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Ein Alchemist 
der Mode

Bei dem deutschen ­Modeschöpfer Kostas ­Murkudis treten Kunst und Mode in einen explosiven Dialog.

Petra Schönhöfer, 23.09.2015

Lammfell mit Nylon. Orthopädische Hightech-Stoffe mit Chiffon und Satin – vor unkonventionellen Kombinationen schreckt Kostas Murkudis nicht zurück. Die Kleidung, die der Modedesigner entwirft, kann man genauso zur Kunst wie zur Mode zählen. Bei ihm, der 1959 als Sohn griechischer Eltern in Dresden zur Welt kam, sind die Grenzen fließend. So ist es kaum verwunderlich, dass Murkudis seine ­Mode seit einigen Jahren ausschließlich in Unikat-Kollektionen herstellt. Sie gehen nicht in den Verkauf, sondern direkt in Sammlungen von Museen.

Im Jahr 2013 übergab der Modeschöpfer dem Museum für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt am Main Teile seines Archivs, Originalentwürfe und Prototypen. In seiner aktuellen Murkudis-Ausstellung „Tuchfühlung“ spürt das renommierte Frankfurter Haus der Arbeit des Modeschöpfers in der Grauzone zwischen Kunst und Design nach. Seine Stücke hat Murkudis Arbeiten aus der MMK-Sammlung gegenübergestellt, etwa Gemälden von Blinky Palermo oder Installationen von Franz Erhard Walther. Die Ausstellungsarchitektur entwarf der Sound- und Videokünstler Carsten Nicolai. Sowohl künstlerische Positionen, die sich in verschiedenster Weise mit Textilien auseinandersetzen, als auch Konzepte der Performance, des 
Readymades oder der Materialästhetik erwarten die Besucher in Frankfurt.

Die Ausstellung offenbart die große Experimentierfreude, mit der Murkudis ans Werk geht. Sein Gespür für Materialien ist feinsinnig, sein Wissen akademisch geprägt. Bevor er nämlich in die Modewelt eintauchte, studierte er Chemie – 
ohne daran großen Gefallen zu finden. Deshalb begann er in Berlin eine Grafikausbildung und schloss am selben Institut die Modedesignausbildung als Jahrgangsbester ab. Doch vieles in seiner Arbeitsweise spricht dafür, dass er ein ebenso guter Naturwissenschaftler geworden wäre: Murkudis hat keine Angst vor hochexplosiven Mischungen.

Wenn schon kein Chemiker aus ihm wurde, dann aber in jedem Fall ein Alchemist der Mode. Wie auf der fieberhaften Suche nach Gold erkundet er bisher unbekannte Eigenschaften von Textilien. Industriestoffe unterzieht er einer besonders aufwendigen Verarbeitung, während kostbare Stoffe von ihm auf unsachgemäße Weise behandelt werden, um ­ihnen eine neue Qualität zu entlocken. Materialexperimente, Rekontextualisierungen und Oberflächenerkundungen – wie ein Forscher geht Murkudis ans Werk. Oder wie ein Künstler? In Deutschland herrscht traditionell ein rigider Kunstbegriff, der die Modebranche gerne außen vor lässt. Dennoch wagt das Museum für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt mit der aktuellen Murkudis-Ausstellung „Tuchfühlung“ einen Annäherungsversuch. Prägend für seine Arbeit empfindet der Designer die ersten 13 Jahre seines Lebens in der DDR. Die Fantasie des jungen Murkudis wurde von den Kunstschätzen des barocken Dresden befeuert, dem Japanischen Palais, dem Grünen Gewölbe, den Porzellan-, Gobelin- und Münzsammlungen von August dem Starken. Seine Museums- und Galeriebesuche inspirierten ihn ebenso wie die Architektur. Murkudis vergleicht seine Arbeit heute mit der eines Restaurators und fühlt sich in Archiven so zu Hause wie im Nähatelier.

Murkudis, der nach eigenen Worten aus Respekt vor der Kunst kein Künstler wurde, sieht seine Kleiderskulpturen nun in den White Cubes einer Ausstellung. Für eine neue Sichtweise auf die Wechselwirkungen zwischen Kunst und Mode sind seine Experimente Gold wert. ▪