzt einen britischen Pass habe. Ich brauche die Sonne und das Essen zu Hause.