Zum Hauptinhalt springen

Expertise und Erfahrung

Russland ist eines der wichtigsten Partnerländer des internationalen Großprojekts FAIR.

26.03.2015

Mehr als 3000 Wissenschaftler aus über 50 Ländern arbeiten an den Experimentier- und Beschleunigeranlagen, die im Beschleunigerzentrum FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research) bei Darmstadt am Entstehen sind. Einer der wichtigsten Partner ist Russland: Das zeigt sich nicht nur daran, dass Russland mit mehr als 200 Millionen Euro nach Deutschland der wichtigste Geldgeber für das Milliardenprojekt ist. Aus Russland bringen auch mehr als 500 Experten aus über 20 Forschungseinrichtungen ihr wissenschaftliches Know-how in das Großprojekt ein. „Die starke Beteiligung Russlands ist sehr wichtig, weil die russischen Wissenschaftler einzigartige Kompetenzen haben, die FAIR dringend braucht“, sagt Boris Sharkov, wissenschaftlicher Geschäftsführer der FAIR GmbH. Russland wiederum habe ein sehr starkes wissenschaftliches Interesse an den Ergebnissen. So stellt es zum Beispiel beim HEDgeHOB-Experiment mit 100 Wissenschaftlern eine große Teilnehmerzahl. Dort wollen die Teilchenforscher genaueres über die Eigenschaften von Materie in Zuständen hoher Energiedichte erfahren.

Mit anderen FAIR-Experimenten wollen die Forscher unter anderem die Kräfte zwischen den kleinsten Teilchen besser verstehen und neue Details des nuklearen Aufbaus verschiedener Isotope entdecken. Eine der Säulen der deutsch-russischen Kooperation ist das Joint Institute for Nuclear Research (JINR) in Dubna. Das rund 100 Kilometer nördlich von Moskau gelegene Kernforschungszentrum zählt zu den führenden Forschungseinrichtungen weltweit. Russische Physiker bauen dort Versuchsanlagen, um supraleitende Magnete für die Beschleuniger zu testen, die am FAIR-Standort in Darmstadt eingesetzt werden sollen. „Das sind Spezialbauten, die wir bei einem Kooperationspartner entwickeln und testen lassen, der die dafür weltweit einzigartige Expertise bieten kann“, sagt Dr. Ingo Augustin, bei FAIR Stabschef der wissenschaftlichen Geschäftsführung. Um die Vorzüge der Zusammenarbeit weiß auch Dmitri Kamanin, Chef der Abteilung für internationale Zusammenarbeit des Kernforschungszentrums Dubna. „Die deutsche Wissenschaft ist technologisch sehr gut ausgestattet und sehr entwickelt, und unser Institut gehört zu den führenden in der Kernforschung. Da mussten wir einfach zusammenkommen“, sagt er.

Das Budker-Institut für Nuklearphysik in Nowosibirsk ist eine weitere Forschungseinrichtung, die eine zentrale Rolle beim FAIR-Projekt spielt. Das Institut war das erste, dem es gelang, die diffizile Elektronenkühlung in den Griff zu bekommen. Dieses Wissen wird nun auch in Darmstadt benötigt. „Die Technologie ist notwendig, um den Teilchenstrahl zu kühlen, und es macht die Impulsauflösung bei Speicherring-Experimenten wesentlich präziser“, erklärt Augustin. In Nowosibirsk gebe es zudem exzellente Ingenieure für den Bau des Kollektorrings für FAIR. Der Kollektorring ist wichtig, weil man durch ihn die aufwendig gewonnenen Teilchen sammeln kann, um sie in kontrollierter und effizienter Weise zu den experimentellen Aufbauten zu leiten. Im Jahr 2019, so der jetzige Planungsstand, bringen die russischen Wissenschaftler und Techniker die Komponenten nach Darmstadt, bauen sie auf und nehmen sie in Betrieb.

Um die bilaterale Kooperation bei FAIR auch im Nachwuchsbereich zu verstetigen, haben Deutschland und Russland gemeinsam das FAIR Russian Research Center in Moskau auf die Beine gestellt. Das vom Darmstädter GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung und vom Moskauer Staatlichen Institut für Theoretische und Experimentelle Physik finanzierte Forschungszentrum vergibt unter anderem Stipendien an Doktoranden und Postdocs, vor allem aus der Physik und den Ingenieurwissenschaften, die sich in Russland an FAIR-Projekten beteiligen möchten. „Zu Forschungszwecken kommen diese regelmäßig nach Deutschland“, sagt Augustin. Für FAIR bedeutet das einen kontinuierlichen Zulauf bestens ausgebildeter Nachwuchsforscher. Das passt auch in die Vision von Boris Sharkov. „Eine so weltweit einmalige Anlage wie FAIR kann man nicht alleine bauen“, sagt der wissenschaftliche Geschäftsführer. Deshalb sei man froh über die riesige Expertise und Erfahrung, die internationale Partner wie etwa Russland einbrächten. ▪

Benjamin Haerdle