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Die Geschichte mit dem Kronprinzen

Das Japanisch-Deutsche Zentrum Berlin (JDZB) blickt auf 30 Jahre seines Bestehens zurück. Ein Interview mit Generalsekretärin Dr. Friederike Bosse.

02.10.2015

Frau Bosse, das Japanisch-Deutsche Zentrum Berlin blickt dieses Jahr auf 30 Jahre seines Bestehens zurück. Was waren die Highlights aus Ihrer Sicht?

Ich kann natürlich am besten die neun Jahre beurteilen, die ich selbst miterlebt habe. Aber ich glaube, die waren in vieler Hinsicht typisch für das JDZB. Besondere Höhepunkte für das ganze Team waren sicher die prominenten Gäste, die uns in großer Zahl besucht haben. So durften wir 2011 den japanischen Kronprinzen in Dahlem begrüßen und den damaligen Bundespräsidenten Wulff bei der Eröffnung der großartigen Hokusai-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau. Besonders beeindruckend war auch Helmut Schmidt, der 2010 einen Festvortrag zu unserem 25-jährigen Bestehen hielt: Seine profunden Kenntnisse von Japans Politik und Geschichte wie auch der Kultur beruhen auf einer Beschäftigung mit Japan, die noch weiter zurückreicht als die 30 Jahre des JDZB.

Lassen sich die wissenschaftlichen Veranstaltungen, kulturellen Programme, Kurse und Austausche in Zahlen fassen? Und an welches Ereignis, welche Anekdote erinnern Sie sich besonders gerne?

Die reinen Zahlen sind schon recht beeindruckend: In den 30 Jahren hat das JDZB über 1000 Konferenzen durchgeführt, zu mehr als 110 Ausstellungen und 170 Konzerten eingeladen und mit seinen Sprachkursen über 2000 Menschen Japanisch beigebracht. Wichtiger ist aber, dass wir mittelbar noch viel mehr Menschen erreichen. Denn unsere Teilnehmer und Partner tragen ihre Erlebnisse ja weiter und machen so andere Menschen auf Japan beziehungsweise Deutschland neugierig. Besonders gern erinnere ich mich an meine Begegnungen mit Ogata Sadako, der früheren Flüchtlingshochkommissarin der Vereinten Nationen. Sie ist inzwischen 87 Jahre alt, beeindruckt mich aber immer wieder mit ihrer Fähigkeit, aus dem Stehgreif einen komplexen Sachverhalt kurz, knapp und treffend politisch einzuordnen. Und unvergesslich ist auch, dass wir vor dem Besuch des Kronprinzen die Zapfen aus den Kiefern vor unserem Haus schlagen lassen mussten, damit sie nicht aus Versehen auf das kaiserliche Haupt fallen.

Was waren die erfolgreichsten Programme oder Veranstaltungen?

Am erfolgreichsten waren aus meiner Sicht immer die Veranstaltungen, mit denen wir etwas angestoßen haben, das danach auch ohne uns weiterlief. Sei es, dass sich ein japanischer Wissenschaftler nach einem Besuchsprogramm um ein Stipendium in Deutschland bewarb oder dass ein deutsches Ministerium bei einer Reform im Sozialbereich Ideen aus Japan aufgreift, die wir in einem Symposium diskutiert hatten. Leider ist diese Wirkung nicht immer sichtbar. Einfacher zu erkennen sind die persönlichen Netzwerke, vor allem diejenigen, die wir mit unseren Austauschprogrammen aufbauen konnten. Es ist beispielsweise immer toll zu sehen, dass sich junge Führungskräfte, die zehn Tage an unserem Young Leaders Forum teilgenommen haben, über Jahre regelmäßig treffen, Tagungen organisieren, sich beruflich und privat unterstützen. Dieses wunderbare Forum führen wir übrigens zusammen mit der Robert Bosch Stiftung durch.

Inwiefern konnten durch die Arbeit des JDZB die deutsch-japanischen Beziehungen verbessert, also der Gründungsgedanke umgesetzt werden?

Zum einen tragen nachhaltige Effekte dazu bei, dass die Beteiligten den Austausch mit Japan beziehungsweise Deutschland wertschätzen. Er bringt ihnen nämlich Lösungen oder auch persönliche Kontakte. Vor allem aber setzen wir den Gründungsgedanken dadurch um, dass wir diesen Austausch seit nunmehr 30 Jahren kontinuierlich betreiben. Unabhängig von kurzfristigen Moden oder Interessen bringen wir jedes Jahr Japaner und Deutsche zusammen, wobei wir die Themen und Formate natürlich den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen.

Welches Prädikat würden Sie den aktuellen deutsch-japanischen Beziehungen geben?

Die deutsch-japanischen Beziehungen sind insgesamt sehr freundschaftlich und die ähnlich gelagerten Werte und Interessen übertreffen punktuelle Differenzen. Auf der gesellschaftlichen Ebene hat sich das zum Beispiel nach der Dreifachkatastrophe 2011 gezeigt, im Mitgefühl und der Hilfsbereitschaft der Deutschen. Auf der politischen Ebene ist die Beziehung jüngst sogar wieder intensiver geworden, vielleicht auch aus der Erkenntnis heraus, dass man bei großen Konflikten und Themen wie die Ukraine am gleichen Strang zieht und zusammen stärker ist.

Sie selbst haben sich mit Japan aus verschiedenen Blickwinkeln auseinandergesetzt, waren bei einem japanischen Unternehmen, beim Deutschen Fernsehen in Tokyo, am Institut für Asienkunde und am Japan-Desk des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Welche Facetten Japans haben Sie besonders fasziniert?

In Japan vollziehen sich Veränderungen nicht sehr schnell, aber dafür sehr kontinuierlich. Kaizen – der Prozess der ständigen kleinen Verbesserungen – ist dafür ein gutes Beispiel. Das fordert manchmal viel Geduld, aber es ist doch faszinierend, mit welcher Beharrlichkeit in Japan Ziele verfolgt – und meist auch erreicht – werden.

Nun gehen Sie als Generalsekretärin in Ihr zehntes Jahr. Welche Schwerpunkte wollen Sie noch setzen?

Abgesehen von einigen inhaltlichen Themen, die ich gern noch weiter voranbringen würde, wie die Förderung der Rolle von Frauen in beiden Gesellschaften, liegt mir die Verjüngung der deutsch-japanischen Beziehungen am Herzen. Oder vielmehr ihrer Träger. Ich möchte junge Politiker, Führungs- und Fachkräfte, und auch Bürger, die am anderen Land interessiert sind, dauerhaft einbinden, damit sie die bestehenden starken Netzwerke auch in der Zukunft tragen. ▪

Interview: Martin Orth