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Wir sind angekommen

Vor gut vierzig Jahren endete der Vietnam-Krieg und brachte die erste größere Flüchtlingswelle von außerhalb Europas nach Deutschland. Später kamen Menschen aus Sri Lanka. Was ist aus ihnen geworden? Zwei Beispiele.

13.01.2016

Ngoc Ha Do

Kaplan in Berlin

So kann nur ein Mensch lächeln, der seinen Frieden gefunden hat. Kaplan Do steht in der Kirche der katholischen Gemeinde St. Martin in Berlin-Reinickendorf. Dort betreut er vor allem die Menschen, die wie er aus Vietnam gekommen sind. Über 1300 vietnamesisch-stämmige Katholiken seien inzwischen in der deutschen Hauptstadt sesshaft geworden, sagt er in nahezu fehlerfreiem Deutsch. Viele von ihnen gehörten zu der ersten Welle außereuropäischer Flüchtlinge, die in Deutschland gelandet sind. Heute gelten die Vietnamesen als vorbildlich integriert.

Ha Dos Eltern waren in den 1950er-Jahren aus Nordvietnam in den Süden des damals zweigeteilten Landes gezogen, er selbst kam dort 1960 zur Welt. Doch Krieg und Verfolgung holten sie ein. Die Kommunisten betrachteten die Familie nach der Machtübernahme 1975 als Kollaborateure der gestürzten südvietnamesischen Regierung. Es gab schließlich nur einen Ausweg: Der junge Mann musste das Land verlassen. 1982 flüchtete Do zusammen mit einem Onkel übers Meer gen Norden. Nach dreitägiger Fahrt wurden sie vom deutschen Hilfsschiff „Cap Anamur“ an Bord genommen und auf die Philippinen gebracht. Ein Jahr später durfte er nach Deutschland reisen.

In Berlin galt es zunächst Deutsch zu lernen. Eine gewaltige Herausforderung, aber Do kam voran. 1985 begann er eine Lehre als Elektrotechniker, schloss diese erfolgreich ab, und meldete sich dann beim Bistum Berlin. Der damals 29-Jährige hatte beschlossen, Priester zu werden. Er holte das Abitur nach und studierte Theologie. 2001 schließlich ging mit der Priesterweihe Dos großer Wunsch in Erfüllung. „Ich bin sehr dankbar.“

Fahrradhändler in Hamburg

Umeswaran 
Arunagirinathan

Arzt in Bad Neustadt

Das erste Kapitel seines Lebens hat Umeswaran Arunagirinathan als Buch veröffentlicht. In „Allein auf der Flucht – Wie ein tamilischer Junge nach Deutschland kam“ schildert er, wie er als Kind einer tamilischen Familie die Schrecken des Bürgerkriegs zwischen der singhalesischen Mehrheit und der tamilischen Minderheit in Sri Lanka erlebte. Als er 12 Jahre alt wird, entscheidet seine Mutter vor lauter Verzweiflung, ihn von Schleppern ins sichere Ausland bringen zu lassen. Nach einer beinahe einjährigen Odyssee kommt er im September 1991 in Deutschland an und darf zunächst als minderjähriger Flüchtling bei seinem Onkel in Hamburg bleiben. Dort wird er schell heimisch, ist ein guter Schüler, wird Schulsprecher und möchte gerne in Deutschland bleiben. Aber sein Asylantrag wird dreimal abgelehnt. Die Familie hätte damals ja auch in den sicheren Süden Sri Lankas gehen können, heißt es.

„Wenn ich mir nicht ab und zu meine Tränen des tiefen Mitgefühls aus den Augen hätte wischen müssen“, schrieb ein Rezensent auf amazon, „hätte ich das Buch an einem Stück gelesen.“ Das zweite Kapitel im Leben des Umeswaran Arunagirinathan beginnt besser. Mit Hilfe der Lehrer, Mitschüler und deren Eltern konnte seine Abschiebung verhindert werden. Umes, wie ihn seine Freunde nennen, studierte Medizin in Lübeck und ist heute promovierter Arzt in der Herzklinik Bad Neustadt. Er hat 2009 die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen und schickt seinen Eltern regelmäßig Geld. Sein Buch ist Pflichtlektüre nicht nur an seiner ehemaligen Hamburger Schule. Und wenn ihm dann doch mal jemand wegen seiner Herkunft oder Hautfarbe ablehnend gegenüber steht, versucht er „einen Dialog aufzubauen und Fremdheit abzubauen“. Umeswaran Arunagirinathan ist nicht nur ausdauernd und zielstrebig, er ist auch ein gnadenloser Optimist.