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Vom Teilen 
der Freiheit

Der aus Vietnam stammende Künstler Danh Vo hat die amerikanische Freiheitsstatue stückweise nachgebaut und von Berlin aus eine rasante Karriere gestartet.

Nicola Kuhn, 30.09.2015

Danh Vo ist ein Phänomen, ein begnadeter Erzähler, der seine Geschichte mit Hilfe von Objekten vorträgt. Er macht kleine Setzungen nur, die manchmal allerdings sehr monumental ausfallen können, wie der stückweise Nachbau der amerikanischen Freiheitsstatue in Originalgröße. Sie entfalten sofort eine emotionale Wirkung, ergreifen den Betrachter unmittelbar. Sein Galerist Daniel Buchholz nennt ihn nicht von ungefähr einen „großen Verführer“. Die inszenierten Gegenstände können simpel sein, aber in ihnen verbindet sich die Biographie des Künstlers bildhaft mit dem Weltenlauf, sein persönliches Schicksal mit der großen Politik. Der Fokus springt von nah auf fern, von groß auf klein und umgekehrt wie in allen guten Romanen. Nur dieser erzählt vom wahren Leben, in dem einem Hölzchen gleich der Mensch im treibenden Wasser hin- und hergeworfen werden kann.

Genauso widerfuhr es Danh Vo, ganz real, nicht als Metapher. Geboren 1975 in Vietnam, dem Jahr der Kapitulation Südvietnams und dem Sieg der Kommunisten, flieht die Familie des Künstlers vier Jahre später mit einem selbstgebauten Boot. Zusammen mit hundert anderen „Boat People“ stechen sie in See. Ihr Ziel ist der Westen, sind die USA. Das Schiffchen wird im Pazifik von einem dänischen Frachter gerettet, Dan Vos Familie gelangt nach Europa und bleibt in Dänemark. Die Vision vom großen Glück in den Vereinigten Staaten gehört heute zur Familienerzählung. Wenn Danh Vo drei Jahrzehnte später stückweise die Freiheitsstatue nachbauen, ihre Außenhaut genauso wie das Original in Kupfer treiben lässt und sie unter dem Titel „We the People“ in Ausstellungen auf der ganzen Welt präsentiert, so lebt darin auch der Traum einer gestrandeten Familie wieder auf.

Der Sohn studiert Kunst an der Royal Academy in Kopenhagen, wechselt nach Frankfurt an die Städelschule, zieht 2005 wie so viele Künstler nach Berlin und beginnt von hier aus eine internationale Karriere. Heute werden seine Werke hoch gehandelt, erhält er Preise und große Ausstellungen. Erst im August 2015 eröffnete seine Schau „Ydob eht ni mraw si ti“ (rückwärts gelesen „„It is warm in the body“) im Kölner Museum Ludwig. Auf der Biennale di Venezia vertritt Danh Vo 2015 Dänemark und gestaltet den Pavillon des Landes in den Giardini. Als Gastkurator darf er die Hallen der Dogana mit eigenen sowie Werken aus der Kollektion des französischen Sammlers Francois Pinault bespielen. Damit ist Danh Vo endgültig ein Star und in wenigen Jahren einer der teuersten Künstler geworden.

Seit Kurzem lebt Danh Vo in Mexiko-Stadt. Aber ob Kopenhagen, Frankfurt, Berlin, Mexiko – seine Kunst kann überall entstehen, Fragen der Identität und Zugehörigkeit lassen sich überall stellen. Was den Künstler prägt, seine Familiengeschichte, nimmt er wie in einer Nussschale mit an jeden Ort. Die Objekte für seine Installationen stellt ihm die Familie zur Verfügung oder er erwirbt sie auf Auktionen. Mit ihnen spannt Danh Vo den Bogen vom Privaten zur französischen Kolonialherrschaft und dem Vietnamkrieg. Die Fotografie des französischen Missionars am Vorabend seiner Abreise nach Vietnam verknüpft sich mit seinem eigenen abgelegten Katholizismus. Der Kronleuchter stammt aus dem Pariser Hotel Majestic, in dem 1973 der 5-Punkte-Plan zur Befriedung Vietnams unterschrieben wurde und für die Familie des Künstlers die Flucht aus dem Land zur Folge hatte. In letzter Zeit bindet er andere Künstler in seine Ausstellung ein, zeigt Bilder des amerikanischen Fotografen Peter Hujar oder Malers Martin Wong, die beide an Aids starben. Der Betrachter folgt auch diesen Spuren fasziniert, den Verbindungen in die schwule Sub-Kultur. Und doch spürt er, dass Danh Vo ein Spiel mit ihm spielt, dass alles Requsite ist. Trotz allem Glanz wirft hier die Aura ihren schwächsten Schein. Könnten den großen Verführer just im Moment seines größten Erfolgs schon wieder die Kräfte verlassen? ▪