Zum Hauptinhalt springen

Japan in Berlin

Berlin und Tokyo feiern 20 Jahre Städtepartnerschaft. Aber wieviel Japan steckt in Berlin? Eine Spurensuche.

07.03.2014
© Stefan Maria Rother - Städtepartnerschaft

Es ist ein versteckter Platz im geschäftigen in Berlin-Mitte, der selbst Einheimischen oft nicht bekannt ist: die Mori-Ôgai-Gedenkstätte der Humboldt-Universität in der Luisenstraße 39. Wer sich in dem Eckhaus zur Marienstraße auf die Spuren des japanischen Militärarztes, Dichters und Übersetzers begibt, wird gelegentlich sogar mit einer heißen Tasse grünem Tee begrüßt. Den setzt Beate Wonde, Kuratorin der Gedenkstätte, wissenschaftlich interessierten Besuchern vor. „Das gehört einfach dazu“, sagt sie. Was inmitten Berliner Schnoddrigkeit leicht befremdet, ist für Wonde ein normales Stück japanischer Lebenskultur.

Mit dem sperrigen Wort „Gedenkstätte“ hat der Ort wenig zu tun: Es ist ein heimeliges Zimmer, genau so ausstaffiert wie jenes Pensionszimmer, in dem der japanische Gelehrte 1887 lebte. Vor 30 Jahren wurde auf Betreiben des inzwischen verstorbenen Japanologen Prof. Dr. Jürgen Berndt das „Mori-Ôgai-Gedenkzimmer“ eingerichtet. Beate Wonde ist von Anfang an dabei. Sie ist der Motor für den wissenschaftlichen und kulturellen Austausch zwischen beiden Völkern im Geiste Ôgais. Der Gelehrte hat rund 130 europäische Schriften ins Japanische übersetzt. „Wir machen es umgekehrt“, sagt Wonde, die sich wie selbstverständlich mit ihren meist japanischen Gästen in deren Landessprache unterhält. „Es ist die einzige Einrichtung für Japaner in Europa, die nicht von Japanern betrieben wird“, erklärt sie.

Mori-Ôgai ist so etwas wie der Urahn der deutsch-japanischen Freundschaft. Vor 20 Jahren knüpften Berlin und Tokyo engere Bande und vereinbarten eine Städtepartnerschaft. Beide Städte hätten aus dem Krieg eine wichtige Lehre gezogen, nämlich den Frieden zu schätzen, hieß es damals. Heute sieht der Senat etliche Parallelen zwischen den Metropolen, die ein Mekka für Kreative seien: „In beiden Städten gibt es zahlreiche Orte, die als eine Art Zukunftslabor Visionen von morgen entwickeln: neue Modestile, innovative Musik, kreative Technologien.“ Aber auch bei den Problemen, wie etwa der Herausforderung einer alternden Bevölkerung, gebe es Schnittmengen, für die bei gegenseitigen Delegationsbesuchen immer wieder nach Lösungen gesucht wird. Überdies kooperieren Schulen und Forscher, Austausche werden organisiert.

Fernab jeglicher Formalitäten bringt Kento Fukuhara Japaner und Berliner zusammen: In einem Café am Bahnhof-Zoo lädt er alle zwei Wochen sonntags zum deutsch-japanischen Stammtisch, um den Sprach- und Kulturaustausch zu fördern oder, wie Fukuhara sagt, „einfach um zu quatschen und Leute kennenzulernen“. Meist kommen knapp zwei Dutzend vorbei. Fukuhara kam vor vier Jahren in die Stadt, um als Ingenieur bei der IAV, einem Engineering-Dienstleiter für die Autoindustrie, zu arbeiten. Warum Berlin? „Die Stadt ist cool, kräftig und lebendig“, sagt Fukuhara.

Der Berliner Uwe Richter wiederum verspürt ein gewisses Heimweh nach Tokyo. Er ist Chef der Adlershofer Spreepatent GmbH, die sich auf den Technologietransfer und Business Consulting zwischen Europa und Japan sowie Südkorea spezialisiert hat. Mit wenigen Unterbrechungen ist Richter seit 1981 mindestens einmal jährlich in Tokio: „Und jedes Mal fühlt es sich wie das erste Mal an“, schwärmt er. Zu seinem Jahresprogramm zählt auch, mit Freunden, Kollegen und Geschäftspartnern eine „kulturelle Studienreise“ nach Japan zu unternehmen. Dieses Jahr sogar zweimal, wobei nicht in Hotels westlichen Stils abgestiegen wird, „um Japan hautnah und traditionell kennenzulernen“, betont Richter. Tokyo sei übrigens keineswegs „ein wüster Betonkoloss“, sondern auch grün und lebenswert. „In dieser Hinsicht ähneln sich Berlin und Tokyo, wie überhaupt beide Städte gut zueinander passen“, meint Richter.

Der Drang nach Fernost liegt bei Richters übrigens in der Familie: Ehefrau Steffi leitet die Japanologie des Instituts für Ostasienforschung an der Universität Leipzig, Sohn Thomas studierte unter anderem Japanologie und hat sich mit „Nigi Berlin“ selbstständig gemacht hat. Seine Firma bringt hier Onigiri auf den Markt, einen japanischen Reissnack. Die Reisecken sind mit Bio-Rind, Fisch, vegetarisch oder vegan gefüllt und mit gerösteten Nori-Algen umhüllt. Mit dem Snack wird unter anderem das Justiz- und Verteidigungsministerium beliefert.

Kulinarische Nachhilfe aus dem Land der aufgehenden Sonne kann Berlin gut gebrauchen: „In dieser Hinsicht ist hier nicht viel los. Gerade mal 14 Restaurants sind von Japanern geführt“, sagt Susanne Rost-Aoki. Sie muss es wissen, denn sie importiert seit zehn Jahren Sake und beliefert die gehobene Gastronomie wie auch die Botschaft Japans. Seit 2010 leistet sie sich sogar am Markgrafendamm 34, unweit des Ostkreuzes, einen Laden, das „Sake Kontor“. Über 50 Sorten, direkt aus japanischen Brauereien hierher gebracht, hat Rost-Aoki im Angebot. „Wir sind das einzige auf Sake spezialisierte Geschäft in Deutschland“, sagt sie. „Die Mühe, das Getränk Deutschen zu erklären, macht sich kaum jemand“, bedauert sie. Also wartet nicht nur in dem Laden eine profunde Beratung, die Expertin hält auch Schulungen, schreibt Bücher und veranstaltet Seminare rund um den Reiswein. Sie selber kam vor Jahren über ihren japanischen Mann, einen Lehrer für die japanische Kampfsportart Kendō, auf den Geschmack.

Fernöstliche Lebenskultur in allen Facetten vermittelt die bereits 1890 gegründete Deutsch-Japanische Gesellschaft (Wa-doku-kai) mit rund 60 Veranstaltungen im Jahr, berichtet Geschäftsführerin Katrin-Susanne Schmidt. „In Berlin zählen wir 600 Mitglieder, die ein reges Interesse am Kulturaustausch haben“, sagt Schmidt. Mit einer Vortragsreihe im Roten Rathaus wird dieses Jahr besonders die 20-jährige Städtepartnerschaft Berlin-Tokyo gewürdigt, etwa mit einem Blick auf die Architektur und Theaterlandschaft.

Den wissenschaftlichen Austausch treibt das 1985 auf Anregung der damaligen Regierungschefs der Bundesrepublik Deutschland und Japans, Helmut Kohl und Nakasone Yasuhiro, gegründete Japanisch-Deutsche Zentrum Berlin (JDZB) in Dahlem voran. Die Bibliothek verfügt über 10000 Bände zu Japan, den deutsch-japanischen Beziehungen und der Japan-Forschung in deutscher, englischer und japanischer Sprache. Und mit dem Kurs „JaFix“ praktiziert das JDZB nach eigenen Angaben eine spezielle Lernmethode, die beweisen soll, dass „die japanische Sprache erlernbar ist“.▪

Chris Löwer