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Humanitäre Hilfe 
für Flüchtlinge

Das Auswärtige Amt koordiniert die vielfältige Humanitäre Hilfe der Bundesregierung für Flüchtlinge in der Türkei.

Hendrik Bensch, 19.04.2016

Erschöpft sitzt der Mann auf dem Krankenbett. Sein rechtes Auge ist trübe und nur leicht geöffnet. Eine tiefe Narbe zieht sich quer über seine Stirn bis zu seiner rechten Augenbraue. Er ist Kriegsflüchtling aus der Nähe der syrischen Stadt Aleppo und Opfer eines Raketenangriffs. „Ich weiß nur noch, wie die Rakete in unser Haus einschlug. Von da an weiß ich nichts mehr“, erzählt er einem Kamerateam von Malteser International im Feldhospital in der türkischen Stadt Kilis. Es liegt nur wenige Kilometer von der Grenze zu Syrien entfernt. Hier hat Malteser International zusammen mit der türkischen Hilfsorganisation Internationaler Blauer Halbmond ein Hospital aufgebaut, in dem Ärzte Flüchtlinge aus Syrien behandeln. Sie versorgen vor allem Patienten mit Kriegsverletzungen. Physiotherapeuten helfen den Geflüchteten, wieder mobiler zu werden und selbstständiger zu leben. Psychologen kümmern sich um traumatisierte Frauen und Männer. 2015 wurden etwa 900 Patienten stationär in dem Hospital aufgenommen.

Die Klinik in Kilis ist eines der Projekte für syrische Flüchtlinge, das die Bundesregierung finanziell unterstützt. Der Beitrag Deutschlands für syrische Flüchtlinge in der Türkei aus Mitteln der Humanitären Hilfe beläuft sich seit 2012 auf 86,5 Millionen Euro, alleine 2015 waren es mehr als 35 Millionen Euro. Insgesamt hat die Bundesregierung seit 2012 rund 1,5 Milliarden Euro im Zusammenhang mit der Syrienkrise zur Verfügung gestellt. Dabei koordiniert und finanziert das Auswärtige Amt die humanitären Hilfsleistungen der Bundesregierung.

Mittlerweile sind mehr als 2,5 Millionen Syrer in die Türkei gekommen. Von ihnen lebt aber nur ein kleinerer Teil in Flüchtlingslagern. Die meisten sind in die Städte gegangen, wo viele von ihnen in Mietswohnungen leben. Anfangs konnten sich das viele Syrer noch leisten. Da sie nun aber oft bereits mehrere Jahre im Land sind und nur einen eingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt haben, geht ihnen das Geld aus. „Immer mehr Leute rutschen deshalb in die Armut ab“, berichtet Peer Kölling, Referent für Humanitäre Hilfe und Humanitäres Minenräumen im Auswärtigen Amt.

Um den Geflüchteten zu helfen, unterstützt die Bundesregierung unterschiedliche Akteure finanziell: Nichtregierungsorganisationen wie Malteser International, Caritas, die Welthungerhilfe oder auch das Rote Kreuz und der Rote Halbmond werden gefördert, ebenso Vorhaben der Vereinten Nationen, wie etwa das Welternährungsprogramm (WFP). Das Welternährungsprogramm setzt in Ländern wie der Türkei beispielsweise ein innovatives Cash-Programm um. Hierbei erhalten Flüchtlinge eine Geldkarte, die aussieht wie eine gewöhnliche EC-Karte. Hiermit können die Flüchtlinge Lebensmittel kaufen. Pro Person im Haushalt werden 50 Lira pro Monat gezahlt, rund 15 Euro. Wer die Karte erhält, hängt von unterschiedlichen Kriterien ab: zum Beispiel von der Anzahl an Kindern und dem Einkommen.

Das Geldkarten-Konzept ist eine moderne Form der Nothilfe. Früher verteilten die Hilfsorganisationen in solchen Fällen Lebensmittel. Die Cash-Lösung habe demgegenüber einige entscheidende Vorteile, hebt Peer Kölling hervor: „Die Karte erleichtert die Logistik rund um die Hilfsmaßnahme. Zudem können die Menschen selbstbestimmter entscheiden, was sie kaufen möchten. Das gibt ihnen ein Stück Würde zurück.“ Das WFP hat 2015 in der Türkei über sein Programm rund 220 000 syrische Flüchtlinge unterstützt. Durch die Zuwendung des Auswärtigen Amts in Höhe von rund 15 Millionen Euro konnten 125 000 Menschen für Zeiträume zwischen einem und sieben Monaten unterstützt werden.

Da viele Syrer mittlerweile ihre Mieten nicht mehr zahlen können, fördert die Bundesregierung zudem Projekte, in denen die Geflüchteten Mietzuschüsse erhalten. Beispielsweise in Projekten der Diakonie: Die Flüchtlinge wenden sich dabei zunächst an die Hilfsorganisation. Sie entscheidet dann anhand einer Bedarfsanalyse, ob die Familie finanzielle Unterstützung erhält. Der Vermieter kann sich dadurch auf die Mietzahlung verlassen. „Im Gegenzug verpflichtet er sich, nicht einfach zu kündigen oder die Miete stark zu erhöhen“, erzählt Kölling.

Neben Unterstützung für Mieten, Lebensmittel sowie medizinische Hilfe finanziert die Bundesregierung auch Hygieneprojekte. So verteilt beispielsweise das Deutsche Rote Kreuz in Zusammenarbeit mit dem Türkischen Roten Halbmond Hygienepakete. Darin sind etwa Zahnpasta, Zahnbürsten, Binden und Windeln enthalten. All diese Hilfsmaßnahmen in den Nachbarländern Syriens sind von großer Bedeutung für die Flüchtlinge, betont Peer Kölling. „Die meisten möchten in der Nähe ihrer Heimat bleiben.“ Denn häufig leben noch Familienmitglieder von ihnen in Syrien. In den Nachbarländern bräuchten die Menschen aber nicht nur Lebensmittel, Trinkwasser und eine medizinische Versorgung. „Sie benötigen auch eine Perspektive für die Zukunft“, sagt Kölling. Dabei spiele insbesondere Bildung eine wichtige Rolle.

Das hat erst kürzlich Valerie Polydore, Projektsachbearbeiterin im Auswärtigen Amt, wieder erlebt. Sie war im südlichen Teil der Türkei und sprach dort mit Geflüchteten. „Die Menschen haben mir immer wieder erzählt: Das Wichtigste ist für mich die Zukunft meiner Kinder“, berichtet sie. Und für diese Zukunftsperspektive bräuchten sie Bildungsangebote, Arbeitserlaubnisse und vor allem die Möglichkeit, ein Leben zu führen, in dem man nicht nur als Flüchtling gesehen werde.

Vor diesem Hintergrund unterstützt die Bundesregierung das Bildungsprogramm von Unicef. Dabei werden unter anderem Schulen instandgesetzt, saniert und erweitert, Lehrergehälter gezahlt und Schulbücher gekauft. Das Auswärtige Amt hat das Bildungsprogramm im vergangenen Jahr mit zwei Millionen Euro gefördert. Damit leistete das Auswärtige Amt einen entscheidenden Beitrag dazu, dass insgesamt 230 000 Kinder in die Schule gehen können – und damit auch im Nachbarland ihrer Heimat wieder eine Perspektive haben. ▪