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Die Spaltung überwinden

Ein deutsches Projekt setzt auf Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern. Die Arbeit wird jedoch immer schwieriger.

Sven Kästner, 07.10.2019
Im Einsatz für Frieden und Verständigung.
Im Einsatz für Frieden und Verständigung. © combatants for peace

Der Nahost-Konflikt ist mit den Jahren immer komplexer geworden – und das liegt nicht nur an den Themen, die Israelis und Palästinenser trennen. Auch untereinander sind die Hauptkontrahenten zerstritten: Siedler, Ultraorthodoxe, konservative Nationalisten und Sozialisten auf israelischer Seite. Auf der palästinensischen Seite sind sich Anhänger der Fatah-Bewegung und der islamischen Bewegung Hamas uneins. Experten sehen auch diese internen Spaltungen als Hindernis auf dem Weg zu einem Friedensprozess. Deshalb setzt das deutsche Programm „Ziviler Friedensdienst“ mit seiner Arbeit für Gewaltprävention und Friedensförderung an diesem Punkt an. „Politik der kleinen Schritte“ nennt sich eine Aktion des daran beteiligten Forums Ziviler Friedensdienst e.V. (forumZFD) mit insgesamt zehn Projekten in Israel und dem Westjordanland.

Gemeinsame Interessen stärken

„Wir wollen den Spaltungen innerhalb der Gesellschaften inklusive Narrative entgegensetzen“, sagt Christian Gülisch, forumZFD-Regionalreferent für den Nahen Osten. Das heißt: Unter Israelis und Palästinensern sollen Identifikationserzählungen etabliert werden, die nicht auf Abgrenzung setzen. „Ein verbreitetes exklusives Narrativ ist: ‚Wir sind ein israelisches Volk, das von den Palästinensern bedroht wird‘“, erklärt Gülisch anhand eines Modells. „Dagegen versuchen wir Stereotype  abzubauen und gemeinsame Interessen hervorzuheben, wie Kunst oder Kultur.“ Aber nicht nur kulturelle Themen eignen sich, um einende Identifikationserlebnisse zu schaffen. Gülisch nennt als Beispiel Gewerkschaftsarbeit für Busfahrer in Jerusalem. Am Lenkrad sitzen dort neben Israelis auch viele Palästinenser. Das Eintreten für ihre gemeinsamen Interessen als Arbeitnehmer kann dazu beitragen, dass die ethnischen Konflikte in den Hintergrund treten.

Schon seit 1999 arbeitet das forumZFD mit diesem Ansatz. Seit dem Beginn der zweiten Intifada im Jahr 2000 und dem damit verbundenen Ende des 1993 begonnenen Osloer Friedensprozesses gehört auch der Nahe Osten zum Einsatzgebiet. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fördert das Projekt. Dazu gehört die Arbeit von derzeit acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Ländern der Europäischen Union sowie von acht einheimischen Mitarbeitenden im Projektbüro in Ost-Jerusalem. 2020 läuft die aktuelle Projektphase aus. Derzeit analysieren die Beteiligten, welche Konsequenzen aus der politischen Entwicklung in Israel und den palästinensischen Gebieten gezogen werden müssen, um die Arbeit fortzusetzen.

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Ein weiter Weg zur Versöhnung

„Leider ist die Stimmung sowohl in der israelischen Gesellschaft als auch unter den Palästinensern so aufgeheizt, dass Menschen zuweilen als Vaterlandsverräter beschimpft werden, wenn sie sich für Frieden engagieren“, sagt Gülisch. Auch aus diesem Grund wird die Arbeit mit zivilgesellschaftlichen Gruppen immer schwieriger. Die palästinensische Autonomiebehörde etwa hat die Social-Media-Gesetze derart verschärft, dass für Kritik an der von der Fatah dominierten Verwaltung empfindliche Strafen drohen.

Trotzdem gelingt es forumZFD, mit ganz unterschiedlichen lokalen Gruppierungen zusammenzuarbeiten – seien es die israelische Pfadfinderbewegung, die Arbeiter- und Studentenjugend oder auch die palästinensische Fatah-Jugendorganisation. Unter den Partnern ist mit den „Combatants for Peace“ allerdings nur eine Vereinigung, in der Israelis und Palästinenser gemeinsam für Frieden eintreten. Alljährlich veranstalten diese ehemaligen Soldaten der israelischen Armee und früheren palästinensischen Paramilitärs ein gemeinsames Gedenken an Opfer des Nahostkonflikts. Dort können palästinensische und israelische Familien gemeinsam trauern. Konservative Israelis empfinden die Veranstaltung allerdings als Provokation – auch weil sie am Vorabend des offiziellen Gedenktages für die gefallenen israelischen Soldaten und die Opfer von Terrorismus stattfindet.

„Es wird immer schwerer, für das gemeinsame Gedenken einen Raum zu finden“, sagt Gülisch. „2019 und 2018 musste die Veranstaltung deshalb in einem Park in Tel Aviv stattfinden.“ Bis zu einer tiefgreifenden Versöhnung im Nahen Osten ist es noch ein weiter Weg.

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