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Petersburger Europastudien

Das Zentrum für Deutschland- und Europastudien steht für wissenschaftliche Vernetzung.

19.06.2013
ZDES
© ZDES

Rund 2000 Kilometer trennen die Universität Bielefeld und die Staatliche Universität St. Petersburg. Dennoch: die Sozial- und Kulturwissenschaftler der beiden Universitäten stehen sich sehr nahe. Sie bilden die intellektuelle Basis für das Zentrum für Deutschland- und Europastudien (ZDES) St. Petersburg, das die beiden Hochschulen mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) finanzieren. Die Aufgabe des im Jahr 2004 gegründeten ZDES ist ambitioniert: Es will in Russland eine wissenschaftliche Auseinandersetzung im Bereich der sozialen Transformation in Deutschland und in Europa fördern.

„Für Soziologen und Politikwissenschaftler bringt das eine internationale Perspektive in die Forschung, die es so in Russland nicht genug gibt“, beschreibt Nikita Basov, wissenschaftlicher ZDES-Geschäftsführer an der Universität in St. Petersburg, das Besondere des Instituts. Normalerweise fokussierten sich die Sozialwissenschaftler auf interne Probleme Russlands. Das ZDES trage dazu bei, dass sie Gesellschaften in anderen Staaten analysieren und Vergleiche zu Russland ziehen könnten.

Die Palette an Forschungsthemen am ZDES ist groß: Auf einer Konferenz im Jahr 2012 thematisierte das Zentrum zum Beispiel Parallelen und Unterschiede der Migration in Russland, Deutschland und anderen Staaten Europas. Auch mit Fragen, wie aus soziologischer Sicht in globalen Netzwerken kommuniziert wird oder wie Gentrifizierung Städte wie Moskau, Berlin oder Paris verändert, beschäftigt sich das Zentrum in Veranstaltungen. Welche Themen auf den ZDES-Konferenzen im Mittelpunkt stehen, welche Projekte gefördert oder welche Workshops zu Methoden der Sozialforschung für Studierende und Doktoranden angeboten werden, ist Ergebnis steter Kommunikation zwischen St. Petersburg und Bielefeld.

„Wir planen alle Aktivitäten gemeinsam, das ist eine Kooperation auf Augenhöhe“, betont Andreas Vasilache, Direktor der deutschen Seite des ZDES und Professor für Europastudien an der Universität Bielefeld.

Ein Schwerpunkt der Zusammenarbeit ist der zweijährige Masterstudiengang „Studies in European Societies“, der gemeinsam von beiden Universitäten in St. Petersburg angeboten wird und der der einzige seiner Art in Russland ist. Die Nachfrage nach Studienplätzen ist hoch: „Wir können nur ein Viertel der Bewerber aufnehmen“, bedauert Vasilache. Der Master soll Absolventen fit machen, die sich in der Berufswelt der russisch-europäischen Beziehungen behaupten wollen – sei es in Stiftungen, Nichtregierungsorganisationen, internationalen Firmen, im Tourismus oder in den Medien. Aber es ist nicht nur die Aussicht auf einen Karriere versprechenden Masterabschluss, der die jungen Russen an das ZDES lockt. Es ist auch die Möglichkeit, internationale Kontakte zu knüpfen. Dabei will das ZDES vor allem russischen Doktoranden helfen: „Für die Nachwuchswissenschaftler ist es schwierig, mit deutschen oder anderen europäischen Wissenschaftlern zu kooperieren“, sagt Nikita Basov. Ihnen fehle es an Kontakten und an Möglichkeiten, entsprechende Gelder einzuwerben. Wer diese internationalen Kontakte zu Beginn der Karriere nicht knüpfe, habe es später schwer, Kooperationen aufzubauen, zumal dann auch oft noch Kenntnisse der Sprache oder der Kultur des Partnerlandes fehlten. Um diese Netzwerke einzufädeln, so Basov, seien die Konferenzen und die Sommerschulen wichtig, die das ZDES jedes Jahr zu unterschiedlichen Themen anbietet.

Insgesamt eine Million Euro hat das ZDES inklusive Drittmitteln pro Jahr in etwa zur Verfügung. Was die deutschen und russischen Geisteswissenschaftler damit auf die Beine stellen, scheint den DAAD sehr beeindruckt zu haben. Er räumt dem ZDES die Möglichkeit ein, sich um eine dritte Förderperiode für weitere fünf Jahre zu bewerben. „Für uns ist das schon ein großes Kompliment“, freut sich Andreas Vasilache. Er hofft, damit dem wissenschaftlichen Ziel der Kooperation näher zu kommen: Das ZDES soll seine Position als deutsch-russischer Anlaufpunkt in der akademischen Landschaft für Deutschland- und Europastudien weiter ausbauen.

Benjamin Haerdle