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Deutsche Hochschulangebote in Asien

Der erste Schritt zur Karriere – Absolventen deutscher Studiengänge in Asien haben beste Jobchancen und und steigen mit höheren Gehältern ein.

15.08.2014
© RWTH - Higher Education

Mit 35 Studierenden der Elektrotechnik fing alles an. Heute lernen auf den Campus der Vietnamesisch-Deutschen Universität (Vietnamese-German University, VGU) in Ho-Chi-Minh-Stadt und Binh Duong mehr als 700 junge Menschen. Die 2008 eröffnete Forschungsuniversität ist die erste staatliche vietnamesische Universität, die mit einem internationalen Partner aufgebaut worden ist und Autonomie genießt. Wurde anfangs noch auf dem Gelände der Nationaluniversität gelehrt, sind die Fakultäten inzwischen mehrheitlich auf dem Binh Duong Campus in der gleichnamigen Provinz zu finden. Einige Programme, die in Teilzeit berufsbegleitend absolviert werden können, werden in angemieteten Gebäuden in Ho-Chi-Minh-Stadt angeboten. Bis 2017 soll 40 Kilometer nördlich von Ho-Chi-Minh-Stadt ein neuer Campus entstehen. Denn das Angebot der Studiengänge mit Schwerpunkt auf Ingenieur- und Naturwissenschaften, die gemeinsam mit deutschen Partnerhochschulen angeboten werden, entwickelt sich von Jahr zu Jahr vielfältiger. Aktuell bietet die VGU drei Bachelor, sieben Masterstudiengänge und die Ausbildung von Doktoranden, unter anderem im Verkehr- und Transportwesen, an. In den nächsten drei Jahren sollen jeweils zwei weitere Bachelorstudiengänge hinzukommen. Neben klassischen ingenieurwissenschaftlichen Fächern wie Elektrotechnik, Mechatronik oder Computer Science setzen neue Angebote wie ein von der Universität Frankfurt aufgelegter Bachelorstudiengang Finance and Accounting oder ein in Kooperation mit der Universität Leipzig entwickelter Master of Business Administration (MBA) auch wirtschaftswissenschaftliche Akzente.

Das Model der „Flying Faculties“ macht im Hochschulwesen asiatischer Länder Schule. Die Technische Universität München (TUM) hat schon vor mehr als zehn Jahren die erste Auslands-Dependance einer deutschen Universität in Singapur gegründet. Die Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg ist seit 2009 mit einem Campus in Busan/Südkorea vertreten. Andere Hochschulen wie die RWTH Aachen bieten einzelne Studiengänge, beispielsweise in Bangkok/Thailand, an. Professoren und Lehrbeauftragte der beteiligten Fakultäten fliegen für einige Wochen im Jahr zu den asiatischen Partnerhochschulen und halten ihre Vorlesungen im Block. Unterm Strich entsprechen Stundenzahl und Prüfungen den Studienordnungen der deutschen Hochschulen. So erhalten Absolventen der Vietnamesisch-Deutschen Universität nach ihrem Abschluss ein deutsches Zeugnis und ein Zeugnis der VGU. „Mit rund 1000 Dollar Studiengebühren pro Semester liegen wir preislich deutlich unter den Angeboten britischer oder australischer Privathochschulen in Vietnam“, betont Henning Hilbert, Studienkoordinator an der VGU. Ein Konsortium aus 36 deutschen Hochschulen unterstützt den Lehrbetrieb, Fachhochschulen und Universitäten arbeiten Hand in Hand. Sie bieten Studiengänge, die in Deutschland erfolgreich laufen, an der Partneruniversität in Saigon in englischer Sprache an. „Alle Bachelorstudierenden vertiefen in einem vorgeschalteten Foundation Year ihre Sprach- und Mathematikkenntnisse“, sagt Hilbert. Denn die Vorkenntnisse der Bewerber unterscheiden sich zum Teil stark. Alle Bewerber durchlaufen an der VGU, ebenso wie an anderen deutschen Hochschulstandorten auch, einen Eignungstest. „Es ist eine Herausforderung, anspruchsvolle naturwissenschaftliche oder technische Sachverhalte in englischer Sprache zu verstehen“, sagt der Studienkoordinator. „Um unsere Studierenden am Anfang nicht zu überfordern, bieten wir ihnen die Möglichkeit, die Sprachprüfung erst im zweiten Studienjahr abzulegen.“

Die RWTH Aachen kooperiert in Thailand mit der „Sirindhorn International Thai-German Graduate School of Engineering“ (TGGS) an der King Mongkut`s University of Technology North Bangkok. Aktuell durchlaufen knapp 120 Studierende die zweijährigen Masterprogramme in den Bereichen Maschinenbau, Produktionstechnik, Elektrotechnik und Informatik. „Die Inhalte sind prinzipiell die gleichen wie in Deutschland“, sagt der promovierte Ingenieur Alex Brezing, Lehrbeauftragter der RWTH am Institut für Engineering Design. „Schwerpunkte der Ausbildung haben wir jedoch an lokale Marktinteressen angepasst.“ Ein Beispiel ist der Studiengang Automobilbau. In Thailand sind viele Vans, Pick-ups und Motorräder auf den Straßen unterwegs, schwere Unfälle sind an der Tagesordnung. „Das Thema Sicherheitstechnik ist in der Region ein Problem“, betont der Ingenieur, der selbst an der TGGS unterrichtet. „Darauf reagieren wir und arbeiten an technologischen Projekten, die im asiatischen Raum Aufsehen erregen und zum Teil auch aus China finanziert werden.“ Eine intensive Zusammenarbeit mit Unternehmen zeichnet die Ausbildung an der TGGS aus. „Unsere Studierenden arbeiten an Projekten für Kunden aus der Industrie mit und entwickeln so umso schneller ein Gefühl dafür, welche Fragestellungen für die Praxis relevant sind“, so Brezing. In Thailand angesiedelte Firmen schätzen dieses Profil. „Absolventen unserer Studiengänge sind in der Region extrem gut vermittelbar und steigen mit deutlich höheren Einstiegsgehältern in die Industrie ein als die Mitbewerber.“

Praxisbezug wird auch auf dem Campus der Universität Erlangen-Nürnberg im koreanischen Busan großgeschrieben. Die erste deutsche Universität in Südkorea bietet einen Masterstudiengang in Chemical and Bioengineering an, der erste Jahrgang startete 2011. Allein 30 Tonnen an Material für den Aufbau der Labore sind von Deutschland aus nach Südkorea verschifft worden. „Die Ausstattung des Forschungszentrums entspricht höchsten Standards“, sagt Rainer Buchholz, Wissenschaftlicher Leiter des FAU Busan Campus. Junge Naturwissenschaftler haben hier die Möglichkeit, Gelerntes direkt in praktischen Übungen anzuwenden und an Forschungsprojekten mitzuarbeiten. „Für koreanische Studierende ist das zunächst ungewohnt, sie profitieren davon jedoch in hohem Maße.“ Auch an der 2002 gegründeten TUM Asia in Singapur, einem Ableger der Technischen Universität München, werden Studierende in innovative Forschungsprojekte eingebunden. Im angeschlossenen Forschungszentrum TUM Create, einer Forschungskooperation zwischen der TUM und der Nanyang Technogical University (NTU), haben die rund 230 Teilnehmer der Bachelor- und Masterprogramme die Möglichkeit, an elektronischen Transportlösungen der Zukunft mitzuforschen. In Zusammenarbeit mit der NTU, der National University of Singapore (NUS) und dem Singapore Institute of Technology (SIT) bietet die deutsche Hochschultochter TUM Asia aktuell zwei Bachelorstudiengänge (Chemical Engineering, Electrical Engineering and Information Technology) und fünf Masterprogramme (Industrial Chemistry, Integrated Circuit Design, Microelectronics, Aerospace Engineering, Transport & Logistics) an. Darüber hinaus führt die TUM Asia in Zusammenarbeit mit verschiedenen Firmen ein Industrial PhD Programm durch, das vom Economic Development Board Singapore (EDB) finanziell unterstützt wird. „Unsere Angebote bilden Trends in der Industrie ab“, sagt Wen Qi Tan vom German Institute of Science and Technology der TUM Asia. So wird beispielsweise der Master of Science in Microelectronics gerade aktualisiert und läuft ab 2015 unter dem Label „Green Electronics“ weiter. „Wir sind immer auf der Suche nach neuen Entwicklungen und haben die sich ändernden Bedürfnisse der Industrie im Blick“, betont Tan. „Unser Angebot verbindet europäische und asiatische Expertise auf höchstem Niveau.“ ▪

Gunda Achterhold