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Verhandeln wie echte Diplomaten

Diplomatisches Geschick: Das können junge Menschen bei einer Modellkonferenz der Vereinten Nationen üben. Neun Studierende aus Jena haben dabei Ägypten vertreten.

Astrid Herbold, 05.04.2018
Mit Erfolg: Die Studierenden verhandelten in Panama Positionen für Ägypten.
Mit Erfolg: Die Studierenden verhandelten in Panama Positionen für Ägypten. © privat

„Am schwierigsten war es, in der Rolle zu bleiben“, erzählt Janine Stibaner. „Wir mussten immer überlegen: Was würde Ägypten tun?“ Die Studentin aus Deutschland ist gerade erst von einer weiten Reise zurückgekehrt. In Panama-Stadt traf sie im März 2018 mit 1.500 Studierenden aus aller Welt zusammen. Der Anlass war hochpolitisch: In einer simulierten Vollversammlung der Vereinten Nationen wollten die Nachwuchsakademiker über Fragen wie Sicherheit, Gesundheit, Menschenrechte und Flüchtlingspolitik diskutieren. 

Die Studierenden der Uni Jena: Lara Hoffmann, Iryna Sheremeta, Alexandra Panova, Olga Zhuk, Oliver Laskowski, Carolin Brandenburg, Janine Stibaner, Lisa Anke, Johannes Säuberlich und Franziska Sandt. (von links nach rechts)
Die Studierenden der Uni Jena: Lara Hoffmann, Iryna Sheremeta, Alexandra Panova, Olga Zhuk, Oliver Laskowski, Carolin Brandenburg, Janine Stibaner, Lisa Anke, Johannes Säuberlich und Franziska Sandt. (von links nach rechts) © privat

Das Besondere an der jährlich stattfindenden Konferenz „Harvard World Model United Nations“, die weltweit etliche regionale und nationale Ableger hat: Niemand vertritt sein eigenes Land. Die Studierenden, die in diesem Jahr aus 80 Ländern nach Panama reisten, wurden vorab symbolisch anderen Nationen zugeteilt. Janine Stibaner gehörte zu einer Gruppe von neun Studierenden der Friedrich-Schiller-Universität Jena, die als ägyptische Delegation auftrat. „Zunächst war das eine sehr ungewohnte Perspektive“, sagt die Studentin. Über das Land am Nil wussten die Studierenden aus Deutschland nicht allzu viel.

Ich nehme den internationalen Spirit der Konferenz mit. Es war sehr intensiv.
Student Johannes Säuberlich

Dabei war es kein Zufall, dass die Wahl der Hochschule auf Ägypten fiel. Die Universität schickt seit Jahren Studierende zu der Konferenz. Meistens vertreten sie dabei afrikanische Länder. „Zwar wird Ägypten eher der arabischen Welt zugeordnet, aber kontinental gesehen liegt es in Afrika“, erläutert Dozentin Franziska Sandt, die am Politikwissenschaftlichen Institut als Lehrbeauftragte arbeitet. Mehrere Monate lang hat sie die Studierenden auf ihren Auftritt in Panama vorbereitet. „Wir haben uns mit Rhetorik und Verhandlungsstrategien beschäftigt und das Prozedere in den Gremien studiert.“ Wichtig waren zudem die praktischen Sprechübungen, denn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz müssen sich untereinander auf Englisch verständigen. 

Abhängig vom Nil

Auch Kultur, Geschichte und Wirtschaft Ägyptens standen auf dem Programm. Nach und nach machte sich die Gruppe mit dem 94-Millionen-Einwohner-Staat vertraut, dem bevölkerungsreichsten Land der arabischen Welt. Für die Konferenz war das unerlässlich, denn in zahlreichen Ausschüssen wurden zwei Tage lang Arbeitspapiere formuliert, die am dritten Tag im Plenum zur Abstimmung kamen und in eine umfassende Resolution mündeten. Die Studenten aus Jena mussten also genau wissen, welche Positionen Ägypten vertritt und um welche Textpassagen es sich in Panama-Stadt zu kämpfen lohnt.

Keine Hemmungen: Die Studenten brachten in Panama ihre Positionen für Ägypten ein.
Keine Hemmungen: Die Studenten brachten in Panama ihre Positionen für Ägypten ein. © privat

„Der Höhepunkt der Vorbereitungen war unsere Exkursion nach Berlin“, erzählt Dozentin Sandt. Dort empfing der ägyptische Botschafter Badr Abdelatty die Gruppe und nahm sich ausführlich Zeit für ein Gespräch. „Wir konnten ihm viele Detailfragen stellen“, sagt Teilnehmerin Janine Stibaner. Bei manchen Themen waren die Studierenden von der Position Ägyptens überrascht. „Uns war vorher nicht klar, wie wichtig die Religionsfreiheit für Ägypten ist“, sagt Stibaner. Auch auf das Bevölkerungswachstum und die Abhängigkeit vom Nil sowie die daraus resultierenden innen- und außenpolitischen Herausforderungen wies der Botschafter die Studenten hin. 

Mit Bildung gegen Radikalisierung

In Panama blieb dann nur kurz Zeit für Sightseeing, denn drei Tage lang wurde intensiv debattiert. Das Treffen gilt als weltweit wichtigste Modellkonferenz der Vereinten Nationen. Die Studenten aus Jena konnten etliche inhaltliche Akzente setzen. Stolz ist Janine Stibaner vor allem, „dass wir beim Thema religiöse Radikalisierung unsere Punkte einbringen konnten“. Wie kein anderes Land machte sich die ägyptische Delegation dafür stark, dass Bildung und differenziertes Wissen über Religionen wichtige Bausteine zur Terrorismusbekämpfung sind.

Kommilitone Johannes Säuberlich zieht ebenfalls ein positives Fazit. „Vor allem nehme ich den internationalen Spirit der Konferenz mit.“ Neue Freundschaften seien entstanden, viele Kontakte geknüpft worden. „Es war sehr intensiv.“ Und jeder sei bis zuletzt bemüht gewesen, die Interessen „seines“ Landes durchzubringen. Für Dozentin Sandt bemisst sich die Leistung ihrer studentischen Gruppe trotzdem weniger an den Formulierungen, die es in die Schlussresolution geschafft haben. „Der eigentliche Lernerfolg war, dass die Studierenden Ägypten wirklich authentisch vertreten haben.“ 

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