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Für Vertrauen und Verständnis

Die Internationale Diplomatenausbildung des Auswärtigen Amts verbindet junge ausländische Diplomaten.

Йоханнес Гёбель, 19.04.2016

Die Energiewende, zum Beispiel: Ist es nicht eine besondere Chance, ihre unterschiedlichen Facetten in dem Land diskutieren zu können, das sich als erste Industrienation dieser Jahrhundertherausforderung umfassend und nachhaltig gestellt hat? In Gesprächen mit hochkarätigen Entscheidungsträgern und Experten, etwa der renommierten Denkfabrik Agora Energiewende – und im Austausch mit anderen internationalen Diplomaten. „Deutschlands Energiewende zählt zu den Themen, die die Teilnehmer des Diplomatenkollegs besonders interessieren“, erzählt Sophia Azara, Programmleiterin des Diplomatenkollegs in der Internationalen Diplomatenausbildung des Auswärtigen Amts. „Das gilt nicht zuletzt auch für Diplomaten der Russischen Föderation.“ Die Energiewende ist nur eines von zahlreichen Themen, die die Diplomaten im Rahmen der Internationalen Diplomatenausbildung des Auswärtigen Amts aus außergewöhnlichen Blickwinkeln kennenlernen können.

 

Am Anfang stand der 1992 vom ehemaligen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher initiierte Internationale Diplomatenlehrgang als Grundstein der Internationalen Diplomatenausbildung. Inzwischen werden jährlich im Schnitt 15 Lehrgänge angeboten. Entstanden ist ein aktives Netzwerk von über 3000 Alumni.

 

Seit 2004 gibt es das Diplomatenkolleg, zu dem das Auswärtige Amt jährlich rund 15 in Deutschland tätige junge Diplomaten aus Europa, der Russischen Föderation, dem Südkaukasus, Zentralasien und China einlädt. Während eines halben Jahres kommen sie regelmäßig zu Fachgesprächen und Informationsbesuchen zusammen. Die Diplomaten stehen am Anfang ihrer Karriere und diskutieren nicht nur mit hochrangigen Vertretern staatlicher Institutionen, sondern etwa auch mit Entscheidungsträgern der Europäischen Zentralbank oder Redakteuren des Hauptstadtstudios des Senders ARD. So bauen sie im Zuge ihrer Teilnahme Kontakte auf, die sie ihren restlichen Berufsweg begleiten. „Die Diplomaten gewinnen neue Einblicke und kommen auch mit Gesprächspartnern in Kontakt, zu denen sie ansonsten nicht ohne Weiteres Zugang hätten“, sagt Patrick Heinz, der als Referatsleiter für die Internationale Diplomatenausbildung des Auswärtigen Amts zuständig ist.

 

Programmdirektor des Diplomatenkollegs ist Botschafter a.D. Heiner Horsten, der in seiner Laufbahn unter anderem von 2008 bis 2012 Deutschlands Ständiger Vertreter bei der OSZE in Wien war. „Mit seiner großen Erfahrung ist er ein wertvoller Begleiter der jungen Diplomaten“, hebt Patrick Heinz hervor. „Natürlich lernen die Stipendiaten viel voneinander, aber wichtig ist auch ein Ansprechpartner, der ganz unterschiedliche politische Zusammenhänge und Entwicklungen überblickt.“ Ebenfalls wichtig: Die Zusammenarbeit mit den Programmpartnern Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik und Robert Bosch Stiftung, die nicht zuletzt dank ihrer vielschichtigen Programmerfahrungen in Osteuropa wertvolle Impulse einbringen.

 

„Nach meiner persönlichen Erfahrung hat sich das Diplomatenkolleg als eine exzellente Plattform für das Kennenlernen Deutschlands und zugleich auch für den Netzwerkaufbau und Meinungsaustausch mit den Kollegen aus anderen Ländern bewährt“, sagt Karina Mikirova, Alumna des 10. Diplomatenkolleg-Jahrgangs und heute Attachée in der Russischen Botschaft in Berlin. „Diese Eigenschaft des Diplomatenkollegs ist in der Zeit von zahlreichen Spannungen und Konflikten besonders wichtig und sollte nicht unterschätzt werden.“

„Vertrauen ist nichts Abstraktes“

Verlagert haben sich mit der Zeit die Schwerpunkte in der Internationalen Diplomatenausbildung des Auswärtigen Amts. „Die Förderung von Netzwerken hat in den vergangenen Jahren gegenüber der Weiterbildung an Bedeutung gewonnen“, sagt Patrick Heinz. „Es bildet sich eine Gemeinschaft, die großes Interesse für internationale Beziehungen verbindet. Es geht um die Diplomatie des 21. Jahrhunderts.“ Patrick Heinz macht deutlich, dass Netzwerkbildung im diplomatischen Austausch zuvörderst im gegenseitigen Vertrauen gründet: „Vertrauen ist nichts Abstraktes. Es kann nur dort entstehen, wo es Raum für persönlichen Dialog und Kontakte gibt. Diesen Raum bieten wir den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unserer Programme.“

 

Die Netzwerkbildung unter den Diplomaten wird auch durch eine intensive Alumni-Arbeit verstärkt. Hierzu zählen regelmäßige Alumni-Treffen im In- und Ausland, zudem werden Alumni auch in laufende Programme eingebunden, um den Austausch möglichst aktiv zu gestalten. „Das Alumni-Format leistet einen enormen Beitrag zur Unterstützung der im Laufe des Diplomatenkollegs geschaffenen Kommunikationsbande“, sagt Karina Mikirova.

 

Dass dieser Austausch auch bei schwierigen Themen nicht stockt, etwa bei Fragen zur Medienfreiheit oder bei Diskussionen zwischen ukrainischen und russischen Diplomaten, ist ein Hauptanliegen des Teams um Referatsleiter Patrick Heinz. „Ich erlebe den Austausch als sehr konstruktiv“, sagt Sophia Azara. Und Patrick Heinz betont: „Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik. Auch in der Internationalen Diplomatenausbildung des Auswärtigen Amts steht die Frage im Mittelpunkt, wie wir Offenheit und Verständnis gerade auch zu umstrittenen Themen füreinander fördern können.“ ▪