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Das sanfte Blubbern am Morgen

Der Architekt Diébédo Francis Kéré möchte Räume kreieren, die glücklich machen. Seine Projekte realisiert er überall auf der Welt.

Judith Leister, 20.09.2016
© dpa/Florian Schuh - Diébédo Francis Kéré

Auf die Frage, was er vermisst, wenn er nicht in Deutschland ist, gibt Diébédo Francis Kéré eine überraschende Antwort: „Filterkaffee. Den gibt es eigentlich nur in Deutschland. Ich liebe das sanfte Blubbern morgens im Büro und wie das Aroma den Raum durchzieht. Ich reise ja viel und mag den Kaffee in Hotels eigentlich nie. Dann freue ich mich auf den Filterkaffee zu Hause. Ich habe den Kaffee sogar schon mit nach Burkina Faso genommen. Aber bei meiner Familie kam er nicht so gut an ...“ Überraschende Antworten sind eine Spezialität des aus Burkina Faso stammenden Architekten, der in Berlin an der Technischen Universität studierte und dort anschließend mit Kéré Architecture sein eigenes Unternehmen gründete, mit dem er heute Projekte in aller Welt betreut. Für Afrika mit seinen hohen Temperaturen und Regenzeiten erfand er genial einfache und pragmatische Lösungen, darunter eine natürliche Belüftung durch Doppeldächer und einen Baustoff aus einer haltbaren Lehm-Zement-Mischung. Jenseits von Afrika ist das junge Team von Kéré Architecture in Deutschland aktuell mit der Revitalisierung des Areals der früheren Taylor Barracks in Mannheim befasst. Für die Gemeinschaft zu bauen, möglichst natürlich und unabhängig von technischen Voraussetzungen, ist sein Anspruch. Nicht nur in Afrika, sondern überall auf der Welt.

Kéré möchte Räume kreieren, die glücklich machen. Bestimmten afrikanischen Gestaltungsformen fühlt er sich nicht verpflichtet. „Ich versuche, ohne eine konkrete Philosophie Räume zu schaffen. Ich will Begegnung, aber auch Rückzug ermöglichen. Vielleicht sind offene Räume typisch afrikanisch, bedingt auch durch das Klima. Ich setze gern Tageslicht und Baumbepflanzung ein.“ Kéré liebt es, Dinge wachsen zu sehen. Er möchte daran teilhaben, wie Ideen sich weiter entwickeln, findet, dass die Architekturzeichnung in Deutschland zu wenig gepflegt wird. Dabei weiß er, dass man an der Digitalisierung nicht vorbeikommt. Er versteht sich sogar als ausgesprochenen Techniker: „Ich habe einen eher technischen Zugang. Ich versuche, das Material möglichst natürlich einzusetzen. Wenn sich dabei ein schönes Muster ergibt, freue ich mich.“

Lösungsorientierung fordert Kéré auch bei den für Deutschland so zentralen Themen demographischer Wandel und Flüchtlingszustrom. „Konflikte entstehen durch Knappheit“, meint er. „Wir brauchen günstigen Wohnraum für alle, nicht nur für Flüchtlinge. Durch Privilegierung können neue Konflikte entstehen. Diese Situation muss offensiv angegangen werden, sonst haben wir bald Ghettos statt einer Architektur, in der sich alle wiederfinden.“ Aktuell ist Kéré aber nicht mit dem Wohnungsbau befasst, sondern mit einem Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) und der sudanesischen Antikenbehörde. Dabei geht es um den Erhalt der „Königlichen Bäder von Meroe“, einer Anlage aus dem ersten Jahrtausend nach Christus, die zum versunkenen Königreich von Kusch gehört. Kéré Architecture überzeugte das DAI durch die gelungene Verbindung von lokaler Bauweise, minimalem Eingriff in vorhandene Strukturen und moderner Ausstellungsgestaltung. Wieder spielen natürliche Belüftung und Tageslicht eine Schlüsselrolle. Und natürlich sollen bei dem Bauvorhaben wie bei allen afrikanischen Kéré-Projekten lokale Arbeitskräfte angelernt und eingebunden werden, um die Identifikation zu steigern. Bauen ist bei Kéré eben eine Gemeinschaftsaufgabe – jedenfalls immer, wenn es möglich ist.