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Den Beben begegnen

Schnell warnen, schnell reagieren – deutsche Forscher unterstützen die Türkei beim Katastrophenmanagement.

13.08.2012
© picture-alliance/dpa

Das verheerende Erdbeben, das sich am 23. Oktober 2011 in der Region um die osttürkische Stadt Erciş ereignete, beschäftigt Friedemann Wenzel immer noch. Der Professor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) analysiert auch ein halbes Jahr nach der Katastrophe die Auswirkungen des Bebens. Und er sieht, bei allen katastrophalen Folgen, Positives: „Die türkischen Rettungskräfte haben damals sehr schnell reagiert. Und auch bei den Gebäuden, gerade bei den Schulen, können wir Fortschritte beobachten.“ So hätten etwa Schulen, die erst in den vergangenen 25 Jahren erbaut wurden, das Beben verhältnismäßig gut überstanden.

Die längerfristig angelegt Analyse von Katastrophen ist nur eine Facette von Wenzels Arbeit. Der Geophysiker ist Sprecher des Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM), der interdisziplinären Forschungseinrichtung des Helmholtz-Zentrums Potsdam Deutsches Geoforschungszentrum (GFZ) und des KIT. Als die Erde in der Osttürkei bebte, reagierten die Forscher schnell und lieferten am nächsten Tag einen Statusreport, der unter anderem Infrastrukturschäden und die Bedrohung durch die Kälte in der Region berücksichtigte. Ein weiterer Report ging auf die Situation in den Notunterkünften ein. „Wir wollen dazu beitragen, dass effizient Hilfe geleistet werden kann“, sagt Friedemann Wenzel.

Dabei setzt das CEDIM-Team auf einen vielfältigen Ansatz. So präsentiert CEDIM etwa auch in Kooperation mit dem Karlsruher Institut für Meteorologie und Klimaforschung die Webseite www.wettergefahren-fruehwarnung.de. „Die Rolle des Wetters wird bei Katastrophen wie Erdbeben oft unterschätzt“, betont Friedemann Wenzel. Zum einen, was mögliche weitere Schäden an Gebäuden angehe, insbesondere aber in Bezug auf die Versorgung der vom Erdbeben betroffenen Menschen.

Auch im Westen der Türkei waren die Wissenschaftler um Wenzel bereits tätig. Im Projekt EDIM (Earthquake Disaster Information System for the Marmara Region) erarbeiteten sie mit Kollegen aus Deutschland und der Türkei ein Sensorennetzwerk. Es könnte auch dem Großraum Istanbul im Falle eines Erdbebens wertvolle Dienste leisten. „Die Sensoren versetzen die Verantwortlichen in Echtzeit in die Lage, auf ein Beben angemessen zu reagieren“, sagt Friedemann Wenzel. So könnte etwa der öffentliche Verkehr entsprechend gesteuert und angehalten werden. Ein großer Vorteil des Systems: Es benötigt keine Kabel, sondern lediglich ein funktionierendes WLAN-Netz – und kann damit auch bei erheblichen Schadensfällen umfangreiches Datenmaterial liefern. Friedemann Wenzel freut sich über das Interesse, das in Istanbul an dem System signalisiert wird, etwa bezüglich einer sicheren Erdgasversorgung der Stadt. Ins Schwärmen gerät er indes, wenn er über die Fortschritte der Erdbebenforschung in der Türkei spricht: „Die Kollegen sind hervorragend ausgebildet. Man kann sagen, dass die türkische Forschung geradezu ein Leuchtturm in Europa ist.“