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Von Brandenburg in die Kroumirie

Ein deutsch-tunesisches Ranger-Camp begeistert junge Menschen für Berufe im nachhaltigen Tourismus und im Umweltschutz.

Dorit Ohlau, 20.01.2014
Jan  Wildefeld -  deutsch-tunesisches  Ranger-Camp
Jan Wildefeld - deutsch-tunesisches Ranger-Camp © Jan Wildefeld - deutsch-tunesisches Ranger-Camp

Brahim Zghonda träumt von Biogas. Eine Anlage wie in Deutschland möchte der 22-jährige Tunesier gern in seiner Heimat bauen und seinen Landsleuten erklären, wie aus landwirtschaftlichen Rohstoffen Strom und Wärme werden. „Zunächst“, so dämpft er seine Euphorie ein wenig, „muss ich aber mein Studium der erneuerbaren Energien abschließen.“ Mit einem breiten Lächeln fügt er hinzu: „Und das am liebsten mit einem Masterabschluss  in Deutschland.“

Brahim Zghonda ist einer von je sechs jungen Erwachsenen aus Deutschland und Tunesien, die am Austauschprogramm „Deutsch-Tunesische Ranger-Camp für Naturschutz und nachhaltigen Tourismus“ teilgenommen haben. Das Projekt wurde vom Auswärtigen Amt im Rahmen der Transformationspartnerschaft mit Tunesien gefördert und von der European Nature and Environment Academy (ENEA) in Hannover in Kooperation mit dem BUND Landesverband Niedersachsen und der Deutschen Umwelthilfe umgesetzt.

In zwei zehntägigen Ranger-Camps – in den  Regionen Hannover und Berlin-Brandenburg sowie in der westlich von Tunis gelegenen waldreichen Bergregion Kroumirie mit dem Nationalpark El Feija – haben sich die Teilnehmer aus beiden Ländern kennengelernt. Ausflüge, Erlebnisse, Exkursionen, Wanderungen und Vorträge liegen hinter ihnen. „Neben dem kulturellen Austausch möchten wir die jungen Teilnehmer mit Beispielen aus der Praxis für erneuerbare Energien, nachhaltigen Tourismus sowie den Umwelt- und Naturschutz begeistern“, sagt Projektkoordinator Matthias Schwincke.

Zum Abschlusstreffen in Hannover füllt sich das Hotelfoyer mit herzlicher Wiedersehensfreude. Einige Teilnehmer liegen sich in den Armen. Ahlke Landt vom deutschen Naturschutzverein „BUND Jugend“ freut sich „riesig“, wie sie sagt, und hebt eine schmale Plastikflasche in Augenhöhe. Grünlich-braun rinnt der Saft langsam in der Flasche mit arabischen Schriftzeichen. Kräftig nussig, ätherisch und frisch riecht das Wildpistazienöl. Mühsam aus rot-grünen Kernen gepresst, soll es vor Erkältungen schützen. Die tunesische Projektkoordinatorin Hayet Taboui vom Naturschutz- und Regionalentwicklungs-Verein „Sidi Bou Zitoun“ hat es Ahlke Landt aus ihrer Heimat mitgebracht.

Das Pressen des Pistazienöls gehörte zu den Dingen, die Ahlke Landt beim Besuch in Nordwest-Tunesien besonders beeindruckt haben. Aber auch die Traditionen des Kroumir-Berberstammes und dass sich in der Kroumirie punische, römische, frühchristliche sowie französische Kultur vereinen, fand sie spannend. Neben den kulturhistorischen Schätzen beheimatet die Region zudem den größten und artenreichsten Eichenwaldbestand im Mittelmeerraum mit seltenen Vogelarten, Heilpflanzen und dem Berberhirsch – der einzigen afrikanischen Hirschart. In den Augen der deutschen Teilnehmer wertvolle natürliche Kostbarkeiten. Für die Bewohner der Region: Alltag. In Tunesien wird aus verständlichen Gründen noch stark auf den einträglichen Massentourismus gesetzt. Vom wirtschaftlichen Potenzial eines „sanften“ und ökologisch umsichtigeren Tourismus in der 180 Kilometer westlich von Tunis gelegenen Kroumirie ist Workshopteilnehmer Jan Wildefeld, Leiter Jugend und Medien beim deutschen Dachverband der Großschutzgebiete – Europarc e.V., nach seinem zehntägigen Besuch jedoch überzeugt. „Es gibt herausragende Kulturgüter, Handwerkstradition und vor allem eine urwüchsige Natur, von der wir in Deutschland nur träumen können.“ Doch um das Potenzial ausschöpfen zu können, müsse mehr Umweltbildung stattfinden, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Nooman Azizi nickt. Der 29-jährige Hotelier und Tourismusmanager aus Ain Draham denkt kritisch über das Fällen der Eichen für Häuser, die direkt neben der Abholzung gebaut werden. „Früher war dies gesetzlich verboten. Seit der Revolution nutzen die Menschen den juristischen Freiraum.“ In Deutschland haben ihn die zahlreichen Beispiele für sanften Tourismus bestärkt, auch in seiner Heimat ökotouristische Projekte weiter voranzutreiben.

Während des Ranger-Camps in Deutschland waren die zehn Tage gefüllt mit Exkursionen und Gesprächen. Im Mittelgebirge Harz ging es zu Fuß in den Nationalpark, in Brandenburg mit dem Rad an der ehemaligen innerdeutschen Grenze entlang und mit dem Umweltbildungsboot „Kleine Dott“ auf große Fahrt ins Biosphärenreservat „Lenzener Elbtalaue“. Photovoltaik, Regenwasserrecycling, biologischer Pflanzenschutz, Windparks und Biogasanlagen besuchten die Ranger-Camper dann rund um die Großstadt Hannover. „Ich war wirklich erstaunt, dass es so viele Anlagen in einer Region gibt und ich sämtliche Technologien  zur Gewinnung erneuerbarer Energien im Einsatz erleben konnte“, berichtet Brahim Zghonda.

„In Deutschland haben wir die Ergebnisse des Umweltschutzes und der Energiewende weg vom Atomstrom und hin zu erneuerbaren Energien mit eigenen Augen sehen können“, fasst der Student seine Eindrücke zusammen. „Das hat mich sehr begeistert und motiviert, auch in meiner Heimat Energie aus natürlichen Quellen zu gewinnen“. Und auch Tourismusmanager Nooman Azizi hat eine neue Projektidee: Er würde gern einen „Walderlebnispark“ nach deutschem Vorbild in der Kroumirie errichten.

http://www.enea-net.eu/