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Forschung baut Brücken

Das Projekt „Engage, Participate, Act“ vernetzt Start-Ups aus Ägypten, Tunesien und Deutschland. Bei vielen Unternehmensideen geht es um digitale Projekte.

Kurt de Swaaf, 19.03.2015
© Tane Sinclair-Taylor - Start-ups
Die Zukunft beginnt womöglich rund 35 Kilometer nordwestlich der jordanischen Hauptstadt Amman. Dort, inmitten einer hügeligen Landschaft, entsteht zurzeit ein einzigartiges Forschungszentrum. Das Projekt trägt den Namen SESAME. Sein Herzstück ist ein Synchrotron-Teilchenbeschleuniger – der erste, der in der arabischen Welt in Betrieb gehen wird. Die gewaltige Maschine funktioniert wie eine Kombination aus Röntgengerät und Mikroskop, nur in viel größerem Maßstab. 
 
Das wirklich Außergewöhnliche jedoch ist der internationale Geist, der am SESAME herrscht. Wissenschaftler aus Jordanien, dem Iran, Pakistan, der Türkei, Israel und anderen benachbarten Staaten arbeiten hier Hand in Hand, über alle politischen Grenzen hinweg. Ein hoffnungsvolles Modell für eine friedliche Zukunft der Region. Auch Deutschland trägt wesentlich zum Gelingen des Vorhabens bei. Der eingebaute Synchrotron-Speicherring BESSY I stammt aus dem Helmholtz -Zentrum Berlin. Die Anlage soll noch 2015 den Regelbetrieb aufnehmen.
 
SESAME ist nur eine von vielen Kooperationen zwischen deutschen Experten und ihren Kollegen im arabischen Raum. Man betreibt hochkarätige Forschung in verschiedensten Disziplinen, tauscht Knowhow aus und unterstützt sich gegenseitig. 2009 zum Beispiel startete enerMENA, ein Programm zur Förderung der angewandten Solartechnik in Nordafrika und der arabischen Welt. Es gilt, das riesige dort vorhandene Potenzial für solare Energieerzeugung optimal auszuschöpfen. Das Projekt wird vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) koordiniert, und vom Auswärtigen Amt finanziell unterstützt. Das DLR arbeitet bei der Umsetzung mit 45 Partnerinstitutionen aus Ägypten, Algerien, Marokko, Tunesien und Jordanien zusammen. Ziel des Projektes ist die Vermittlung von Knowhow an Forschungseinrichtungen, Universitäten, bei Energieversorgern und in Unternehmen. Verschiedene Bildungsangebote wie Schulungen und Workshops sollen Fachkräfte in den Partnerländern  mit den hohen Anforderungen solarthermischer Kraftwerkstechnologie vertraut gemacht werden. 
 
Auch bei der Kooperation zwischen dem Max-Planck-Institut für Polymerforschung (MPIP) in Mainz und der King Abdulaziz City for Science and Technology (KACST) in der saudischen Hauptstadt Riad steht die Sonnenenergie im Zentrum: Die Institute starteten 2013 gemeinsam die Entwicklung innovativer Verfahren im Bereich Kunststofftechnologie. Man befasst sich dabei unter anderem mit leitfähigen Spezialpolymeren für die Herstellung von Solarzellen, erklärt der Chemiker Professor Martin Baumgarten vom MPIP. Solche Kunststoffe könnten den herkömmlichen, auf Silizium basierenden Systemen überlegen sein. Sie sind viel leichter, und die Polymere lassen sich kostengünstig zu sehr dünnen Filmen verarbeiten. Beide Komponenten eines Kunststoff-Solarelements werden zuvor in Lösung gebracht und anschließend zusammen aufgetragen. Dadurch entsteht ein Geflecht zweier Polymere. Es fängt die Sonnenenergie ein und leitet sie in Form elektrischer Ladung weiter.
 
Erste Entwicklungsfortschritte wurden bereits gemacht. „Wir haben eine vielversprechende Struktur identifiziert“, sagt Baumgarten. Nun gelte es, diese hinsichtlich ihrer technischen und elektronischen Eigenschaften zu testen. Die Forscher  des MPIP und der KACST suchen auch nach neuen Methoden zur Herstellung von Hochleistungs-Filtermembranen. Sie könnten in der Meerwasserentsalzung oder in der Abwasseraufbereitung zum Einsatz kommen. 
 
Die Zusammenarbeit zwischen deutschen und arabischen Forschungseinrichtungen umfasst gleichwohl nicht nur technische Themen. Biologinnen des renommierten Senckenberg Forschungsinstituts und der Universität Frankfurt am Main untersuchen gemeinsam mit Experten des Red Sea Research Center der King Abdullah University of Science and Technologie (KAUST) in Thuwal, Saudi Arabien, zentrale Aspekte der Ökologie von Korallenriffen. „Dort hat man einen guten Zugang zu den Biotopen“, betont die am Projekt beteiligte Frankfurter Professorin Claudia Büchel. „Und  natürlich ist die KAUST eine sehr renommierte Institution, mit hervorragenden Fachleuten.“
 
Büchels Kollegin Maren Ziegler, Expertin für tropische marine Ökosysteme, arbeitet direkt in Thuwal. Die Küste der Region verfügt über einen ausgedehnten Riffgürtel, wie die Forscherin berichtet. Dieser erstrecke sich zum Teil bis zu 30 Kilometer in das Rote Meer hinein. 2010 wurde das Gebiet jedoch von einer Korallenbleiche heimgesucht. Die Konstrukteure der Riffe, winzige Polypen, starben massenweise ab. Der direkte Auslöser war eine außergewöhnlich lang anhaltende Hitzewelle. Die Wassertemperatur lag wochenlang über 32°C, kurzzeitig zeigten die Thermometer sogar 36°C an. „Das wird in Zukunft wahrscheinlich häufiger auftreten“, meint Maren Ziegler – als Folge des Klimawandels.
 
Der Korallenreichtum des Roten Meeres ist auch noch anderen Bedrohungen ausgesetzt. Überfischung hat die Bestände mehrerer Fischarten dezimiert, erklärt Ziegler. „Eine intakte Population ist allerdings wichtig für die Gesundheit der Riffe.“ Einige Fischarten zum Beispiel weiden den Seetang ab, der mit den Korallen um Platz und Licht konkurriert. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Wassertrübung. Die Korallenpolypen leben in Symbiose mit einzelligen Algen. Letztere versorgen die Riffbauer mit Kohlenhydraten aus ihrer Photosynthese. Doch wenn Schwebstoffe den Lichteinfall im Wasser zu stark dimmen, gerät diese lebenswichtige Zufuhr ins Stocken. Eine der Ursachen für eine erhöhte Trübung sind auch Bauaktivitäten am Ufer. Organische Verschmutzung kann zudem die Vermehrung von frei schwebendem Phytoplankton anregen, was ebenfalls die Durchleuchtung des Meerwassers verringert.
 
Es sind aber nicht alle Korallenarten gleich empfindlich gegen diese Beeinträchtigungen. Das komplexe Riff-Ökosystem kann zudem unterschiedlich reagieren, je nach Lage und Zusammensetzung. Maren Ziegler und ihre Kollegen gehen diesen Wechselwirkungen auf den Grund. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Funktionieren der Lebensgemeinschaften aus Polypen, symbiontischen Algen und Bakterien. Durch einen verbesserten Einblick in die Biologie der Korallen wird es unter anderem möglich sein, Schutzzonen in besonders geeigneten Gebieten einzurichten und andere Maßnahmen zur Erhaltung der Riffe zu ergreifen. Damit die Unterwasserpracht eine Zukunft hat. ▪