Mut zur Aufarbeitung
Deutschland hat den Bau einer nationalen Gedenkstätte in Peru unterstützt – und begleitet die historische Aufarbeitung.

Es war eine provisorische Wanderausstellung, die Joachim Gauck im Frühjahr 2015 in Lima besuchte – was schon zeigt, wie schwierig es ist, gemeinsame Antworten auf die Frage des „richtigen“ Gedenkens zu finden. Und wie lang und bisweilen schmerzhaft gesellschaftliche Aufarbeitungsprozesse sein können. Deutschland und Peru können in dieser Hinsicht voneinander lernen. Der Besuch des Bundespräsidenten – der erste eines deutschen Staatsoberhaupts seit mehr als 50 Jahren – dürfte dabei ein weiterer wichtiger Schritt gewesen sein.
Die Gedenkstätte „Lugar de la Memoria“, an deren Bau Deutschland sich beteiligt hat, erinnert an die Opfer des internen bewaffneten Konflikts in Peru. Der Kampf zwischen der linksextremen Guerillaorganisation „Leuchtender Pfad“ und dem Militär kostete in den Jahren 1980 bis 2000 rund 70 000 Menschen das Leben. Zu den Opfern gehörten sowohl Sicherheitskräfte und Vertreter des Staates als auch Zivilisten, viele von ihnen Angehörige des indigenen Volks der Quechua.
Der Konflikt hat tiefe Spuren hinterlassen und prägt das Land bis heute. Die peruanische Wahrheits- und Versöhnungskommission erachtet deshalb zwei Anliegen als vordringlich: zum einen die juristische Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen aus jener Zeit, zum anderen das öffentliche Gedenken.
Deutschland kam bereits 2008 mit dem Thema in Berührung. Am Rande des EU-Lateinamerika-Gipfels in Lima bot die damalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul Hilfe beim Aufbau der Gedenkstätte an, die der peruanische Literatur-Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa als Mentor unterstützt. Seither gibt es einen engen Austausch – auch, was die Inhalte angeht. Noch im April 2015 war auf Einladung des Auswärtigen Amts eine peruanische Delegation zu Gast in Deutschland und machte sich ein Bild von der Gedenkarbeit des Partners. Unter anderem besuchten die Mitglieder das frühere Stasi-Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen.
Auch Joachim Gauck bot in Lima an, das Land bei der Aufarbeitung weiter zu begleiten. Für den Bundespräsidenten war es kein alltäglicher Besuch, bewusst sprach er seine persönlichen Erfahrungen an: „Viele von Ihnen wissen, dass ich im Osten Deutschlands in einer Diktatur gelebt habe und erst 1990 durch eine freie Wahl in die Politik gekommen bin“, so der Bundespräsident in seiner Rede im „Lugar de la Memoria“. Die „doppelte Erfahrung von Aufarbeitung von Diktatur“ habe die Deutschen in eine besondere Rolle gebracht. „Wir haben tiefe und prägende Erfahrungen mit Schuld, mit der Verleugnung von Schuld und schließlich mit der Anerkennung und Aufarbeitung von Schuld.“
Deutschland feiert 2015 das Ende seiner Teilung vor 25 Jahren. In Peru liegt das Ende des Schreckens gerade einmal 15 Jahre zurück – eine Tatsache, derer man sich bewusst sein müsse, so Gauck. „Erinnern und Gedenken entstehen nicht über Nacht, sie brauchen Zeit.“ Er ermutigte dazu, sich der Vergangenheit entschlossen zu stellen. „Was die Gesellschaften, die sich in einem Transformationsprozess in eine vom Recht geleitete Demokratie befinden, benötigen, ist eine tiefere innere Überzeugung, die in manchen Staaten Südamerikas einfach in zwei Worten ausgedrückt worden ist: ‚nunca más‘.“
Er hoffe, dass der „Lugar de la Memoria“ einmal „in einer ganz umfassenden Weise ein Lernort für Zivilisation“ sein werde, so Gauck. „Ein Lernort für eine Politik, die niemals nur eine Perspektive kennt – die Perspektive der gerade Herrschenden –, sondern die Perspektiven der Unterdrückten oder der Opfer der Gesellschaft beständig mit einbezieht.“