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WeQ statt IQ

Eine neue deutsche Bewegung strebt einen Kulturwechsel von der Ich- zur Wir-Gesellschaft an.

03.08.2015
© INFARM – Indoor Urban Farming GmbH - WeQ

Anne hat ihr Auto abgeschafft, wenn sie trotzdem eins braucht, besorgt sie es sich durch Car-Sharing. Den großen Garten hinter dem Haus bewirtschaftet sie gemeinsam mit den Nachbarn, manchmal kochen und essen sie die selbst angebauten Kartoffeln, Zwiebeln und Zucchini auch zusammen. Die starke Bohrmaschine hat nur Sebastian gekauft, dafür hat Anne eine große Leiter, ihre Freundin Julia  besitzt eine kleine Stichsäge. Wer etwas braucht leiht und teilt. Bevor sie in den Urlaub fährt, räumt sie die Küche leer und deponiert  Lebensmittel in einem öffentlichen Kühlschrank, aus dem sich Bedürftige bedienen können. Lesefutter für die Reise findet sie in einer ausrangierten Telefonzelle, die nun als öffentlicher Bücherschrank dient, dahin bringt sie auch, was sie selbst nicht mehr lesen möchte. Weil sie keine Familie hat, engagiert sie sich in einem Nachbarschaftsverein, macht Einkäufe für andere oder begleitet alte Menschen zum Arzt. Damit sammelt sie Zeittaler, die sie einlösen kann, wenn sie selbst einmal Hilfe braucht.

Der neue soziale Megatrend

Was unter den Schlagworten „Bürgerhilfe“,  „Share Economy“ oder „Urban Farming“ bekannt ist, zieht auch in der Wirtschaft längst weite Kreise: Crowd-Funding, die Finanzierung eines Unternehmens mit Hilfe vieler kleiner Investoren, Co-Working-Spaces, wo man nicht nur nebeneinanderher, sondern auch miteinander an ganz neuen Ideen arbeitet, Open Systems oder Open Source, sind Stich- und Schlagworte einer neuen Bewegung, die jetzt unter dem Titel „WeQ – more than IQ“ zu einer neuen Denkrichtung des sozial-ökonomischen Lebens zusammengefasst wird. WeQ ist der neue soziale Megatrend – so sehen das zumindest seine Verkünder.  

Ende April 2015, sieben Monate nach der ersten öffentlichen Präsentation der WeQ-Idee beim Vision Summit 2014, ist die WeQ Foundation offiziell geboren worden. Gründer sind der Hirnforscher und Autor populärwissenschaftlicher Bestseller Gerald Hüther, die Bildungsforscherin und Stiftungsvorsitzende Helga Breuninger, Ulrich Weinberg (Professor an der HPI School of Design Thinking ), die soziale Unternehmerin  Marianne Obermüller („Schokolade hilft immer“), David Diallo (Noah Foundation), Detlef Gürtler (Journalist) und Peter Spiegel (Soziologe, Zukunftsforscher, Genisis-Institut).  Die WeQ-Initiative beschreibt Spiegel als einen „Kreis von Vordenkern und Umsetzungspionieren, die einen grundlegenden Kulturwechsel von der Ich- zu Wir-Orientierung auf den Weg bringen möchten“.

„Der WeQ betont im Unterschied zum IQ die Qualität des Wir“, sagt Helga Breuninger, Vorsitzende der Breuninger Stiftung. Im Mittelpunkt, so erläutert sie, steht die Verbindung, das Stiften von Synergien, das Arbeiten an einer gemeinsamen Lösung, das Teilen von Gütern und Waren. Es ist eine Gegenbewegung zum Ich-bezogenen Denken. Matthias Horx hat in seinem Zukunftsinstitut kürzlich eine Studie mit dem Titel „Die neue Wir-Kultur“ der Autorin Kirsten Brühl herausgegeben. Die Volkswirtin untersucht darin die Netzökonomie und ihre Auswirkungen auf Unternehmen.

www.visionsummit.org

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