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Zündende Ideen

Das Projekt „Engage, Participate, Act“ vernetzt Start-Ups aus Ägypten, Tunesien und Deutschland. Bei vielen Unternehmensideen geht es um digitale Projekte.

فيكتوريا كليبر, 19.12.2014
© Dawin Meckel/OSTKREUZ - Start-Ups

Als Martin Friedel die Ausschreibung zum Projekt „Engage, Participate, Act“ sah, war er überrascht: „Start-Ups aus Ägypten und Tunesien – gibt es das überhaupt?“, fragte sich der Jungunternehmer aus Hamburg. Mit dem Nahen Osten und Nordafrika hatte er bislang keine Berührung. Heute, rund ein Jahr später, hat Friedel einen anderen Blick. „Start-ups gibt es dort in Massen und viele sind uns in Deutschland um einiges voraus!“

Unter dem Motto „Unternehmen helfen Unternehmen“ vernetzt das Projekt „Engage, Participate, Act“ 30 Jungunternehmer aus Ägypten, Tunesien und Deutschland, es wird vom Auswärtigen Amt im Rahmen der Transformationspartnerschaft gefördert. Die Teilnehmer haben alle ein Start-up gegründet, entwerfen Designermöbel aus Plastiktüten, mobile Toiletten, die ohne Chemie funktionieren, stellen Olivenöl auf natürliche Art her oder haben eine Idee für ein digitales Start-up– alles ist bei „Engage, Participate, Act“ dabei.

Und die Nachfrage ist groß. Über 500 Jungunternehmer haben sich für diese Runde des Projekts beworben. Aufwendig ist das Verfahren, die Bewerber müssen detailliert Angaben zu ihrem Unternehmen machen und darüber, in welchem spezifischen Bereich sie sich verbessern wollen. „Es sind sehr viele gute Bewerbungen dabei“, sagt Dr. Sebastian Rubatscher von enpact, dem Verein, der das Projekt umsetzt. „Da ist es ganz schön schwer auszusieben.“ Ausgewählt wird nach drei Kriterien: Die Unternehmensidee muss innovativ und ein Wachstumspotential sollte erkennbar sein. „Nicht zuletzt muss die Persönlichkeit stimmen, die Gründer müssen teamfähig sein“, so Rubatscher.

Thematisch in Gruppen geteilt

Wer‘s geschafft hat, wird „gemixt“. Ägypter, Tunesier und Deutsche arbeiten je nach Themenschwerpunkt zusammen. Martin Friedel teilt mit Carmen El-Saadi aus Ägypten und Chaima Ben Rabah aus Tunesien die Leidenschaft fürs Netz, sie sind in einer Gruppe. Er selbst hat ein Content Management System angefertigt, bei dem Websites automatisch – sowohl auf dem Computerbildschirm als auch auf dem Smartphone oder dem Tablet – der jeweiligen Bildschirmgröße entsprechend angezeigt werden. Carmen El-Saadi hat die erste Crowdfunding Initiative in Nahost gegründet. Mit Hilfe ihres Unternehmens können kleine Start-ups ihre Finanzierungslücken schließen – und das Ganze ist konform mit der Sharia, dem islamischen Gesetz. „Denn jede Idee, die bei uns gefördert wird“, sagt Carmen El-Saadi, „muss auch einen sozialen Aspekt haben.“ Und die Tunesierin Chaima Ben Rabah hat eine App entwickelt, die die Lebensqualität für Diabetiker steigern soll. Mit nur wenigen Eingaben werden genommene Mahlzeiten an Insulin-Injektionen adaptiert und das Ergebnis direkt mit dem behandelnden Arzt geteilt. „Der Austausch in unserer Gruppe war großartig“, sagt Chaima Ben Rabah. „Wir konnten sehr offen miteinander sprechen und unsere Geschäftsideen durch gegenseitiges Feedback verbessern.“

In Workshops in Berlin, Tunis und Kairo verbringen die jungen Unternehmer jeweils drei Tage miteinander und feilen an ihren Konzepten. Sie nutzen die Zeit, um Vertrauen aufzubauen, ihre Vorstellung auszutauschen und sie treffen ihre Mentoren, die ihnen das Projekt zur Seite stellt. Auf dem Programm steht aber auch die „Start-up-Safari“: Die jungen Unternehmer besuchen Gleichgesinnte in jeder Stadt. Am letzten Abend ist Zeit für die Lounge, dort kommen Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft zusammen. „Dieser Abend ist vor allem zum Netzwerken gedacht“, sagt Rubatscher.

Mentoring von den Großen der Start-up-Szene

Die Mentoren beraten in Marketing, Personalmanagement, kreativem Denken oder Netzwerken, helfen die Finanzierung durchzurechnen oder Investoren zu finden. Sie kommen aus Deutschland und sind hier in der Start-up-Szene bekannt, denn sie alle haben selbst einmal ein Start-up gegründet, meist aber mehrere. Jana Scharfschwerdt coached Carmen El-Saadi, Chaima Ben Rabah und Martin Friedel. Sie kennt sich aus mit Geld und Zahlen, war früher bei einem Beratungsunternehmen und hat heute ein kleines Unternehmen, das Finanzpläne für Start-ups aufstellt und ihr Konzept genauer unter die Lupe nimmt. Für das Projekt „Engage, Participate, Act“ arbeitet sie ehrenamtlich und berät die Gruppe fortlaufend. „Es ist vor allem spannend, weil hier ganz unterschiedliche Märkte aufeinander treffen“, sagt Scharfschwerdt. Friedel, El-Saadi und Ben Rabah hätten oft andere Herangehensweisen, die sie miteinander diskutieren. „Schön ist auch, dass man die Entwicklungen über den langen Zeitraum sieht.“

In Kontakt – beruflich und privat

Jeder einzelne hätte mehr Sicherheit und Struktur in der Herangehensweise bekommen, sagt Scharfschwerdt. „Sie haben miteinander an ihrem Geschäftsmodell gefeilt, so dass viele nun stark fokussiert sind, ihr Anwendungsgebiet auf spezielle Kunden zugeschnitten ist.“ Das helfe vielen, Investoren zu finden und zu wachsen. „Ich habe vor allen eines gelernt“, fügt Chaima Ben Rabah aus Tunesien hinzu: „Risiken rechtzeitig zu erkennen und zu minimieren.“ Durch den Kontakt zu Carmen El-Saadi aus Ägypten plant sie nun den Einstieg in den ägyptischen Markt. „Das ist alles sehr aufregend“, sagt Chaima, „Carmen hilft mir sehr.“

„Doch nicht nur im Business, auch persönlich sind wir stark aneinander gewachsen“, sagt Martin Friedel. Denn der Austausch findet nicht nur an den drei Wochenenden statt. Jeden Monat gibt es Roundtables in Kairo, Tunis und Berlin, an denen die Unternehmer aus der gleichen Stadt sich auf Kaffe, Tee oder Bier treffen. In Kontakt sind sie ohnehin. „Vor allem, wenn sich im Land politisch etwas bewegt, ist mein Interesse groß“, sagt Martin Friedel.

Momentan steckt Friedel in Verhandlungen mit drei tunesischen Firmen – durch einen Kontakt aus dem Projekt. „Ich will die Dienstleistungen der Tunesier in das Portfolio meines Start-ups mit einpassen“, sagt er. Ein Plan, der ihm vor einem Jahr womöglich absurd vorgekommen wäre. ▪

 

Mehr Infos unter: www.enpact.org