Globale Allianz für Demokratie
Die erste Berlin Freedom Week bringt Menschen aus der ganzen Welt zusammen, die sich für Freiheit und Demokratie einsetzen.
Demokratien sind weltweit im Rückgang, und Leopoldo López weiß auch, warum. „Autokratien organisieren sich in einem globalen Netzwerk. Mit einem Ziel: den Westen mitsamt seinen liberalen Werten zu zerstören.“ Der ehemalige Bürgermeister von Caracas hat erlebt, wie sein Heimatland Venezuela zunehmend unter den Einfluss von Russland und China geriet. 2014 führte er eine Protestbewegung an, die gegen Kriminalität, Inflation und Repression kämpfte. Er wurde festgenommen und verbrachte sieben Jahre im Gefängnis. Heute sagt er: „Wer Freiheit und Demokratie verteidigen will, muss sich global vernetzen.“
Das führte López und weitere politische Dissidentinnen und Dissidenten aus aller Welt nach Berlin. Vom 8. bis zum 15. November 2025 findet dort erstmals die Berlin Freedom Week statt, eine Initiative für Freiheit und Demokratie anlässlich des 36. Jahrestags des Mauerfalls. In über 130 Veranstaltungen an 80 Orten finden in der deutschen Hauptstadt Konferenzen, Filmvorführungen und Workshops statt, die Freiheitskämpferinnen und -kämpfer in den Austausch untereinander und mit Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur bringen sollen.
Zum Auftakt der Berlin Freedom Week am 8. November tagte der World Liberty Congress im Berliner Abgeordnetenhaus – ein eigenes Parlament aus rund 200 Dissidentinnen und Dissidenten, entsandt als Delegierte oppositioneller Bewegungen in mehr als 50 autokratisch geführten Ländern. Gegründet wurde es 2021 von López, gemeinsam mit der iranischen Journalistin und Frauenrechtlerin Masih Alinejad und dem Kremlgegner und früheren Schachweltmeister Garry Kasparov. Anlass der Generalversammlung in Berlin war auch die Wahl eines neuen Führungsgremiums – ein wichtiger symbolischer Schritt für die Mitglieder. „Wir wollten damit zeigen: So funktioniert Demokratie. Wir geben die Verantwortung ab. Wir agieren nicht so wie die Regimes in unseren Ländern“, so Alinejad.
Berlin Freedom Conference: Demokratische Werte bewahren
Wie einzigartig diese weltweite Gemeinschaft ist, konnte man auf der Berlin Freedom Conference am 10. November spüren – dem zentralen Event der Berlin Freedom Week. Es war ein intensiver Tag, vollgepackt mit Panels und Workshops zur zentralen Frage: Wie können Demokratien ihre eigenen Werte besser verteidigen? Wie kann ihr weltweiter Niedergang gestoppt werden? Mehr als 1.000 Teilnehmende – darunter neben rund 130 Dissidentinnen und Dissidenten auch Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Medien – kamen zusammen, rund 60 Rednerinnen und Redner aus aller Welt setzten wichtig Impulse. Neben López, Alinejad und Kasparov sprachen auch die Friedensnobelpreisträgerinnen Oleksandra Matviichuk und María Corina Machado, Taiwans digitale Botschafterin Audrey Tang und Ben Hodges, der ehemalige Kommandierende General der US-Armee in Europa.
Zwei Drittel der anwesenden Aktivistinnen und Aktivsten mussten Gefängnisstrafen in ihren Ländern erleiden, haben Gewalt und teilweise Folter erfahren. Doch sie resignierten nicht, sondern kämpfen mit vollem Einsatz für demokratische Werte. „Wir wurden und werden von den Regimen unserer Heimatländer bedroht, aber wir sehen uns nicht als Opfer. Wir betrachten uns als Freiheitskämpfer, als Verteidiger der Demokratie“, sagt López.
„Denn kämpfen müssen wir“, wie unter anderem Garry Kasparov auf der Konferenz mehrfach betonte. Seit annähernd 20 Jahren befinden sich Demokratien weltweit im Rückstand; inzwischen leben rund 70 Prozent der Weltbevölkerung in autokratischen Regimen. „Viele sind sich nach wie vor nicht ausreichend der Gefahr bewusst, in der das freiheitlich-liberale Wertemodell des Westens sich befindet“, sagt Mantas Adomėnas, Generalsekretär der Organisation Community of Democracies. Er warnte vor der Illusion der Demokratisierung als Selbstläufer, die er auch als „optimistischen Fatalismus“ bezeichnet: „Wir dachten viel zu lange, dass die Geschichte auf unserer Seite ist. Dass am Ende, trotz aller Herausforderungen, alles gut ausgeht. Von dieser Haltung müssen wir uns dringend verabschieden.“
Mediale Aufmerksamkeit, neue Narrative
Was also ist zu tun? Dazu hatten vor allem die Aktivistinnen und Aktivisten eine klare Botschaft: Immer wieder und unermüdlich auf Missstände und Ungerechtigkeiten hinweisen. Auf diese Weise hat es Carine Kanimba geschafft, ihren Vater Paul Rusesabagina aus der Haft zu befreien. Als Hotelmanager rettete Rusesabagina Tausenden von Menschen während des Völkermords in Ruanda das Leben, indem er ihnen Zuflucht vor den Milizen bot. Seine Geschichte diente als Vorlage für den vielfach ausgezeichneten Film „Hotel Ruanda“. Später wurde er zu einem scharfen Kritiker der ruandischen Regierung unter Präsident Paul Kagame und 2020 zu 25 Jahren Haft verurteilt. Oder Evgenia Kara-Murza, die sich unermüdlich für ihren Mann, den russischen Oppositionspolitiker, Menschenrechtler und Journalisten Vladimir Kara-Murza einsetzte, der bei einem Gefangenenaustausch im August 2024 freikam. Carine Kanimba und Evgenia Kara-Murza trafen sich auf der Konferenz und fielen sich auf der Bühne in die Arme – mit dabei diejenigen, die sie aus der Haft retteten.
Pure mediale Aufmerksamkeit ist das eine, aber auch das kritische Hinterfragen von Narrativen scheint ein wichtiger Schritt zu sein. „Es gibt immer noch viele Menschen, die denken, Demokratie sei so etwas wie ein kulturelles Privileg. Und dass bestimmte Länder dazu noch nicht bereit wären“, so López. „Aber das ist falsch. Ich kann Ihnen sagen: die Menschen überall auf der Welt wollen frei sein. Ganz einfach, weil Freiheit ein menschliches Grundbedürfnis ist. Und die einzige Möglichkeit, wirklich frei zu sein, besteht in einer demokratischen Gesellschaft.“
Berlin: Hauptquartier einer globalen Bewegung
Doch die Herausforderungen kommen nicht nur von außen. Auch demokratische Systeme selbst müssen ihre politische Praxis überdenken, betonte Julia Klöckner, Präsidentin des deutschen Bundestages. Entscheidungen müssten transparenter sein, so Klöckner: „Die Wählerinnen und Wähler haben ein Recht darauf zu verstehen, wie Entscheidungen zustande kommen und wie die Abwägung von unterschiedlichen Interessen getroffen wurde. Vertrauen entsteht durch Verlässlichkeit und Nachvollziehbarkeit.“
Die Berlin Freedom Week und ihre zentrale Konferenz sollen 2026 erneut in Berlin stattfinden und sich als festes Event etablieren. Für López ist die Stadt das ideale Hauptquartier der von ihm mitgegründeten globalen Bewegung. „Die Menschen in Deutschland gedenken des Falls der Berliner Mauer als etwas Historischem. Für uns ist das die Gegenwart. Unsere Mitstreiter im World Liberty Congress leben alle in ihrem eigenen Ostberlin. Und sie arbeiten hart daran, dass die Mauer in ihren Ländern fällt.“
Die Berlin Freedom Week
Die Berlin Freedom Week ist eine Initiative der Berliner Tourismusagentur visitBerlin, der Axel Springer Foundation, dem World Liberty Congress, des Berliner Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Robert-Havamann-Gesellschaft. Sie findet 2025 erstmals statt und soll deutsche und internationale Gäste in den Austausch über die Bedeutung demokratischer Werte in der heutigen Zeit bringen.
Die Berlin Freedom Conference
Die Berlin Freedom Conference fand als zentrale Veranstaltung der Berlin Freedom Week erstmals am 10. November 2025 statt und brachte führende Akteure aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Kultur und Medien zusammen, um gemeinsam neue demokratische Allianzen ins Leben zu rufen und das weltweite Engagement für Freiheit und Demokratie voranzutreiben.