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Sport als einigendes Band

Wo es um die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland geht, da gebührt dem Sport ein Ehrenplatz.

Manfred Lämmer, 21.04.2016
© picture-alliance­/Sven Simon - Eintracht Frankfurt - Maccabi Tel-Aviv FC

Die freundschaftlichen Beziehungen, die heute zwischen Deutschland und Israel bestehen, finden ihren Ausdruck vor allem in der engen wirtschaftlichen, sicherheitspolitischen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit. Weitgehend unbeachtet blieb dagegen der außergewöhnliche Beitrag, den der Sport zu dieser Entwicklung geleistet hat. Nach den furchtbaren Verbrechen des NS-Regimes konnte sich in Israel in den ersten Jahren nach der Staatsgründung kaum jemand vorstellen, mit Deutschen wieder in kulturellen oder sportlichen Austausch zu treten. So untersagte die israelische Regierung vor den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki seinen Sportlerinnen und Sportlern ausdrücklich Wettkämpfe, in denen sie ausschließlich gegen Deutsche antreten würden.

Und doch war der Sport schon bald eine treibende Kraft in der Annäherung zwischen Israel und Deutschland. Bereits 1957 reiste der Präsident des Deutschen Sportbundes, Willi Daume, nach Israel. Das geschah auf offizielle Einladung hin, schon dies war höchst ungewöhnlich. Während seines Aufenthalts knüpfte Daume erste Kontakte zu führenden Persönlichkeiten des Sports. Fünf Jahre später folgte ihm eine Delegation des Landessportbunds Nordrhein-Westfalen, ein weiteres Jahr darauf besuchte eine Gruppe von Dozenten und Studenten der Sporthochschule Köln das Wingate-Institut in Netanya, Israels führende Sportuniversität. So nachhaltig waren die Impulse, die von diesen Kontakten ausgingen, dass im Jahr 1971 daraus die erste Partnerschaft einer deutschen und einer israelischen Hochschule überhaupt entstand.

Immer mehr sportliche Begegnungen

Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Jahr 1965 und auch der Sechstagekrieg veränderten die Stimmung in Israel gegenüber Deutschland. Schon 1967 nahmen der gewerkschaftsnahe israelische Sportverband „Hapoel“ und die Deutsche Sportjugend Beziehungen auf.  Am 1. Januar 1974 starteten die Regierungen beider Länder ein großes Austauschprogramm. Gefördert durch den Bundesjugendplan, hat es bis heute Zehntausenden von jungen Sportlerinnen und Sportlern Begegnungen im jeweils anderen Land ermöglicht. Am Zustandekommen des erfolgreichen Programms waren neben den Dachorganisationen Deutscher Sportbund und Nationales Olympisches Komitee (heute: Deutscher Olympischer Sportbund) auch die Fachverbände, die Landessportbünde und zahlreiche Vereine beteiligt.

Doch die Annäherung in den deutsch-israelischen Sportbeziehungen verlief nicht ohne Rückschläge. Ein besonders einschneidendes Ereignis war das Attentat auf die israelische Olympiamannschaft 1972 in München. Während aber in den Medien noch über die Schuldfrage diskutiert wurde, lud Hapoel ein Jahr nach dem Attentat demonstrativ 150 deutsche Sportlerinnen und Sportler zu seinem großen Sportfest ein, darunter auch die Sprecherin des Olympischen Eides, Heidi Schüller. Die Brücke des Sports zwischen beiden Ländern war bereits belastbar. Noch einmal zehn Jahre später, 1983, kehrte ein Holocaust-Überlebender über diese Brücke nach Deutschland zurück: Ralph Klein wurde Trainer der deutschen Basketball-Nationalmannschaft.

Besondere Rolle des Fußballs

Die israelische Öffentlichkeit war in den frühen Jahren gegenüber Deutschland sehr reserviert – aber für den deutschen Fußball galt das nicht. Bereits 1957 begann der Israelische Fußballverband damit, seine besten Trainer zum deutschen Fußballweltmeister von 1954 zu schicken. In Köln sollten sie das Diplom des Lehrgangs des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) erwerben. Zu den frühen Kölner Absolventen gehörte auch Emanuel Schaffer, der enge Freundschaft mit seinem Lehrer Hennes Weisweiler schloss. Als Nationaltrainer erreichte Schaffer, dass sich das israelische Team zum bisher einzigen Mal für eine Fußball-Weltmeisterschaft qualifizierte: 1970 in Mexiko.

Im Juli 1968 hielt Weisweiler einen vielbeachteten Kurs für Trainer im Wingate-Institut ab, am Jahresende reiste die deutsche Jugendnationalmannschaft zu einem Trainingslager nach Israel. Die zwei Spiele dort gegen israelische Mannschaften mussten „aus Sicherheitsgründen“ noch ohne Zuschauer stattfinden. Doch nachdem die israelische Regierung die Restriktionen aufgehoben hatte, kam es Mitte 1969 zu einem „Sommermärchen“. Zuerst spielte der FC Bayern Hof unter der Leitung des Sportreporters und Kabarettisten Sammy Drechsel als erster deutscher Verein in Israel – was zur Folge hatte, dass mehrere israelische Erstligisten nach Deutschland aufbrachen. Und dann bezog die israelische Nationalelf zur Vorbereitung auf die WM in Mexiko auch noch ein mehrwöchiges Quartier in der Sportschule Hennef. Dabei kam es am 2. September 1969 zum ersten Länderspiel zwischen Deutschland und Israel. Das Spiel in Frechen bei Köln ist heute in Deutschland fast vergessen, weil es sich bei der deutschen Mannschaft „nur“ um die Olympia-Auswahl der Amateure handelte. Vor Politikern und Diplomaten beider Länder erklärte der Vertreter des Bundesinnenministeriums, dass damit der offizielle Sportverkehr zwischen Deutschland und Israel eröffnet sei.

Fanclubs, Jugend, Borussia

Ein spektakulärer Höhepunkt in den deutsch-israelischen Fußballbegegnungen ist jedoch das Spiel am 25. Februar 1970 in Tel Aviv. Generationen von Fußballfreunden in Israel ist das 6:0 bis heute im Gedächtnis, das die von Hennes Weisweiler trainierte Mannschaft von Borussia Mönchengladbach gegen die israelische Nationalmannschaft erzielte. Die Gäste waren zuvor – nach zwei unmittelbar vorausgegangenen Flugzeugattentaten – mit einer Sondermaschine der Bundesluftwaffe eingeflogen worden. In den folgenden Jahren waren Spiele deutscher Bundesligateams in Israel fast schon an der Tagesordnung. Uwe Klimaschefski ging als erster deutscher Trainer zu Hapoel Haifa. Mit Schmuel Rosenthal wurde der erste Israeli von Borussia Mönchengladbach verpflichtet. Rosenthal wurde damit zugleich der erste israelische Profi-Fußballspieler in Deutschland. Borussia Mönchengladbach wurde 2014 mit dem Zukunftspreis der Israelstiftung ausgezeichnet – für sein langjähriges und über den Sport hinaus wirkendes Engagement zur Völkerverständigung und Versöhnung zwischen Israel und Deutschland.

Die Fußball-Verbände beider Länder setzen stark auf die Jugend. Bis heute sendet der DFB regelmäßig Jugendmannschaften zu Turnieren nach Israel. Dabei zählt die sportliche Leistung, aber ebenso, dass die Jugendlichen sich mit der Vergangenheit beschäftigen und die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem besuchen. Übertragungen von Bundesligaspielen in Israel und israelische Fanclubs großer deutscher Vereine: Heute sind sie eine Selbstverständlichkeit.

Ohne Zweifel, der Fußball hat maßgeblich zum Wandel des Deutschlandbilds in der israelischen Öffentlichkeit beigetragen. Wie viel Sympathie der deutschen Nationalelf in Israel entgegenschlägt, hat sich erst jüngst wieder bei den Weltmeisterschaften in Südafrika und Brasilien gezeigt.

Prof. Dr. Manfred Lämmer lehrt Sportgeschichte an der Deutschen Sporthochschule Köln. Er gehörte der ersten deutschen Sportlergruppe an, die nach dem Holocaust nach Israel reisen durfte.

Daten und Fakten

1957

Der Präsident des Deutschen Sportbundes, Willi Daume, reist nach Israel und übergibt eine Spende an den israelischen Sportverband.

1958/59

Der ehemalige israelische Nationalspieler Emanuel Schaffer absolviert unter Hennes Weisweiler an der Sporthochschule Köln den DFB-Trainerlehrgang.

1962

Als erster deutscher Fußballer spielt Helmut Rahn mit dem holländischen Team SC Enschede gegen Hapoel Tel Aviv in Israel. Der Siegtorschütze der deutschen WM-Mannschaft von 1954 wird von den Zuschauern fair verabschiedet.

1963

Eine erste Delegation deutscher Studierender der Sporthochschule Köln reist an das Wingate-Institut, die israelische Sporthochschule.

1967

Eine Delegation aus Sportfunktionären des Hapoel-Verbandes bestreitet in Bonn ein Fußballspiel gegen die Abgeordnetenmannschaft des Bundestages.

Juli 1969

Der FC Bayern Hof reist als erste deutsche Fußballmannschaft nach Israel und spielt gegen eine Stadtauswahl in Nahariya sowie gegen Hapoel Petach Tikvah.

August 1969

Die israelische Fußball-Nationalmannschaft reist zu einem dreiwöchigen Trainingslager in die Sportschule Hennef, um sich auf die WM 1970 in Mexiko vorzubereiten. Borussia Mönchengladbach und die deutsche Olympiamannschaft sind Testgegner.

1969–2008

Borussia Mönchengladbach spielt insgesamt 27 Freundschaftsspiele gegen israelische Teams.

Februar 1970

Die Mannschaft des Fußball-Bundesligisten Borussia Mönchengladbach spielt in Israel gegen die israelische Nationalmannschaft. Im Bloomfield-Stadion von Tel Aviv gewinnen die Deutschen mit 6:0 und werden von den israelischen Zuschauern trotzdem begeistert gefeiert.

1970

Uwe Klimaschefski wird als erster Deutscher Trainer eines israelischen Fußballvereins – Hapoel Haifa.

1970–1997

Der 1. FC Köln bestreitet 13 Freundschaftsspiele gegen israelische Mannschaften.

1972

Borussia Mönchengladbach verpflichtet Schmuel Rosenthal. Er ist der erste israelische Profi-Fußballer in Deutschland.

1972

Während der Olympischen Spiele in München werden bei dem Terroranschlag auf die israelische Mannschaft elf Mitglieder des Teams getötet.

1983–1987

Der Israeli Ralph Klein ist Trainer der deutschen Basketball-Nationalmannschaft. Klein wurde in Berlin geboren und überlebte den Holocaust.

März 1987

In Tel Aviv findet das erste Fußballfreundschaftsspiel zwischen den A-Nationalmannschaften Israels und Deutschlands statt.

Dezember 2005

Emanuel Schaffer wird für seine Verdienste um die deutsch-israelischen Beziehungen der DFB-Golden Award verliehen.

2008/2009

Der frühere deutsche Nationalspieler Lothar Matthäus trainiert Maccabi Netanya.

   

Weiterführende Links:

Fußball
Beitar Jerusalem (Hebräisch)
Bnei Yehuda (Hebräisch)
Hapoel Beersheva
Hapoel Haifa Official Site (Hebräisch)
Maccabi Haifa
Toto (Hebräisch)

 

Basketball

Hapoel Jerusalem
Maccabi Elite Tel-Aviv

 

Weitere

Biking in Israel
Israel Tennis Center
The Wingate Institute