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Jederzeit gerüstet für den Kampf gegen Epidemien

Die EU bekämpft hoch ansteckende Krankheiten wie Ebola künftig mit European Medical Corps. Die schnellen Eingreiftruppen sollen Epidemien frühzeitig eindämmen.

Philipp Hedemann, 13.04.2016

Zwölf orangefarbene, zwei graue Kisten und eine blaue Box sollen helfen, bei der nächsten Epidemie Menschenleben zu retten. Noch stehen die 15 robusten wasser- und staubdichten Behälter in einem Lager des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Rund 500 Kilogramm Laborausrüstung im Wert von 200 000 Euro befinden sich darin. „Wenn irgendwo auf der Welt eine Epidemie ausbricht, können unsere Experten mit dem mobilen ­Labor sofort ins Flugzeug steigen und wenige Stunden nach Ankunft im Notfall­gebiet die ersten Tests durchführen“, sagt Stephan Günther, Leiter der Virologie des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in Hamburg. Zusammen mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) und dem Technischen Hilfswerk (THW) beteiligt sich das größte deutsche Institut für Tropenmedizin an dem im Februar 2015 gegründeten European Medical Corps. Die auf Initiative von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und dem ehemaligen französischen Außenminister Laurent Fabius geschaffene logistische und medi­zinische schnelle Eingreiftruppe soll in Zukunft helfen, Epidemien frühzeitig einzudämmen. Die zunächst zögerliche und unkoordinierte Reaktion auf die Ebola-Epidemie im Jahr 2014 hatte deutlich gezeigt, wie schlecht die internationale Gemeinschaft auf eine sich schnell und über Grenzen hinweg ausbreitende Krankheit vorbereitet war.

„Wir haben reagiert, aber wir mussten uns eingestehen, dass wir zu spät waren. Zu spät jedenfalls für die mehr als 11 000 Frauen, Männer und Kinder, die der Seuche zum Opfer gefallen sind“, sagte Steinmeier über die Ebola-Epidemie bei der Auftaktveranstaltung des European Medical Corps in Brüssel. „Es darf nicht wieder passieren, dass uns eine Krise so unvorbereitet trifft. Die Opfer können wir nicht ins Leben zurückholen. Aber wir können verhindern, dass sich eine solche Katastrophe wiederholt, weil wir Monate zu spät kommen“, so der Außenminister. Deshalb beschlossen Steinmeier und sein damaliger französischer Amtskollege, unter dem Arbeitstitel „Weißhelme“ einen europäischen Pool von medizinischen und logistischen Experten zu schaffen. Jederzeit können sie überallhin aufbrechen und Epidemien so möglichst schon im Keim ersticken.

Neben Deutschland beteiligen sich Frankreich, Spanien, Belgien, die Niederlande, Schweden, Norwegen, Finnland und die Tschechische Republik an dem aus nationalen Mitteln und EU-Geldern finanzierten Projekt. „Dies unterstreicht die Handlungsfähigkeit der EU! Auch und gerade in komplexen Krisensituationen“, sagte Steinmeier.

Mit einem Isolationskrankenhaus des DRK zur Versorgung hochinfektiöser Patienten, der logistischen Unterstützung des THW und dem mobilen Labor des Bernhard-Nocht-Instituts wird Deutschland den größten Beitrag zum European Medical Corps stellen. „Viele hochinfektiöse Krankheiten können auch die erfahrensten Ärzte nicht ohne Labor diagnostizieren. Doch gerade in Regionen, in denen regelmäßig Epidemien ausbrechen, gibt es oft keine oder zu wenig funktionstüchtige Labore. Unser mobiles Labor kann deshalb dazu beitragen, gefährliche Krankheiten schnell und eindeutig zu erkennen und ihre Ausbreitung einzudämmen“, sagt Stephan Günther, der beim Bernhard-Nocht-Institut unter anderem für die Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation WHO zuständig ist.

Christos Stylianides, EU-Kommissar für Humanitäre Hilfe und Krisenschutz, betont die kurze Reaktionszeit der neu geschaffenen Expertentruppe. „Mit dem europäischen Ärztekorps wissen wir vor Ausbruch einer Krise bereits, was genau an Hilfen verfügbar ist. Wir wissen, wie viele mobile Krankenhäuser, wie viele Laboreinrichtungen und wie viele medizinische Notfallteams wir einsetzen können. Und das ist genau das, was während der Ebola-Krise gefehlt hatte. Europa wird mithilfe des neuen medizinischen Krisenmechanismus bei Bedarf schneller und effektiver reagieren können“, so Stylianides.

Damit im Ernstfall tatsächlich alles schnell und reibungslos funktioniert, bereiten sich alle Teilnehmer in Spezialtrainings und mit Workshops auf ihre Einsätze vor. Auch die internationale Zusammenarbeit wird intensiv geübt.

An diesen Trainings und späteren Einsätzen werden auch Experten des THW teilnehmen. Sie können innerhalb kurzer Zeit auch an schwer zugänglichen Orten und unter schwierigen klimatischen Bedingungen Behandlungszentren technisch unterstützen, Dekontaminierungsschleusen errichten, die Stromversorgung sicherstellen, Trinkwasser aufbereiten und Werkstätten einrichten, in denen sie Fahrzeuge und Generatoren reparieren. „Unsere Mitglieder bilden eine Art hoch qualifizierte und mobile Hausmeistertruppe. Mithilfe unserer Datenbank können wir auf rund 200 durchgeimpfte und bestens vorbereitete Fachleute zurückgreifen, die wir innerhalb von Stunden in den Einsatz schicken können“, sagt Susanne Wacht. Die Referentin im Auslandsreferat des THW freut sich auf die Zusammenarbeit mit den deutschen und europäischen Medizin- und Logistik-Experten. „Da alle Partner vorher genau wissen, wer welche Kapazitäten hat, können wir uns perfekt ergänzen und im Notfall viel schneller reagieren. Die so gewonnene Zeit wird helfen, Menschenleben zu retten.“ ▪