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Brücken der Wissenschaft schlagen

Von der Stiftung Mercator bis zur Uni Bremen: Vielfältige Kooperationen stärken die EU-Türkei-Beziehungen.

19.06.2013
Stiftung Mercator
© Stiftung Mercator/Ozan Eras

Migration aus der Türkei hat sich nicht nur auf Europa ausgewirkt, sondern das Land selbst verändert“, sagt Seçil Paçaci Elitok (Foto). Die junge Ökonomin untersucht derzeit in Istanbul, wie sehr die Auswanderung die türkischen Beziehungen zur EU und Deutschland beeinflusst. Sie war zuvor am Hamburgischen Wirtschaftsinstitut tätig und gehört zu den ersten sechs Teilnehmern des Mercator-IPC(Istanbul Policy Center)-Fellowship-Programms.

Das zunächst auf fünf Jahre angelegte Stipendienprogramm ist ein Beispiel dafür, wie die Wissenschaft Brücken zwischen der Türkei und Europa baut. Postdoktoranden aus der Türkei, Deutschland und anderen EU-Ländern können sich wissenschaftlichen und praktischen Projekten widmen. Von der Stiftung Mercator in Kooperation mit der Sabancı-Universität am Istanbul Policy Center (IPC) ins Leben gerufen, ermöglicht das Programm jungen Wissenschaftlern, sich sechs bis zwölf Monate lang ihrer Forschungsfrage zu widmen. Als Themenfelder stehen Deutsch/Europäisch-Türkische Beziehungen, Klimawandel und Bildung zur Auswahl. „Ich bin überzeugt, dass unsere Initiative am IPC die Bindung zwischen der Türkei und Europa und das Wissen von- und übereinander stärken wird“, so Stiftungsgeschäftsführer Bernhard Lorentz zum Start im September 2012. Mit dem Fellowship-Programm wolle man neue Ideen für die Herausforderungen einer immer enger zusammenwachsenden Welt erarbeiten. Die in Essen ansässige Stiftung unterstützt auch andere deutsch-türkische Wissenschaftsbrücken: etwa zwischen der Ruhr-Universität Bochum und der Kültür-Universität Istanbul (Masterstudiengang für deutsches, türkisches und internationales Wirtschaftsrecht) und zwischen der Universität Köln und der Bilgi-Universität Istanbul beim Masterstudiengang „Deutsches und Türkisches Wirtschaftsrecht“.

Die Türkei gehört weltweit zu den expandierenden Volkswirtschaften und bietet nach Analysen der Bundesregierung ein „attraktives Kooperationspotenzial auf wissenschaftlichem und technologischem Gebiet“. Um dieses auszubauen, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) entsprechende Richtlinien erarbeitet. Unterstützung erhalten Antragsteller vom Internationalen Büro des BMBF, das gemeinsame Projekte deutscher und türkischer Einrichtungen fördert.

Die Zahl der Kooperationen zwischen deutschen und türkischen Universitäten ist in den vergangenen Jahren auf mehr als 300 angestiegen. Dazu tragen etwa der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und zivilgesellschaftliche Initiativen wie die Stiftung Mercator und die Alexander von Humboldt-Stiftung bei. Kooperiert wird auf vielfältige Weise: mit Gastvorträgen, gemeinsamen Symposien oder über Masterstudiengänge wie „European Studies“, die die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder und die Istanbuler Bilgi-Universität zusammen anbieten. Die Berliner Humboldt-Universität kooperiert mit der Middle East Technical University (ODTÜ) in Ankara bei einem Masterprogramm in Sozialwissenschaften; und einen Double-Degree-Master in Interkultureller/Transkultureller Kommunikation haben die Istanbuler Kadir-Has-Universität und die Universität Bremen eingerichtet. Bremen unterhält zudem intensive, Fachbereiche übergreifende Kontakte zu neun türkischen Hochschulen.

Yasemin Karakaşoğlu, Konrektorin für Interkulturalität und Internationalität an der Universität Bremen, Mitglied der Mercator-Fellowship-Jury und des „Kompetenzteams“ des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, sieht einen positiven Trend: Die akademischen Beziehungen zwischen der Türkei, Deutschland und anderen EU-Ländern hätten sich intensiviert. Das sei bemerkenswert, weil sich türkische Hochschulen traditionell an angelsächsischen Universitäten orientierten. Verstärkt habe diese Öffnung auch das von der Europäischen Union geförderte Erasmus-Programm, das nicht nur den Studierendenaustausch, sondern auch den des akademischen Personals enthalte. Die Türkei schloss sich Erasmus 2004 an, seitdem wächst die Zahl türkischer Studierender, die ins europäische Ausland gehen. Waren es im ersten Jahr gerade einmal 1100, so nahmen im Wintersemester 2011/12 rund 12000 türkische Studierende am Programm teil. Von Beginn an rangiert Deutschland als Zielland auf Platz eins. Dass Erasmus auch in „umgekehrte Richtung“ wirke, betont Daniel Gruetjen. Der Koordinator des Mercator-IPC-Fellowship-Programms studierte selbst 2005 am Bosporus. Damals habe es in Istanbul gerade eine Handvoll deutsche Studierende gegeben, inzwischen seien es mehrere Hundert. Beachtenswert seien der akademische Austausch und die wissenschaftlichen Kooperationen, weil sie das leisteten, was derzeit auf politischer Ebene nicht immer gelinge: die Beziehungen zwischen der Türkei, Deutschland und der Europäischen Union zu intensivieren und zu pflegen.

Canan Topçu