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„Climate First“ – Die Jugend verschafft sich Gehör

Beim Youth20 Dialogue in Berlin finden junge Menschen aus aller Welt gemeinsame Positionen zu globalen Themen – kritische Zuspitzungen inklusive.

Judith Reker, 07.06.2017
© dpa - Y20

Ein Hotel in Berlin Mitte, Stimmen schwirren durch das Foyer, 68 junge Leute stecken in kleinen Gruppen die Köpfe zusammen und diskutieren in vielen Sprachen. Aus 31 Ländern sind sie zum Youth20 Dialogue (Y20) zusammengekommen, auf Einladung der Bundesregierung. In dem einwöchigen Jugendforum erarbeiteten sie Positionen zu globalen Themen, die sie der Bundeskanzlerin am 7. Juni 2017 mit auf den Weg zum G20-Gipfel in Hamburg gaben. Es sind dieselben Themen, die im Juli 2017 auch die Staats- und Regierungschefs der führenden Industrienationen und Schwellenländer diskutieren werden: Wie schützen wir unseren Planeten? Wie erreichen wir mehr globale Gerechtigkeit? Wie stärken wir Frauen?

Die G20-Staaten repräsentieren fast zwei Drittel der Weltbevölkerung und drei Viertel des Welthandels. Ihre Entscheidungen haben deshalb ein besonderes Gewicht, gerade für die Zukunft junger Menschen. Y20 ist ihre Chance, sich im Forum der G20-Entscheider Gehör zu verschaffen. 

Patrick Ochiba aus Kenia

Ich studiere für einen Master in Literatur, aber ich arbeite auch schon als Lehrer. Als Mitglied in Pax Romana, der internationalen Bewegung katholischer Studierender, engagiere ich mich für soziale Gerechtigkeit und den Umweltschutz. Bei Umwelt- und Klimathemen leitet uns die Enzyklika „Laudato siʼ“ von Papst Franziskus. Eine der Kernbotschaften der Enzyklika ist, dass der Kampf gegen die Umweltzerstörung und gegen Armut zusammengehören.

Viele junge Menschen wollen sich nicht gesellschaftlich engagieren. Ich habe irgendwann festgestellt, dass leere Rhetorik, zum Beispiel in der Politik, sie abstößt. Also habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich sie motivieren kann. Und so habe ich eine Jugend-Theatergruppe in meinem Heimatort Kakamega im Westen von Kenia gegründet. Dort führen wir jetzt zu wichtigen gesellschaftlichen Themen Stücke auf.

Hier in Berlin gehöre ich zu einer Arbeitsgruppe, die sich mit den Themen Klima und Energie befasst. Ich bin stolz darauf, dass ich meine Perspektive und persönlichen Erfahrungen aus Kenia in die Diskussion einbringen konnte. In der Arbeitsgruppe haben wir unsere Position irgendwann auf den Titel „Climate First“ zugespitzt, um klarzumachen, wie wichtig der Klimaschutz ist. Natürlich ist das auch eine Reaktion auf einen Slogan aus dem Land, das aus dem Pariser Klimaabkommen ausgetreten ist.

Patrick Ochiba

 
Kurze Mittagspause in einem straffen Konferenzprogramm. Gerade haben die Teilnehmenden noch mit Regierungssprecher Steffen Seibert diskutiert, am Nachmittag stehen Besuche bei verschiedenen Nichtregierungsorganisationen an. Die Teilnehmer von Y20 haben nur zwei Dinge gemeinsam: ihr Alter – alle sind zwischen 18 und 30 – und ihr gesellschaftliches Engagement. Davon abgesehen sind sie so verschieden, wie man es bei Menschen aus 31 Ländern mit verschiedenen Berufen, Interessen und sozio-ökonomischen Hintergründen erwarten kann. 
 

Tan Pengru aus Singapur

Ich bin hier als Vertreter des Jugendkomitees der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation, APEC. Ich komme zwar aus Singapur, aber ich lebe in Tokio. Dort forsche ich für meine Doktorarbeit zu territorialen Konflikten, vor allem im Chinesischen Meer. Das ist ein heißes Eisen. Die große Frage ist, wie man den Interessen vieler Länder begegnen kann, so dass die Konflikte nicht explodieren.

Eine ähnliche Herausforderung stellt sich uns auch hier bei Y20: Jeder Teilnehmer kommt mit einer anderen Perspektive und anderen Interessen, trotzdem wollen wir versuchen, einen Konsens zu finden. Uns eint, dass wir als Jugendvertreter gehört werden wollen. Denn bei den Entscheidungen auf dem G20-Gipfel geht es um unsere Zukunft.

Tan Pengru

 

Das Treffen neigt sich dem Ende zu. Es ist der Tag, bevor die Teilnehmer ihr Positionspapier der Bundeskanzlerin überreichen. Eine Gruppe geht in Klausur, um sich auf die Präsentation vorzubereiten. Die Konferenz hat viel Energie gekostet, das merkt man den jungen Menschen an. Um manche Positionen, zum Beispiel zur Frauenquote, gab es ein zähes Ringen. Im Positionspapier fordern die Teilnehmer schließlich „die Schaffung von Systemen, wie beispielsweise Quoten, für Führungspositionen in öffentlichen Verwaltungen und großen privaten und öffentlichen Unternehmen, um der politischen und wirtschaftlichen Teilhabe von Frauen Raum zu geben“.

Das 36-seitige Dokument enthält zahlreiche Handlungsempfehlungen zu elf der 15 Themenbereiche, mit denen sich der G20-Gipfel befasst. Zum Thema Migration etwa fordern die Y20-Teilnehmer, „legale Wege zu schaffen, über die Asylsuchenden eine sichere Reise und das Recht auf Asyl gewährleistet werden, beispielsweise in Botschaften und Konsulaten“. 

 

Clara Latini aus Italien

Ich habe an der Universität Regensburg mein Studium in Politik und südosteuropäischen Studien abgeschlossen. In Serbien und Kroatien habe ich auch gelebt, und seit 2016 arbeite ich in der italienischen Handelskammer in Budapest, Ungarn.

Als ich zum Y20 nach Berlin kam, wusste ich zuerst nicht, für welches Thema ich mich entscheiden sollte. Das Thema Migration hat mich interessiert, weil ich viele Jahre bei Amnesty International mitgearbeitet habe und ja selbst Migrantin in vielen Ländern war. Aber dann habe ich mich für die Stärkung von Frauen entschieden, weil es so vieles in unserer Gesellschaft gibt, was mich in dieser Hinsicht stört. Deshalb habe ich auch kürzlich eine Plattform gegründet, die junge Frauen vernetzt.

Meine wichtigsten Forderungen in der Diskussion hier in Berlin waren: mehr Frauen in Führungspositionen und in MINT-Berufen, also in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, und bessere Kinderbetreuungssysteme, damit Frauen nicht zwischen Kind und Karriere wählen müssen.

Ich glaube schon, dass Angela Merkel unsere Positionspapiere beachten wird. In Bezug auf die Stärkung von Frauen ist sie ein Vorbild: Sie kommt aus einem MINT-Fach, nämlich der Chemie, und sie hält schon viele Jahre eine sehr mächtige Position.  

Ich habe hier in Berlin sehr viel gelernt, vor allem Teamarbeit und Diplomatie. Mit unseren verschiedenen Hintergründen war es bei manchen Themen ganz schön schwierig, einen Kompromiss zu finden. Aber so ist es ja auch im richtigen Leben und auch beim G20-Gipfel. 

Clara Latini