Zum Hauptinhalt springen

Steinmeier: „Wir haben nur einen Planeten“

Vor 250 Jahren wurde Alexander von Humboldt geboren. In Ecuador eröffnete Frank-Walter Steinmeier das Humboldt-Jahr.

14.02.2019
Steinmeier mit Leiterin Stephanie Pauwels auf der Isla Grande: Hier kam Alexander von Humboldt am 30.3.1801 vorbei
© dpa

"Plastik ist unser größter Feind", sagt Stephanie Pauwels. Dabei sieht alles um sie herum aus wie im Paradies: Tiefblaues Meer, heller Sandstrand und eine wilde Mangrovenlandschaft. Das Vibrieren der Natur ist hier regelrecht zu hören und zu fühlen. Pauwels ist Leiterin des riesigen Naturschutzgebietes "Corales del Rosario", eine gigantische Inselgruppe vor Cartagena in Kolumbien. Sie zeigt dem Bundespräsidenten mitten in diesem Zauber, wie sehr die Idylle trügt. Denn die Natur hier ist bedroht: Von Massentourismus, Klimawandel, Dynamit-Fischerei und eben – von Plastik.

Auch Johannes Vogel, Leiter des Naturkundemuseums in Berlin, warnt vor den verheerenden Folgen des Plastikmülls für die Umwelt.

Wenige Stunden später steht Frank-Walter Steinmeier in der Päpstlichen Katholischen Universität von Ecuador, hält eine Rede zum 250. Geburtstag von Humboldt. Der Saal ist gefüllt mit Wissenschaftlern, Studenten und viel politischer Prominenz. In seiner Rede fordert der Bundespräsident, dass sich weltweit die Regierungen endlich mit dem Thema Plastikmüll intensiv befassen: "Es ist spät, aber umso notwendiger". Nicht nur hier in Quito - in ganz Lateinamerika wird Alexander von Humboldt als Held und Pionier seiner Zeit verehrt. Frank-Walter Steinmeier hat sich mit seiner Frau Elke Büdenbender auf seine Spuren begeben.

Andenexpedition: Start in Cartagena

Alexander von Humboldt ist 30 Jahre alt, als er sich endlich seinen großen Traum erfüllen kann: Eine Forschungsreise durch Lateinamerika. 1799 segelt er in Spanien los, um die Welt durch genaue Beobachtung zu verstehen. Um Daten und Fakten zu sammeln, um die Natur zu fühlen und zu erleben und zu vermessen. Der junge Forscher ist auf der Suche nach den großen Zusammenhängen.

Am 30. März 1801 trifft Alexander von Humboldt in Cartagena ein – und segelt dabei an den herrlichen Mangrovenwäldern vorbei, die heute bedroht sind.

Die Hafenstadt ist für Humboldt nur Zwischenstation für ein weiteres, waghalsiges Abenteuer: Er will die Anden erforschen und mit seinem Gefährten Aimé Bonpland bis Lima kommen. Zu Fuß. Fast 4000 Kilometer sind das. Eine unvorstellbare Strapaze. Heftigste Schneestürme auf den Bergketten, tropische Hitze in den Tälern. Die Maultiere sind vollgepackt mit Verpflegung, aber auch mit all den Messinstrumenten und Aufzeichnungen, den Tier- und Pflanzensammlungen.

Auf irrsinnig schmalen Pfaden sind sie unterwegs. "Sie mussten weite Strecken barfuß laufen, hatten blutige Füße. Die Schuhe, die Kleidung waren dafür einfach nicht gemacht", sagt Humboldt-Biografin Andrea Wulf, die den Bundespräsidenten auf der Lateinarmerika-Reise begleitet. "Humboldt ist – anders als andere Entdecker – nicht mit großer Entourage gereist und er hat sich auch nicht tragen lassen."

Steinmeier auf Humboldts Spuren

Schon vor 200 Jahren versteht Humboldt, dass der Mensch das Klima beeinflusst und Bodenerosionen verursacht, wenn er den Regenwald abholzt und Monokulturen anlegt. Er gelte zu Recht als Vater der Ökologie, sagt Steinmeier.

Zugleich ist dem Weltentdecker bestens gelungen, seine Leser und Zuhörer zu begeistern. Er war ein Pionier der Wissenschaftskommunikation. "Humboldt hat sich aus dem Elfenbeinturm des Wissenschaftlers und seiner nüchternen Kommunikationswelt heraus begeben und er hat die emotionale Welt in die Wissenschaft hineingetragen", sagt Hans-Christian Pape, Präsident der Alexander-von Humboldt-Stiftung. In der Stiftung vernetzen sich heute herausragende Wissenschaftler aus aller Welt. Humboldt hatte das vorgemacht.

Und auch in politischen Fragen mischt das Universalgenie Humboldt mit. Die Sklaverei in den Kolonien verurteilt er aufs Schärfste. Mit größtem Respekt begegnet er den Indios und setzt sich für ihre Freiheit ein. "Er hat die Kirche stark kritisiert, weil er gesehen hat, wie schlecht die Missionare die indigenen Völker behandelt haben", sagt Biografin Wulf. "Er ist durch endlos viele Silberminen in Peru und Mexiko marschiert und hat die grauenhafte Behandlung und Ausbeutung der Minenarbeiter immer wieder angeprangert."

Zurück in Europa wetterte Humboldt dann so vehement gegen den Kolonialismus, dass ihn die Engländer nicht haben nach Indien reisen lassen. "Warum sollten sie so einen schwierigen Preußen in ihre Kolonie lassen?", schmunzelt Wulf.

Humboldts überragende Leistung aber war seine Fähigkeit, vom untersuchten kleinsten Detail auf das große Ganze schließen zu können. "Damals sind die Wissenschaftler in ihre immer enger werdenden Disziplinen hinein gekrochen. Und da hat Humboldt genau das Gegenteil gemacht. Er hat versucht, alles zusammenzubringen", sagt Andrea Wulf. "Humboldt hat unser Verständnis der Natur revolutioniert. Er hat die Natur als einen lebendigen Organismus beschrieben."

Anfang Januar 1802 macht auch Humboldt Zwischenstation in Quito. Für den Vulkan-Forschungsinteressierten ist Quito ein idealer Stützpunkt. Hier klettert er auf jeden Vulkan, den er erreichen kann. Der Forscher will dadurch verstehen, wie die Erde entstanden ist.

Nicht um die Entstehung der Erde, sondern um ihre Bedrohung geht es dem Bundespräsidenten 2019 in Quito. "Das gesamte Ökosystem der Erde ist bedroht", mahnt Frank-Walter Steinmeier. "Wir haben nur diesen einen Planeten. Deshalb können wir nicht so weitermachen". Der Schutz der Umwelt müsse in Zukunft besser gelingen. Ein Appell an jeden Einzelnen, sein Verhalten zu ändern. Das sei Humboldts Botschaft für das 21. Jahrhundert, so Steinmeier. Das Jubiläumsjahr zum 250. Geburtstag von Alexander von Humboldt ist eröffnet.