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Wie das Bauhaus Deutschland und Israel bis heute verbindet

Deutschland und Israel engagieren sich gemeinsam für die „Weiße Stadt“ – und tauschen Auszubildende in Bauberufen aus.

Miriam Hoffmeyer, 12.01.2016

Ich wollte neue Materialien und Techniken lernen, interessante Gebäude sehen und eine andere Kultur kennenlernen. Und meine Erwartungen wurden mehr als erfüllt!“, erzählt Atar Mandel. Im Oktober war die 28-jährige Auszubildende in Architektur und Design mit 17 anderen Israelis, die einen Bauberuf lernen, für drei Wochen in Berlin. Dort nahm sie an einem Kurs zum Thema Farbgestaltung und -bearbeitung im Bildungszentrum der Handwerkskammer Berlin teil. Die Kammer organisiert den aktuellen Austausch gemeinsam mit der Nationalen Agentur Bildung für Europa des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB).

Die angehenden „Practical Engineers“ aus Israel konnten Kurse in Trockenbau oder Mauer-Verschalung belegen. Außerdem lernten sie in einwöchigen Praktika den Alltag auf deutschen Baustellen kennen. Sechs Berliner Unternehmen hatten sich bereiterklärt, Azubis aus Israel zu betreuen. „Die Betriebe waren erst skeptisch, weil ihre Ausbilder mit den Praktikanten Englisch sprechen mussten“, sagt Henning Paulmann von der Handwerkskammer Berlin. „Aber zum Glück kann man sich im Handwerk ja auch mit Händen und Füßen verständigen. Wir hatten sehr positive Rückmeldungen aus den Unternehmen.“ Neben den Kursen und Praktikumsplätzen wurde den jungen Israelis auch ein Kulturprogramm geboten, bei dem das Thema Bauhaus und ein Ausflug nach Dessau – neben Weimar beherbergt die Stadt die deutschen Bauhausstätten, die seit 1996 zum UNESCO-Welterbe zählen.

Das deutsch-israelische Programm zur Zusammenarbeit in der Berufsbildung ist eine Kooperation des israelischen Wirtschaftsministeriums und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Anfänge reichen bis 1969 zurück, als erstmals Deutschlandstipendien an israelische Facharbeiter vergeben wurden. Später kamen Fachinformationsreisen für Bildungsexperten beider Seiten, gemeinsame Konferenzen und Seminare hinzu. Seit 1999 entwickeln deutsche und israelische Experten in Projektteams gemeinsame Konzepte und Materialien zur Berufsbildung. 2012 wurde dann der Auszubildendenaustausch eingeführt, der jedes Jahr einen anderen beruflichen Schwerpunkt hat. „Beide Seiten können voneinander lernen, denn Arbeitsabläufe, Sicherheitsvorschriften, Werkzeuge und Materialien sind verschieden“, sagt die zuständige Projektleiterin am BIBB, Monique Nijsten. „Es geht aber auch darum, die Alltagsrealität im jeweils anderen Land zu erfahren, um ein besseres Verständnis füreinander zu entwickeln.“

Die duale Ausbildung in Deutschland findet zum größten Teil in den Betrieben statt, in denen die „Azubis“ angestellt sind. In Israel dagegen wird an Akademien und Fachschulen ausgebildet. Wie groß die Unterschiede darüber hinaus in jeder einzelnen Branche sind, zeigt auch der aktuelle Azubi-Austausch. So gibt es in Deutschland allein zwölf Bauberufe, während in Israel nicht so stark zwischen den einzelnen Gewerken unterschieden wird. Weil Innenarchitektur in Deutschland ein Studienfach und keine Ausbildung ist, konnte Atar Mandel kein Praktikum bei einem Berliner Betrieb machen. Ihrer Begeisterung tut das aber keinen Abbruch: „Es war eine tolle Erfahrung, ich nehme viele neue Ideen mit nach Hause.“

Für die Teilnehmer aus Berlin, die im März 2016 nach Israel reisen werden, steht das Programm noch nicht fest. Doch werden die deutschen Auszubildenden wohl auch auf den Baustellen der Weißen Stadt in Tel Aviv mitarbeiten können.