Was bewegt junge Menschen in Deutschland, welche Themen beschäftigen ihre Altersgenossen in Israel? Um Antworten darauf zu finden, machen sich Jugendliche aus beiden Ländern im März 2015 auf eine filmische Entdeckungsreise: Mit der Kamera wollen sie in Tel Aviv, Jerusalem und Berlin Momentaufnahmen aus beiden Gesellschaften einfangen. Präsentiert werden die Filme auf dem Deutsch-Israelischen Jugendkongress, der im Mai 2015 in beiden Ländern parallel stattfinden soll und Jugendliche beider Länder zur Diskussion einlädt. „Spotlight on… – 50 Years Israel & Germany“ heißt das Projekt und ist Teil des Programms, mit dem ConAct das 50-jährige Bestehen diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel würdigt.
Gemeinsam handeln, Begegnungen organisieren, sich kennenlernen: ConAct initiiert und begleitet den deutsch-israelischen Jugendaustausch seit 2001. Aus Sondermitteln des Bundes fördert das Koordinierungszentrum mit Sitz in der Lutherstadt Wittenberg jährlich rund 300 Austauschprojekte mit mehr als 7000 Teilnehmern. Das Spektrum der beteiligten Träger ist groß: Sportvereine, Pfadfinder und politische Jugendverbände sind ebenso dabei wie kommunale Träger oder Freiwilligen- und Friedensdienste. „Unser Auftrag ist es, diese Träger mit allem auszustatten, was sie brauchen, um Austauschprogramme zu gestalten“, sagt ConAct-Leiterin Christine Mähler. Die Mitarbeiter beraten und fördern Austauschprojekte durch Weiterbildungen und Seminare für Fachkräfte in der Jugendhilfe, sie bilden junge Gruppenleiter aus, laden Teilnehmer bestehender Partnerschaften zu gemeinsamen Begegnungen ein und entwickeln Materialsammlungen, die von den Betreuern bei Jugendbegegnungen eingesetzt werden können. „Wir sind Ansprechpartner für kleine und große Fragen“, erklärt die Diplom-Psychologin und Mediatorin Mähler. „Damit leisten wir eine kontinuierliche Arbeit, die es vorher so nicht gab.“
Vom Fußballturnier bis zum Demokratie-Seminar
Auf einer Israelreise regte der damalige Bundespräsident Johannes Rau 2001 an, die deutsch-israelischen Jugendkontakte auszubauen und zu vertiefen. Die Initiative wurde schnell umgesetzt, doch der Start war schwierig: Die Gründung von ConAct fiel in die Zeit der sogenannten Zweiten Intifada, mit verschärften Sicherheitsmaßnahmen. „In dieser Zeit haben wir dazu beigetragen, dass die Partner in Kontakt bleiben“, stellt Christine Mähler rückblickend fest. „Gerade das Zusammenhalten in Krisenzeiten erzeugt auf beiden Seiten eine tiefe Verbundenheit, die trägt.“ Viele Projektpartner kennen sich bereits lange; jedes Jahr kommen etwa zehn bis 20 neue Partnerschaften hinzu. Einmal im Jahr laden ConAct und die Israel Youth Exchange Authority – ConActs Partnerbüro in Israel – jeweils einen Vertreter interessierter Träger zu Seminaren in Deutschland und Israel ein. Viele der Teilnehmer kommen bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal ins jeweilige Gastland. Sie lernen die Region kennen, besuchen einander auch in ihrem privaten Umfeld und entwickeln auf diese Weise Ideen für gemeinsame Projekte ihrer Vereine, Gemeinden oder Verbände. Das kann ein Freundschaftsturnier zweier Fußballvereine sein, aber ebenso gut eine Seminarreihe zu Demokratie und Toleranz oder ein Musikprojekt.
Rund hundert Projektpartnerschaften sind aus diesem Programm bisher neu entstanden. Dahinter steckt ein aufwendiges und sehr differenziertes Matching. Nicht nur die Chemie zwischen den Verantwortlichen muss stimmen, auch die organisatorischen Strukturen der Träger sollten harmonieren und zueinander passen. ConAct hat – als Einrichtung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die zusätzlich von den Ländern Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern unterstützt wird – die Möglichkeiten und die Expertise, die bestmöglichen Partner zusammenzuführen. Seit 2010 ist ConAct auch Träger des Freiwilligenprogramms „Kom-Mit-Nadev“, das junge Israelis dazu einlädt, sich in Deutschland als Freiwillige in sozialen oder zivilgesellschaftlichen Projekten zu engagieren.
Gemeinsames Erinnern aus unterschiedliche Perspektiven
Die Vielfalt der Kulturen in beiden Ländern macht sich auch in der Arbeit von ConAct bemerkbar. So sind unter den Teilnehmern viele junge Deutsche russischer, türkischer oder arabischer Herkunft, die ihre eigene Sichtweise auf die gemeinsame Vergangenheit von Deutschland und Israel haben. „Da muss man pädagogisch ganz anders herangehen“, stellt Christine Mähler fest. Viele ConAct-Projekte beziehen deshalb die unterschiedliche kulturelle und ethnische Herkunft der Jugendlichen ausdrücklich ein. Praktisch wie theoretisch: In Zusammenarbeit mit Experten aus der Bildungs- und Erinnerungsarbeit wurde das von ConAct und weiteren Partnern erarbeitete Handbuch „Gemeinsam Erinnern – Brücken Bauen“ zur Arbeit mit Jugendgruppen um Methoden erweitert, die das gemeinsame Erinnern aus unterschiedlicher Perspektive anregen. „Wir regen dazu an, auch die Familienbiografien mit in die Auseinandersetzung einzubeziehen“, erklärt Mähler. „Dadurch entstehen ganz neue Bezüge und Perspektiven, die die Beschäftigung mit der gemeinsamen Geschichte erweitern und bereichern.“