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Eine kleine Knolle gegen den Hunger

Neue Anbaumethoden, bessere Bewässerungstechniken: Eine Initiative fördert Projekte in Afrika, die Hunger und Mangelernährung bekämpfen sollen.

19.04.2016

Es war eine kleine orangefarbene Knolle, die das Leben von Josephine Muchele entscheidend verändert hat. Die 50-Jährige ist Kleinbäuerin im Westen Kenias. „Früher hat unsere Ernte gerade mal für das gereicht, was wir zum Überleben brauchten“, berichtet sie. Dann lernte sie bei einer Dorfversammlung die Hilfsorganisation Creadis kennen. Die Organisation führt die ländliche Bevölkerung an neue Gemüse- und Getreidesorten heran und zeigt ihr, wie man diese erfolgreich anbaut, weiterverarbeitet und vermarktet. Muchele erfuhr, welche Vorteile eine in Kenia wenig verbreitete orangefarbene Süßkartoffel hat – und baute sie dann mit großem Erfolg an. Zuvor wuchs auf ihrem Feld eine weiße, sehr faserige Süßkartoffel. Die neue Knolle hingegen reifte viel schneller. Schon bei der ersten Ernte kamen doppelt so viele Säcke zusammen wie früher – und der Preis pro Sack lag doppelt so hoch. Im folgenden Jahr konnte Josephine Muchele deshalb ihre Anbaufläche vergrößern und eine Milchkuh kaufen. Das Geld reichte nun auch fürs Schulgeld. „Endlich können meine Enkel alle zur Schule gehen“, erzählt die Kleinbäuerin.

Creadis wird genauso wie weitere lokale Hilfsorganisationen seit Anfang 2015 durch die Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt. Ziel der Sonderinitiative ist es, Hunger und Mangelernährung zu überwinden. „Gleichzeitig geht es darum, gemeinsam mit den Entwicklungsländern die Voraussetzungen zu schaffen, dass sich auch zukünftige Generationen ausreichend ernähren können – trotz einer weiter wachsenden Weltbevölkerung“, erläutert eine Sprecherin des Ministeriums. Im Jahr 2015 haben sich die G7-Staaten das Ziel gesetzt, gemeinsam mit Partnerstaaten 500 Millionen Menschen bis zum Jahr 2030 aus Hunger und Mangelernährung zu befreien.

Afrika ist Schwerpunktregion der Sonderinitiative, denn hier sind die Probleme besonders groß. In der Region südlich der Sahara hungert fast jeder vierte Mensch. Weltweit sind es 795 Millionen, zudem sind zwei Milliarden Menschen mangelernährt.

Im Kampf gegen den Hunger setzt die Sonderinitiative in unterschiedlichen Bereichen an. Sie unterstützt unter anderem Projekte, durch die Böden wieder fruchtbar gemacht werden. Sie fördert Vorhaben, die Innovationen im Agrar- und Ernährungssektor voranbringen und Projekte, die das Risiko von Hungerkatastrophen senken. So wie zum Beispiel in Mali, wo es immer wieder zu akuten Hungersnöten kommt. Durch ein Projekt der Sonderinitiative lernt die Bevölkerung effizientere Bewässerungsmethoden kennen, Brunnen werden instandgesetzt sowie Pumpen und Qualitätssaatgut bereitgestellt. Das trägt zu höheren Erträgen von Reis, Gemüse und Hülsenfrüchten bei – und stärkt dadurch die Menschen gegen Hungersnöte.

Auch in Malawi fördert die Initiative Vorhaben. In dem südostafrikanischen Staat ernähren sich viele Menschen auf dem Land überwiegend von Mais. Das macht zwar satt, liefert aber nicht genug Nährstoffe und Spurenelemente. Die Mangelernährung beeinträchtigt das Wachstum und die geistige Entwicklung von Kindern. Auch viele Schwangere leiden darunter. Im Rahmen eines Projekts beraten Gesundheitsdienste Mütter und Schwangere, wie sie die Ernährung ihrer Familien verbessern können. Sie lernen von Landwirtschaftsberatern, wie sie Obst, Knollen­ oder Hülsenfrüchten anbauen können. Zudem erhalten Kinder ein gehaltvolles Schulessen. In den kommenden zwei Jahren werden von dem Projekt 15.000 Mütter und 25.000 Grund-­ und Vorschulkinder profitieren.

Wie wichtig die Unterstützung für die ländliche Bevölkerung ist, weiß Simone Pott, Sprecherin der Welthungerhilfe. „Hier leben die Menschen ausschließlich von dem, was sie anbauen“, so Pott. „Sie haben häufig keine Möglichkeit, auf andere Weise Geld zu verdienen und dadurch Nahrungsmittel zu kaufen.“ Drei Viertel aller Hungernden leben auf dem Land. Frauen und Kinder sind besonders betroffen. „Frauen sind wiederum ganz zentral dafür, dass sich Kinder ausgewogen ernähren und damit weniger anfällig für Krankheiten sind“, sagt die Sprecherin der Welthungerhilfe. Deshalb müssten sie dafür sensibilisiert werden, wie bedeutend zum Beispiel auch traditionelle Früchte und Gemüse sind. Einen weiteren Ansatzpunkt im Kampf gegen Hunger sieht Simone Pott in einer höheren Produktivität in der Landwirtschaft. „Bislang gehen noch häufig große Teile der Ernte durch falsche Lagerung verloren.“ Zudem könnten die Erträge gesteigert werden, indem wieder alte, regionale Saatgutsorten eingesetzt werden, die beispielsweise dürreresistenter sind.

Auch die Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“ fördert Projekte, die Methoden zur besseren Nacherntesicherung entwickeln und verbreiten. Zum Beispiel erfahren Bauern in Sambia in einem „Grünen Innovationszentrum“, wie sie ihre Erdnussernte besser lagern und so vor Schimmelpilzen schützen können. Die „Grünen Innovationszentren in der Agrar- und Ernährungswirtschaft“ sind ein ebenfalls vom BMZ initiiertes Programm, das in unterschiedlichen afrikanischen Ländern umgesetzt wird.

Insgesamt investiert „Eine Welt ohne Hunger“ im Jahr 2016 rund 430 Millionen Euro. Bisher wurden Projekte im Umfang von 1,1 Milliarden Euro umgesetzt. Dabei handelt es sich um zusätzliche Gelder, die das Engagement des BMZ in der ländlichen Entwicklung und der Ernährungssicherung ergänzen.

Durch die Unterstützung erhalten Menschen wie Josephine Muchele in Kenia ganz neue Perspektiven. Die Kleinbäuerin hat schon viele Ideen für weitere Geschäfte. Und sie hat einen Traum: „Ich möchte ein weiteres Stück Land für meine Kinder kaufen, damit sie genau wie ich die neue Süßkartoffel anbauen können.“ ▪