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Eine Zeit der großen Umbrüche

Der Mauerfall und die Deutsche Einheit gelten auch für Afrika als Zeit der Aufbrüche in Unabhängigkeit und Demokratie.

Prof. Dr. Andreas Eckert, 23.06.2015

Der Fall der Berliner Mauer 1989 war ein Ereignis von globalem Ausmaß und markierte das Ende des Kalten Krieges. Auch in Afrika begann eine Zeit der Umbrüche, vor allem im südlichen Afrika. Die Entlassung Nelson Mandelas aus langjähriger Haft im Februar 1990 bedeutete einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Beseitigung des rassistischen Apartheid-Regimes in Südafrika. Namibia, die einstige Kolonie Deutsch-Südwestafrika, wurde nach dem Ersten Weltkrieg von Südafrika als Mandat des Völkerbundes und später als Kolonie regiert, bevor es 1990 nach einem langen Kampf gegen die südafrikanische Herrschaft seine Unabhängigkeit erlangte. Der Mauerfall stellte einen wichtigen Rahmen für diese Ereignisse im südlichen Afrika dar, wenn auch nicht den einzigen oder wichtigsten Faktor für die Auflösung des Apartheid-Regimes oder die Unabhängigkeit Namibias.

In der deutschen Politik und Öffentlichkeit war Namibia nach 1990 zunächst nicht besonders präsent. Vor gut einem Jahrzehnt geriet das Land jedoch für kurze Zeit in die Schlagzeilen der deutschen Medien. Anlass war 2004 die hundertjährige Wiederkehr des sogenannten „Herero-Aufstandes“. Die Bevölkerungsgruppe der Herero und später auch die Nama in Namibia lehnten sich damals gegen die deutschen Kolonialherren auf. Diese antworteten mit großer Brutalität – nur etwa 16 000 der ursprünglich 60 000 bis 80 000 Herero überlebten den Kolonialkrieg. Viele Historiker sehen in ihm den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts. 2004 bat die damalige Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Heidemarie Wieczorek-Zeul anlässlich eines Besuchs in Namibia um Vergebung für die Verbrechen der Schutztruppe und gestand ein: „Die damaligen Gräueltaten waren das, was man heute als Völkermord bezeichnen würde – für den ein General von Trotha heutzutage vor ein Gericht gebracht und verurteilt würde.“ Seit der Unabhängigkeit Namibias im Jahr 1990 unterstützt Deutschland das Land mit Hilfszahlungen – 2013/2014 waren es 77,7 Millionen Euro. Viele Herero und Nama fordern von der Bundesregierung weiterhin die offizielle Anerkennung des damaligen Kolonialkrieges als Völkermord sowie eine förmliche Entschuldigung.

Intensiv wurden in Deutschland das Ende der Apartheid und der Aufbau eines „neuen Südafrika“ verfolgt. Nelson Mandela erlangte weltweit den Status einer bewunderten Jahrhundertfigur. Besonderes Interesse erfuhr die Einsetzung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission durch Nelson Mandela. Sie dokumentierte das Unrecht der Erniedrigung und die alltäglich Gewalt des Apartheidstaates, ohne dabei eine Politik staatlich sanktionierter Rache zu etablieren. Dieses Instrument hat in Deutschland viel Bewunderung erfahren und Debatten angestoßen, wurde aber außerhalb der allgemeinen Diskussionen über die „Aufarbeitung der Vergangenheit“ nur selten in unmittelbaren Bezug zum Umgang mit den Verbrechen des Nationalsozialismus gestellt. In Südafrika wird die Arbeit der Kommission zunehmend skeptisch betrachtet, weil den Vollstreckern der Apartheid durch die Wahrheits- und Versöhnungskommission auch Amnestien gewährt wurden.

Heute ist Südafrika der wichtigste Partner Deutschlands südlich der Sahara. Viele deutsche Unternehmen sind in dem Land präsent. Zugleich gibt es enge kulturelle und wissenschaftliche Kooperationen, aber auch zunehmend Kritik von deutscher Seite an der Regierungspartei ANC, die notwendige Reformen verschleppe und nicht nachhaltig gegen Korruption vorgehe.

PROF. DR. ANDREAS ECKERT lehrt an der Humboldt-Universität zu Berlin Geschichte Afrikas.