Netzwerke für morgen
Die Stiftung Deutsch-Israelisches Zukunftsforum will junge Menschen aus Israel und Deutschland zusammenbringen.

Im Rahmen des Projekts „Kom – Mit – Nadev“ hielten sich von Herbst 2010 bis Herbst 2011 elf junge Israelis zwischen 18 und 20 Jahren in Deutschland auf: Sie beteiligen sich an einer Art „Freiwilligendienst“ – einem Projekt, das von der im Dezember 2007 auf Anregung der Staatspräsidenten beider Länder gegründeten Stiftung Deutsch-Israelisches Zukunftsforum gefördert wird. Die Gäste arbeiteten in den Bereichen Kinder- und Jugendarbeit. Dazu gehören zum Beispiel Kindergärten und Familien- und Jugendzentren, kulturelle Institutionen und Gedenkstätten, die über die Zeit des Nationalsozialismus aufklären wie das Haus der Wannseekonferenz, das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald und das Jugendgästehaus Dachau. 2011 kamen erneut 20 Jugendliche aus Israel im Rahmen dieses Projekts nach Deutschland. Die Anregung für diese Art des Austauschs kam von israelischer Seite. Umgegehrt arbeiten schon seit vielen Jahren rund 900 deutsche Jugendliche im Jahr in unterschiedlichen Lebensbereichen in Israel mit. Das neue Freiwilligenprogramm ist ein qualitativ neuer Schritt in den seit Jahrzehnten bestehenden Jugendkontakten zwischen beiden Ländern – und damit auch für die deutsch-israelischen Beziehungen insgesamt.
Die Ziele der Stiftung Deutsch-Israelisches Zukunftsforum erläutert ihr Kuratoriumsvorsitzender Michael Jansen: „Deutschland und Israel stehen heute als Gesellschaften vor vielfältigen sozialen, politischen und kulturellen Herausforderungen – jeweils für sich und auch gemeinsam“, sagt er. „Es interessiert uns, worüber junge Menschen hier wie dort diskutieren, was sie bewegt, woran sie arbeiten. Wir möchten sie zusammenbringen. Uns leitet die Idee, nicht übereinander zu sprechen, sondern miteinander Themen zu erarbeiten, jenseits von Klischees und viel begangener Pfade. Dabei spiegelt die Vielfalt der Möglichkeiten die Pluralität einer lebendigen Gegenwart auf beiden Seiten wider.“ Mit derzeit drei Förderschwerpunkten und mit der Unterstützung von Einzelprojekten will die Stiftung bestehende Multiplikatorennetzwerke erweitern und neue Kontakte knüpfen und auf diese Weise, so Jansen, „die Basis, eine Zukunft des Miteinanders in den deutsch-israelischen Beziehungen, aktiv mitgestalten“.
Im Im Jahr 2009 hat die Stiftung Deutsch-Israelische s Zukunftsforum mit ihrer Arbeit begonnen und gleich mit der Förderung des ersten deutschen Pop-Musikfestivals ILanD in Israel und dem Filmprojekt „A Future in Friendship“ erste, auch öffentlich wahrnehmbare Zeichen gesetzt. Bei „ILanD – Deutschland trifft Israel“ stand die junge agile Musikszene Israels und Deutschlands im Vordergrund. Bekannte Musiker aus Israel trafen auf deutsche Bands und Nachwuchsmusiker. Musiker in Leipzig, Berlin und Köln. Eine Woche arbeiteten die Musiker beider Länder zum Beispiel an einem gemeinsamen Programm, lernten sich kennen und hatten intensive Diskussionen und Erlebnisse. Höhepunkt war ein vielbbeachtetes Abschlusskonzert in Tel Aviv.
Neben solchen Projekten im Kulturbereich wurde aber auch die deutsch-israelische Sommerakademie „Gesellschaften im Wandel“ gefördert, die als Kooperation mehrerer deutscher und israelischer Hochschulen an der Universität Kiel stattgefunden hat. Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben dort interdisziplinär über Herausforderungen diskutiert, vor denen beide Länder stehen. Dabei seien, sagt Michael Jansen, neue Verbindungen und Grundlagen für ein Netzwerk junger Akademiker entstanden. Der frühere Staatssekretär im Bundespräsidialamt nennt weitere wichtige Beispiele der Stiftungsförderung: „Für uns war auch ein Projekt bedeutsam, in dem Studierende aus dem Bereich der sozialen Arbeit gemeinsam ein Curriculum für ein einjähriges Studienprojekt erarbeitet haben. Oder etwa ein Austausch zwischen Psychologinnen und Psychologen, die in der Folge der Amoktat im süddeutschen Winnenden – bei der ein Schüler 15 Menschen tötete – die Möglichkeiten der Verarbeitung solch traumatischer Erlebnisse diskutierten und damit die Beratung von Betroffenen unterstützt haben. Zuletzt haben wir auch beim Sport neue Begegnungen ermöglicht, etwa von jungen Frauenfußballerinnen aus dem Norden Israels und aus dem deutschen Halberstadt, oder von Fußballfans aus Bremen und Haifa.“
Ein wichtiges Kriterium bei der Projektauswahl und Förderentscheidung ist, dass möglichst bilaterale Projekte unterstützt werden. Nach intensiven Diskussionen hat das Kuratorium vereinbart, mit dem Förderschwerpunkt „Engagement und Verantwortung“ besondere Impulse im Dritten Sektor zu setzen. Andreas Eberhardt, Geschäftsführer der Stiftung, nennt beispielhaft das gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung ins Leben gerufene Programm „X-Change for Competence“, das zunächst bis zum Sommer 2013 laufen soll. In diesem Programm, dass sowohl in Israel als auch in Deutschland stattfindet, haben junge Nachwuchs- und Leitungskräfte aus dem Dritten oder Non-Profit-Sektor die Möglichkeit, ihre persönlichen Fähigkeiten zur Gestaltung von Veränderungsprozessen, zur Teamarbeit und zur Vernetzung zwischen Politik, Wirtschaft und Drittem Sektor zu verbessern und so auch den Austausch zwischen Israel und Deutschland zu fördern. Andreas Eberhardt: „Dafür ist ein eigenes Curriculum entwickelt worden, das Projekt wird wissenschaftlich evaluiert.“ Im ersten Durchgang, der im Februar 2011 begonnen hat, nehmen daran Fachkräfte aus dem Bildungsbereich teil.
Einen zweiten Förderschwerpunkt sieht Geschäftsführer Eberhardt in einem breiten deutsch-israelischen Kontext: Wie sich die deutsch-israelischen Beziehungen zukünftig gestalten, werde auch von der verantwortlichen Auseinandersetzung mit der Geschichte, ihrer Präsenz und Vermittlung sowie der öffentlichen Diskussion in beiden Ländern beeinflusst sein. Neben diesen identitätsbestimmenden Erfahrungen würden in beiden Ländern durch Migrationsbewegungen, Bevölkerungsentwicklungen und aktuelle Diskurse weitere Geschichtserfahrungen und vielfältige Erinnerungen angesprochen: „Im zweiten Förderschwerpunkt ,Geschichte in Zukunft‘ unterstützen wir daher die Auseinandersetzung mit Aspekten der sozialen und kulturellen Integration wie auch mit den historischen Dimensionen von Migration und Vielfalt. Einen Eindruck unseres spannenden Workshops ‚History and Diversity‘ gibt ein kurzer Film auf unserer Homepage. Die dort entwickelten bilateralen Projekte werden im Sommer 2011 in Israel diskutiert. Es konnten bereits zahlreiche neue Verbindungen geknüpft werden, die in konkreter Zusammenarbeit münden. Das ist unser Ziel.“
Seit September 2010 unterhält die Stiftung auch ein Büro in Israel. Die Zahl der Anfragen auf Projektförderung hat seitdem stark zugenommen. Nicht nur aus Deutschland, sondern in großer Zahl auch aus Israel werden Vorschläge und Projektideen an die Stiftung herangetragen, über die ein zwölfköpfiges paritätisch besetztes deutsch-israelisches Kuratorium entscheidet.