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Der Schatz von Bamako

In Mali lagern wertvolle Manuskripte, die in einem deutschen Projekt restauriert werden.

Ellen Bolduan, 01.10.2015

Im Inneren des 2013 renovierten Manuskriptarchivs von Bamako befindet sich die wohl wichtigste Sammlung schriftlicher Zeugnisse der westafrikanischen Geschichte. In rund 2400 schweren Metallkisten lagern hier insgesamt 285 000 jahrhundertealte Manuskripte aus Timbuktu und Umgebung. Dass die wertvollen Schriften vor der drohenden Zerstörung durch radikal-islamische Rebellen während der politischen Unruhen im März 2012 im Norden Malis gerettet wurden, ist Abdel Kader Haïdara zu verdanken. Er ist Direktor der Mamma-Haïdara-Gedächtnis-Bibliothek, einer der größten Bibliotheken Timbuktus, und Vorsitzender der Nichtregierungsorganisation SAVAMA-DCI, die für die Bewahrung des handschriftlichen Erbes von Timbuktu kämpft. Gemeinsam mit zahlreichen freiwilligen Helfern gelang es ihm, die Manuskripte in die mehr als 700 Kilometer entfernte Hauptstadt Bamako zu überführen. Acht Monate lang haben die heimlichen Transporte per Esel, Auto und Lastwagen gedauert. „Diese Aktion war sehr, sehr schwierig und vor allem hochgefährlich“, erinnert sich Haïdara. Für sein unvergleichliches Engagement wurde er im Oktober 2014 mit dem Deutschen Afrika-Preis ausgezeichnet.

„Ein unfassbarer kultureller Schatz, den man nur mit dem Bestand sämtlicher Bibliotheken in Deutschland vergleichen kann“, schwärmt auch Eva Brozowsky. Die Restauratorin und Papierspezialistin gehört zum Team des „Centre for the Study of Manuscript Cultures“ (CSMC) der Universität Hamburg, das die Schriften im Rahmen des Projekts „Safeguarding the Manuscripts from Timbuktu“ seit knapp drei Jahren restauriert. Seit 2013 unterstützt das Projekt den Erhalt und die Erforschung der Timbuktu-Manuskripte, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Nach Einrichtung eines Manuskriptarchivs in Bamako und der Ausstattung mit Entfeuchtern kümmert sich das deutsche Team derzeit darum, die Manuskripte konservatorisch zu behandeln, zu katalogisieren und zu digitalisieren, damit sie langfristig der malischen und der internationalen Forschung zugänglich gemacht werden können. Finanziert wird das Projekt vom Auswärtigen Amt und der Gerda Henkel Stiftung mit mehreren hunderttausend Euro.

Regelmäßig reisen Eva Brozowsky und Dmitry Bondarev, der Leiter des Projekts, nach Bamako, begutachten den Fortschritt der Restaurierungsarbeiten und geben den malischen Kollegen Schulungen zu verschiedenen konservatorischen Verfahren, wie zum Beispiel Oberflächenreinigung von Papier und Ledermappen, Reparatur von Rissen und Bruchstellen, Entfernung von Ablagerungen oder Aufbewahrung der Manuskripte in nicht-säurehaltigen Kartons.

„Diese Manuskripte sind ein wahrer Schatz, wenn wir die Vergangenheit besser verstehen wollen“, sagt Bondarev. Die Schriften enthalten Kommentare zum Koran, Abhandlungen über arabische Sprachwissenschaft, Recht, Rhetorik, Astronomie und Medizin sowie geschäftliche, politische und historische Dokumente und persönliche Tagebücher. Außerdem geben sie wichtige historische Belege über Papierherstellung und -handel. „Die Fachwelt ist sich einig, dass die Lektüre und das Publizieren dieser Schriften sogar dazu führen könnte, dass die afrikanische Geschichte in Teilen neu geschrieben werden muss“, so Bondarev. Das Vorgehen islamistischer Gruppierungen im Norden des Landes und die neuere Geschichte des Islam etwa könnten mit Hilfe der Manuskripte besser interpretiert werden. ▪