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Für ein Europa der Chancen

Wie Deutschland mit Hilfe des Europäischen Sozialfonds‘ (ESF) jungen Menschen und Migranten beim Einstieg in den Arbeitsmarkt hilft.

Clara Görtz et Helen Sibum, 19.12.2014
© dpa/Christian Charisius - Employment

Fast 4000 Kilometer liegen zwischen dem russischen Städtchen Juschnouralsk, wo Olga Grund aufwuchs, und der norddeutschen Metropole Hamburg, in der sie seit April 2013 wohnt – und vor allem zu Hause ist. Auf diesen Zusatz legt die 27-Jährige wert. Olga Grund ist in Hamburg schnell heimisch geworden. Das liegt an ihrem deutschen Ehemann und insgesamt an dem Leben, das sie sich aufgebaut hat. „Mir ist es sehr wichtig, eine Arbeit zu haben. Dafür sollte man die deutsche Sprache beherrschen“, betont sie.

Bald nach ihrer Ankunft in Hamburg frischt Olga Grund deshalb ihre Deutschkenntnisse in Sprachkursen auf. Doch wie sie eine Bewerbung und einen Lebenslauf nach deutschen Standards schreibt, worauf sie bei der Wahl eines Arbeitgebers achten sollte und welche Formalitäten es gibt – im Deutschkurs lernt sie das nicht. Deshalb meldet sie sich bei „Make it in Hamburg!“ an. Die Initiative, ein Projekt der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Bildungseinrichtung „Arbeit und Leben“ in Hamburg, fördert die Integration ausländischer Fachkräfte mit Bewerbungstrainings, interkulturellen Workshops, Informationen zu Weiterbildungen, hilft bei der Job- und Praktikumssuche und unterstützt bei Bedarf miteingereiste Lebenspartner. Auch deutsche Unternehmen können sich bei der Suche nach qualifiziertem Personal an die Projektmitarbeiter wenden. Finanziert wird „Make it in Hamburg!“ mit Mitteln der Freien und Hansestadt Hamburg und des Europäischen Sozialfonds (ESF).

Der ESF hat Tradition – schon in den Römischen Verträgen von 1957 wurden die Regeln für den Strukturfonds festgehalten. Seither haben die europäischen Partner die Ausrichtung dieses wichtigen Finanzierungsinstruments mehrfach den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umständen angepasst, das Kernanliegen ist dabei jedoch das gleiche geblieben: Menschen zu unterstützen, die sich um bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt bemühen. Das kann in der Praxis ganz unterschiedliche Formen annehmen.

Zu den geförderten Ansätzen gehört neben „Make it in Hamburg!“ zum Beispiel „MobiPro“. Das Programm unterstützt die berufliche Mobilität von Jugendlichen aus Ländern der EU, die in Deutschland eine betriebliche Berufsausbildung machen wollen oder als Fachkräfte ihren Beruf ausüben möchten. Die Eingliederung von Migranten wird auch in Sprachkursen verbessert. Gegen Ausgrenzung und Diskriminierung in Verwaltung, Ausbildung, Schule und Qualifizierung richtet sich das Programm „Xenos – Integration und Vielfalt“: Benachteiligte Jugendliche und junge Erwachsene mit 
und ohne Migrationshintergrund werden mithilfe von Xenos in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft (wieder-)eingegliedert. Ebenso gefördert werden Gesamtpakete zur erfolgreichen Integration wie jenes, von dem Olga Grund profitiert. Als junge Frau gehört sie zu den Hauptzielgruppen des ESF. Die Chancen der jungen Generation und die Erwerbstätigkeit von Frauen zu erhöhen sind wesentliche Anliegen des Strukturfonds. Zudem will man über den ESF die Langzeitarbeitslosigkeit senken und für mehr Weiterbildung sorgen. Unterstützt werden nicht einzelne Personen, sondern Angebote etwa von öffentlichen Verwaltungen und Nichtregierungsorganisationen.

Für die unterschiedlichen ESF-Programme zu Beschäftigung und Integration stehen in Deutschland zwischen 2014 und 2020 fast 12,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Rund 7,5 Milliarden davon kommen aus dem ESF, die weiteren Mittel steuert Deutschland über eine Kofinanzierung bei, so wie es das Konzept vorsieht. Beteiligt sind Bund und Länder mit jeweils eigenen Programmen, die die Perspektiven vieler Menschen unmittelbar verbessern. Allein über das neue Programm des Bundes – Titel: „Zusammen. Zukunft. Gestalten.“ – sollen beispielsweise 100 000 junge Menschen Unterstützung beim Berufseinstieg erhalten. Rund 73 000 Langzeitarbeitslose werden Begleitung bei der Rückkehr ins Berufsleben erfahren und 150 000 Migranten sprachliche und beratende Starthilfe bekommen.

Am ESF-Programm des Bundes beteiligen sich neben dem federführenden Ministerium für Arbeit und Soziales die Ressorts für Bildung und Forschung, für Wirtschaft und Energie, für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor­sicherheit.

Olga Grund ist froh, dass sie schnell einen Praktikumsplatz bei einer deutschen Firma gefunden hat. Das Logistikunternehmen ist auch in Russland aktiv und bindet seine Praktikantin in Vertragsangelegenheiten ein. Über ihre Arbeit bleibt sie so auch ihrer alten Heimat verbunden. Doch ihren Lebensmittelpunkt hat die 27-Jährige – auch mithilfe von „Make it in Hamburg!“ – erfolgreich nach Norddeutschland verlagert. ▪