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Thema Luftqualität

Ein Interview mit Ursula Becker, Leiterin des Projekts „Deutsch-Chinesische Umweltpartnerschaft“, über die drängendsten Aufgaben und erste Erfolge.

07.07.2016

Frau Becker, was ist das Ziel der „Deutsch-Chinesischen Umweltpartnerschaft“?

Bei der Deutsch-Chinesischen Umweltpartnerschaft, die die beiden Umweltministerien 2010 vereinbart haben, geht es darum, den Austausch beider Länder zu Umweltfragen zu fördern und die Problemlösungsfähigkeit des chinesischen Umweltministeriums voranzubringen. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH unterstützt diese politische Partnerschaft und berät im Auftrag des Bundesumweltministeriums das chinesische Umweltministerium und den Umwelt- und Entwicklungsbeirat der chinesischen Regierung (CCICED) bei der Entwicklung und Umsetzung einer effektiven und nachhaltigen Umweltpolitik. Das Themenspektrum ist weit gesteckt und ermöglicht einen Erfahrungsaustausch über aktuelle und besonders drängende Umweltthemen. Hierzu zählt natürlich seit Beginn das Thema Luftreinhaltung. Anfang 2013 stiegen in der gesamten Region Nord- und Ost-China die Feinstaubwerte auf ungewohnte Höchstwerte an. Entsprechend wollte das chinesische Umweltministerium von uns wissen, wie wir in Deutschland agieren, um solche Entwicklungen zu unterbinden. Das Ruhrgebiet mit seiner vergleichbaren Industriestruktur der 1960er- und 1970er-Jahre bietet hier einen guten Vergleich. Der konkrete Austausch hierzu mündete in eine Beratung zur Verbesserung des chinesischen Genehmigungsverfahrens für Industrieanlagen – zunächst mit Fokus auf die in der Region sehr stark verschmutzenden Zement- und Stahlfabriken, die einen Großteil der Industrieemissionen ausmachen.

Die chinesische Führung will die Wirtschaft zu einer „Green and Low Carbon Economy“ entwickeln. Sind auf dem Weg schon Fortschritte erzielt worden?

Seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik im Jahr 1978 ist China in lediglich 30 Jahren zu einer führenden Wirtschaftsmacht aufgestiegen. Dieses hohe Tempo der Wirtschaftsentwicklung hatte Folgen für die Umwelt. Die im 12. Fünfjahresplan, gültig von 2011 bis 2015, von der Regierung eingeleitete Kurskorrektur hin zu einer grünen und kohlenstoffarmen Wirtschaftsweise sollte der weiteren Degradierung Einhalt gebieten. China hat sich zum Ziel gesetzt, eine Gesellschaft aufzubauen, deren Handlungsweise im Einklang steht mit Ökologie, Ökonomie, Kultur, Gesundheit und sozialen Aspekten. Hierdurch wurde Umweltschutz erstmals von der Staatsführung als große Aufgabe anerkannt. Angesichts der Feinstaubproblematik hat die Regierung einen Nationalen Zehn-Punkte-Plan zur Luftreinhaltung in China verabschiedet. Dieser sieht zum Beispiel neben der Reduzierung des Kohleverbrauchs im Großraum Peking und strikterer Grenzwertkontrollen bei den Unternehmen eine stärkere regionale Kooperation vor. Der 13. Fünfjahresplan schreibt den Aufbau eines Systems zur Genehmigung von Emissionen der Industrie vor. Obwohl die Luftverschmutzung noch immer sehr kritisch ist, zeigt die statistische Auswertung deutlich, dass sich die Luftqualität in den vergangenen drei Jahren kontinuierlich verbessert hat.

Welchen Stellenwert genießt die deutsche Umwelt- und Klimapolitik in China? Und was kann Deutschland in die Partnerschaft einbringen?

Die deutsche Umwelt- und Klimapolitik wird von China aus sehr genau verfolgt. China möchte aus deutschen Erfahrungen lernen – zum Beispiel, wie wir es geschafft haben, unsere Umweltprobleme in den Griff zu bekommen. Außerdem wird Deutschland als wichtigster Wirtschaftspartner Chinas in der EU wahrgenommen und als sehr stark treibende Kraft im Bereich von Umwelt- und Klimaschutz. Das von der 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung propagierte umweltverträgliche Wirtschaften und die Umsetzung der Energiewende sind prominente Gesprächsthemen zwischen beiden Regierungen. Auch deutsche Umwelttechnik wird sehr positiv bewertet und gleichgesetzt mit hoher Qualität und Effektivität. Die chinesische Regierung profitiert stark von dem Austausch mit deutschen Regierungsstellen und fragt intensiv deutsche Erfahrungen in der Durchsetzung von Umweltstandards ab, die teilweise auch in die Ausgestaltung neuen chinesischen Umweltschutzgesetzes eingeflossen sind.

Welche Anregungen aus Deutschland haben schon Eingang in die chinesische Politik gefunden? Können Sie einige Beispiele nennen?

Unsere Kooperation zur Harmonisierung des chinesischen Umweltkennzeichens mit dem Standard des so genannten Blauen Engels ist sehr erfolgreich. Hier haben sich beide Seiten darauf geeinigt, dass chinesische Unternehmen ihre Produkte nach dem Blauen Engel zertifizieren lassen können. Umweltkennzeichen sind ein wichtiges Instrument, um nachhaltigeres Konsumverhalten der wachsenden chinesischen Mittelschicht zu fördern. Auch die Beratung zum Anlagenzulassungsrecht hat große Aufmerksamkeit. Um die Umweltauswirkungen von Unternehmen in den Griff zu bekommen, arbeitet das Umweltministerium am Aufbau eines chinesischen Genehmigungsverfahrens. Dies soll bewirken, dass die Luftverschmutzung von Unternehmen kräftig zurückgeht und die Umweltauswirkungen von Industrieansiedlungen auf ein verträgliches Maß begrenzt werden.

Im April 2016 fand das 5. Deutsch-Chinesische Umweltforum in Nanjing statt. Welche Themen standen im Mittelpunkt? Welche neuen Impulse gingen von dem Forum aus?

Auf dem 5. Deutsch-Chinesische Umweltforum unter dem Titel „Inklusives und nachhaltiges Wachstum - Herausforderungen und Chancen der Umsetzung“ diskutierten etwa 350 Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft über notwendige Rahmenbedingungen, Herausforderungen und Lösungsansätze für ein umweltverträgliches Wirtschaften. Die thematischen Schwerpunkte lagen in diesem Jahr auf Ressourceneffizienz, nachhaltige Produktion und Lebensstile, umweltfreundliche Beschaffung, Luftreinhaltung und Wasserwirtschaft, Bodenschutz und Biodiversität, die Durchsetzung umweltpolitischer Vorgaben sowie die Finanzierung von Umweltschutzmaßnahmen. Diese Themen spiegeln auch die Beratungsbreite der Deutsch-Chinesischen Umweltpartnerschaft wider. Konkrete Ergebnisse der Veranstaltung beinhalten unter anderem die Intensivierung der Zusammenarbeit zu Luft- und Wasserreinhaltung sowie Ressourceneffizienz. ▪

Interview: Martin Orth