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Ideen aus Deutschland, innovativ vermarktet

Der German Accelerator vernetzt in den USA technikaffine deutsche Start-ups.

Christine Mattauch, 19.12.2014
© dpa/Daniel Gammert - New York City

An der Wand eine Zeichnung des Bahnhofs Grand Central, auf dem Schreibtisch der Vertriebs-Klassiker „The New Strategic Selling“: Stephan Herrlich fühlt sich gut eingerichtet in seinem kleinen Büro in Midtown Manhattan. Seit einem halben Jahr ist der Geschäftsführer der Münchner Firma Intraworlds in New York, um ein amerikanisches Tochterunternehmen aufzubauen. Intraworlds entwickelt Software, die Firmen bei der Personalsuche hilft. „Die USA sind für uns der größte Markt weltweit“, sagt der 36-Jährige, „der Sprung über den Atlantik war ein logischer Schritt der Unternehmensentwicklung.“

Das Rüstzeug dafür erhielt Herrlich durch den German Accelerator (GA) – ein Programm, das deutsche Jungunternehmen auf den amerikanischen Markt vorbereitet. Die private Initiative, die vom Bundeswirtschaftsministerium unterstützt wird, startete 2011 im Silicon Valley. Mittlerweile sind die Plätze so begehrt, dass im Herbst 2014 ein Ableger in New York eröffnet wurde. Jährlich zwölf Start-ups werden dort einen dreimonatigen „Crashkurs USA“ erhalten. An der Westküste sind es 24. Das Ziel: die Gründer fit zu machen für einen Wettbewerb, der härter ist, als sie es von zu Hause gewohnt sind.

Das Interesse deutscher Start-ups an internationalen Erfahrungen ist groß: Zur Eröffnung des GA in New York reiste Florian Nöll, Vorsitzender des Berliner Bundesverbands Deutscher Startups, gleich mit über 40 Jungunternehmern an. „Der German Accelerator kann für Start-ups eine große Hilfe sein“, sagt er. Das gilt vor allem für den Zugang zu Wagniskapital und großen Firmenkunden. Nöll: „Der amerikanische Markt ist innovationsoffen, und es ist leichter als in Deutschland, Konzernpartner zu gewinnen.“ Die sind wichtig, denn mit großen Abnehmern können kleine Unternehmen schneller wachsen – der Huckepack-Effekt.

„Deutschland soll mehr globale Leader erzeugen“, wünscht sich Dirk Kanngießer, der zusammen mit dem Münchner Innovationsexperten Dietmar Harhoff die Idee zu dem German Accelerator hatte. Der Elektroingenieur Kanngießer betätigt sich seit Jahrzehnten als Wagnisfinanzierer und gründete auch selbst eine Reihe von Firmen. Jetzt gibt er als CEO des German Accelerator seine Erfahrungen weiter. Und seine Kontakte. Die sind das A und O, wenn ein deutsches Unternehmen auf dem umkämpften amerikanischen Markt bestehen will.

Jedem Gründer wird ein Mentor zugeteilt, der an der Geschäftsstrategie feilt, sein Wissen über den US-Markt einbringt und Kontakte zu potenziellen Kunden und Finanziers vermittelt. Zum Pool des GA gehören Silicon-Valley-Veteranen wie Tom Rice und Ram Srinivasan, Partner des Wagnisfinanzierers Wellington. Der Intraworlds-Chef Stephan Herrlich wurde von Joseph Rhyne beraten, einem erfahrenen Technologie-Manager. Der verschaffte ihm einen Termin bei der Chefin einer Softwarefirma aus Texas, die jetzt in den Vertrieb der Intraworlds-Produkte einsteigen will.

Zudem lernen die Jungunternehmen im so genannten Bootcamp viel über Marketing und Vertrieb, Personalführung und Recht. „In den USA herrschen vollkommen andere Gepflogenheiten, wie Verträge geschrieben werden“, erkannte Herrlich. Mindestens ebenso wichtig: Grundlagen der interkulturellen Kommunikation. Herrlich: „Man kriegt hier sehr schnell ein erstes Meeting, das aber nicht länger dauert als eine halbe Stunde. Der Takt ist schneller als in Deutschland.“

Bewerben kann sich jeder – vorausgesetzt, es handelt sich um ein technikaffines deutsches Unternehmen, dessen Produkt für den amerikanischen Markt relevant ist und das genügend Ressourcen hat, um an zwei Standorten präsent zu sein. Denn eines will der Accelerator nicht: dass deutsche Arbeitsplätze in die USA abwandern. Idealerweise haben beide Seiten etwas von der Förderung: So wie bei der Kölner Firma Parstream, 2008 von drei Partnern gegründet. Der Big-Data-Spezialist war Teilnehmer im Pionierjahrgang des GA im Silicon Valley. Kurz darauf gründete Parstream eine Niederlassung in Cupertino, wo auch Apple seinen Sitz hat. Doch auch das Team im Rheinland ist gewachsen – dort findet weiterhin der Großteil der Softwareentwicklung statt. Das ist ganz nach dem Geschmack von Dirk Kanngießer: „Wir wollen nicht, dass die Start-ups ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in die USA verlegen, sondern ihren Vertrieb.“

Eine ähnliche Zukunft könnte Lovoo haben, Hersteller einer Kennenlern-App und GA-Jahrgang 2013. Bisher ist das Start-up in Berlin und Dresden zuhause, doch Geschäftsführer Benjamin Bak plant 2015 den Sprung über den Atlantik und fühlt sich gut vorbereitet: „Im Accelerator haben wir extrem viel gelernt.“

Anreise und Unterkunft müssen die Jungunternehmer selbst bezahlen, dafür ist die Teilnahme am Programm kostenlos. Finanziert wird es durch einen Zuschuss des Bundeswirtschaftsministeriums von gut zwei Millionen Euro, außerdem sponsern Großunternehmen wie Siemens, Telekom, Allianz und Volkswagen das Programm. Denn auch darum geht es: „Wir wollen etablierte Unternehmen und Start-ups zusammenbringen“, sagt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. In New York sei gut zu beobachten, wie traditionelle Branchen – Industrie, Werbung oder der Finanzsektor – von einer Symbiose mit der digitalen Welt profitierten.

Vielleicht wird aus der Start-up-Förderung sogar eines Tages ein globales Netz. Im nächsten Jahr jedenfalls soll in Boston eine Zweigstelle entstehen, mit dem Fokus auf Biotechnologie und Gesundheit. Und 2016 kann sich Kanngießer „vorstellen darüber nachzudenken, ob wir einen Testballon in China steigen lassen“.