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Die schlaflose Gesellschaft

Deutsche Mediziner und ein prominenter amerikanischer Professor und Buchautor warnen vor den Folgen der schlaflosen Gesellschaft.

30.11.2015
© dpa/Patrick Pleul - Sleepless Society

Kommunikation in sozialen Netzwerken, Schichtarbeit, Onlineshopping: Die globale Infrastruktur hält die Menschen immer länger wach. „24 Stunden am Tag und an sieben Tagen der Woche“, sagt der amerikanische Kunst- und Theorieprofessor und Buchautor Jonathan Crary. Er hat ein Buch dazu geschrieben und rechnet in „24/7 – Schlaflos im Spätkapitalismus“ mit der durchökonomisierten Daueralarm-Gesellschaft ab.

Ein kleiner Vogel ohne Schlafbedürfnis

Noch vor hundert Jahren hätten Menschen regelmäßig zehn Stunden schlafend verbracht, sagt Crary. Der heute allgegenwärtige Schlafmangel sei Symptom eines beschleunigten Lebens, bei dem die persönlichen Gedanken und Gefühle an den Rand gedrängt werden. Schlaf als Rückzugsmöglichkeit werde in der Gesellschaft nicht genug geschätzt. Im Gegenteil: Vor allem die Wirtschaft habe laut Crary Interesse an einer wachen, einsatzbereiten und konsumfreudigen Gesellschaft. In den Vereinigten Staaten forscht das Verteidigungsministerium gerade daran, wie es der sperlingsgroße Vogel Dachsammer schafft, sieben Tage am Stück nicht zu schlafen. Laut Crary hofft das Pentagon, Rückschlüsse auf das Steuerungsorgan des Menschen ziehen zu können.

Ein Thema für Mediziner und Psychologen

In Deutschland beschäftigt die „schlaflose Gesellschaft“ vor allem Mediziner und Psychologen. Auch sie warnen vor gravierenden Auswirkungen von hochfrequentem Medienkonsum, von Stress und Schlafmangel: „Die derzeitige gesellschaftliche Entwicklung fördert durch Globalisierung sowie permanente und digitale Verfügbarkeit Schlafstörungen“, sagt Alfred Wiater, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. Die Folgen seien organische und psychische Erkrankungen – Folgen, deren wirtschaftlicher Schaden die vermeintlichen wirtschaftlichen Vorteile weit übersteigen werde. Bereits bei Kindern und Jugendlichen ließen sich Schlafstörungen durch inadäquaten Medienkonsum beobachten, die ihre kognitive und emotionalen Entwicklung störten. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin hat es sich zur Aufgabe gemacht, präventive Strategien zu entwickeln.

Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin vom 3. bis 5. Dezember 2015 in Mainz

www.wagenbach.de/buecher/titel/966-24-7.html

www.dgsm-kongress.de

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