„Die Gesichter waren voller Hoffnung“
Der syrische Journalist Aktham Suliman erinnert sich an die deutsche Wiedervereinigung.

Aktham Suliman – Journalist und ehemaliger Deutschland-Korrespondent von Al Jazeera
Historische Ereignisse verschlagen einem oft die Sprache. Umso interessanter sind sie, wenn die Sprache gar nicht existent ist. Als frischer Ankömmling ohne Deutschkenntnisse in der spannendsten Zeit Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg musste ich auf die Baby-Methode zurückgreifen: Gesichter-Lesen. Sie waren voller Hoffnung. Jahre später bekomme ich die Beschreibung dessen, was geschah, mit: Irgendeine Tür der Geschichte hätte sich kurz geöffnet und das 80-Millionen-Volk sei durchgeschlüpft. Beim Arabischen Frühling war das leider anders. Heute, ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung, sind Begriffe wie „kleine Schritte“, „ruhige Hand“ und „Interessenausgleich“ der Inbegriff deutscher Politik. Ein wenig langweilig? Mag sein. Äußerst effektiv? Auf jeden Fall.