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Rudolf Hickel

Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler hat schon früh Südkorea in Fragen der Wiedervereinigung beraten.

22.06.2015

Herr Professor Hickel, Sie haben schon früh in Südkorea Vorträge zum Thema „Wiedervereinigung“ gehalten. Wie kam das zustande?

Im Herbst 2000 hatte mich die Friedrich-Ebert-Stiftung zu einer Vortragsreise nach Südkorea mit der Leitfrage eingeladen: Lassen sich aus der deutschen Einigung Lehren für eine mögliche Wiedervereinigung zwischen Süd- und Nordkorea ziehen? Anlass war das Buch „Der Preis der Einheit – Bilanz und Perspektiven der deutschen Einigung“, das ich zusammen mit Jan Priewe 1991 vorgelegt hatte. Das Buch ist in koreanischer Sprache 1993 vom „Institute of Asian Studies“ veröffentlicht worden. Das Interesse in Südkorea war so groß, dass eine Veranstaltung unter der Federführung des bis heute bestehenden Ministeriums für Wiedervereinigung durchgeführt wurde.

Was war das Hauptinteresse der Koreaner? Was war Ihre Botschaft?

Damals war das Interesse an den Lehren aus der deutschen Einigung riesig. Meine Botschaft war aber zur Zeit der „Sunshine Policy“ ein wenig frustrierend: Die deutsche Einigung lässt sich nicht als Schablone auf Nord-Südkorea übertragen. Die sozialen, ökonomischen und vor allem die politischen Umstände waren völlig konträr. Zwischen Nord- und Südkorea herrschte Eiszeit. Die Politik der Annäherung durch Wandel, die Willy Brandt und Egon Bahr eingeleitet hatten, schuf in Deutschland frühzeitig das Klima für die Wiedervereinigung. Mir war auch wichtig zu sagen, dass man im Fall der Einigung viel Geld und Zeit zum Aufbau in Nordkorea braucht. Jenseits der viel beschworenen Vision lösten die Hinweise auf konkrete Schritte bei den Zuhörern Ängste, ja Widerstände aus.